Review: #2.06 Der Traum von Tallahassee

Da uns die Rückblenden zum ersten Mal nicht in die vergangene Märchenwelt führen, sondern in Emmas Jugend, wird ein wichtiges Geheimnis endlich enthüllt: die Identität von Henrys Vater. Diesen haben wir sogar schon früher kennen gelernt, denn es handelt sich um den mysteriösen Mann aus dem Staffelauftakt, dem eine Postkarte mit dem Wort "Broken" ("Gebrochen") zugeschickt wurde.

Neal Cassady, so der Name des Mannes, hat Emma wirklich geliebt und sie nicht freiwillig verlassen, sondern auf Augusts Anweisung hin. Das ist durchaus eine dicke Überraschung. Bisher schien es, als habe August zwischen seiner Flucht aus der staatlichen Obhut und seinem Auftauchen in Storybrooke gar nichts mit Emmas Leben zu tun gehabt, doch stattdessen hatte er maßgeblichen Anteil daran, dass Emma die Person wurde, die sie nun ist, im guten wie im schlechten Sinne. Indem August dafür gesorgt hat, dass Emma von ihrer großen Liebe im Stich gelassen wurde, hat er sie stärker und selbstständiger gemacht, ihr aber auch die Fähigkeit genommen, anderen Menschen zu vertrauen. Im Prinzip ist dies später auf August selbst zurückgefallen, da er Emma nicht rechtzeitig überzeugen konnte, an den Fluch zu glauben, und so wieder zu Holz wurde. Augusts Versagen als Emmas "Schutzengel" wird in dieser Folge also noch deutlicher, wobei er immerhin wie versprochen die Nachricht an Neal geschickt hat, der nun weiß, dass Emma ihr Schicksal erfüllt hat.

Mir hat Neal recht gut gefallen. Er und Emma wirkten sehr süss und glücklich zusammen, wie eine etwas tollpatschige, aber liebenswerte Lightversion von Bonnie und Clyde. Die Aussicht, dass Neal vielleicht irgendwann in Storybrooke auftaucht, um Emma zurück zu gewinnen, erscheint mir sehr reizvoll, besonders natürlich, wenn dann auch August wieder auf der Bildfläche erscheint und zudem Captain Hook mit an Bord ist. Das könnte die charmanteste, ungewöhnlichste und fantasievollste Vierecksbeziehung in der TV-Geschichte werden. Aber das ist noch Zukunftsmusik. Erstmal muss Emma selbst nach Storybrooke zurückkommen.

In Bezug auf Neal gibt es noch einige offene Fragen. Ein Blick in Augusts Box hat ihn sofort davon überzeugt, dass August ihm die Wahrheit sagt. Was aber war in dieser Box? Wenn es so überzeugend ist, warum hat August es dann später nicht auch Emma gezeigt? Betraf der Inhalt der Box Neal persönlich, weil er selbst aus einer anderen Welt stammt? Es schwebt ja immer noch die Theorie im Raum, dass Neal in Wahrheit Baelfire, Rumpelstilzchens Sohn, ist. Wie immer bei "Once Upon a Time" lohnt sich ein Blick auf den Namen, der womöglich kein Zufall ist. Neal Cassady (1926 - 1968) war der Name eines Beatniks, also eines Mitglieds der Beat Generation, der Autoren und Musikern als Vorlage für Romanfiguren und Songs diente. Der Beatnik Neal war ein Herumtreiber, dessen wechselhaftes Leben zwischen Alkohol, Drogen, Verbrechen und Kunst ihn zu einer amerikanischen Ikone gemacht hat. Es ist durchaus denkbar, dass sich Emmas Neal diesen Namen in Anlehnung an die historische Persönlichkeit selbst gegeben hat und eigentlich Baelfire heißt, oder Peter Pan, oder...

Ein paar Worte noch zu August. Wir wissen nicht, ob er immer noch aus Holz besteht, oder ihn der Bruch des Fluchs begnadigt hat, doch dass er sich versteckt hält, spricht eher dafür, dass er immer noch eine Puppe ist. Man könnte zu der Ansicht gelangen, dass er es verdient hat, noch eine Weile als Holzkopf herumzulaufen, aber wir haben ja schon gesehen, dass er seine Fehler bereut und sich bewusst ist, dass er zu schwach war, um den Verlockungen unserer Welt zu widerstehen und für Emma da zu sein. Das stimmt uns ihm gegenüber ein bisschen gnädig. August hat aber noch ein ganz anderes Problem: Captain Hook nimmt ihm die Shipper weg. Viele von denen, die bis vor kurzem noch darauf gehofft haben, dass Emma und August eine gemeinsame Zukunft als Paar haben, laufen nun geradewegs zu Emma und Hook über. Meuterei!

Hook stellt nach jetzigem Stand der Dinge wirklich eine enorme Bereicherung für die Serie dar. Er ist verwegen, charmant, unberechenbar, clever, sieht gut aus, kann mit nur einer Hand Schürfwunden verarzten und kennt sich mit wahrer, tragischer Liebe aus. Was will man eigentlich mehr? Er und Emma haben einige sehr unterhaltsame Szenen zusammen, sind aber natürlich noch ganze Weltmeere davon entfernt, so etwas wie ein Paar zu werden. Wir wissen noch nicht, ob Emmas Misstrauen Hook gegenüber gerechtfertigt ist, oder ob sie ihm Unrecht tut, aber mit einer Frau wie Cora im Hintergrund kann man eigentlich gar nicht vorsichtig genug sein.

Bei aller Begeisterung für Emmas Männerbekanntschaften in dieser Folge, muss man sicherlich anmerken, dass die Ereignisse an der Spitze der Bohnenranke besser hätten inszeniert werden können. Die Effekte fallen nicht sonderlich überzeugend aus.

Eine wiederum interessante, unerwartete Entwicklung ist der gemeinsame Albtraum von Henry und Aurora, der scheinbar daher rührt, da beide Opfer des Schlafzaubers waren. Was hat es mit diesem roten Raum ohne Türen und Fenster, aber dafür mit brennenden Vorhängen, auf sich, den beide im Traum sehen? Bietet dieser gemeinsame Albtraum möglicherweise die Chance zu einer Kommunikation zwischen der Rest-Märchenwelt und Storybrooke? Auf jeden Fall bekommt der Charakter Aurora dadurch eine größere Aufgabe.

Maret Hosemann - myFanbase

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