Review: #3.08 Die Lüge am Ende der ewigen Jugend

Peter Pan ist Rumpelstilzchens Vater! Jetzt muss ich erst einmal tief durchatmen ... Okay, das reicht noch nicht, ich nehme lieber einen weiteren tiefen Atemzug ... was für eine Wendung! Wir besitzen als "Once Upon a Time"-Zuschauer eigentlich schon eine gewisse Routine, was die Enthüllung von seltsamen Verbindungen und abgedrehten Verwandschaftsverhältnissen betrifft, doch dieser Twist ist noch einmal eine gewaltige Steigerung all dessen, was wir bisher erlebt haben.

Die männliche Erblinie aus Peter Pan, Rumpelstilzchen/Mr. Gold, Baelfire/Neal und Henry hebt den in der Film- und Fernsehlandschaft ausgesprochen beliebten Vaterkomplex auf ein neues Level. Pan, der damals noch Malcolm hieß, hat seinen Sohn Rumpelstilzchen aufgegeben, um in Neverland ein freies und mächtiges Leben als ewiger Teenager führen zu können, Rumpelstilzchen selbst ließ Jahre später seinen Sohn Baelfire im Stich, da er seine Macht nicht verlieren wollte, und Baelfire erfuhr erst nach elf Jahren, dass er einen Sohn hat, dem Pan nun das Herz klaut.

Wir lernen Malcolm, von dem wir schon vorher nur Schlechtes gehört haben, in dieser Episode als einen Versager-Vater kennen, der nicht in der Lage ist, Verantwortung zu übernehmen und seinem Sohn ein stabiles Zuhause zu bieten. Statt sich eine ehrliche und geregelte Arbeit zu suchen, schiebt Malcolm seinen Sohn lieber zu zwei älteren Damen ab und verdingt sich erfolglos als Trickbetrüger. Als der kleine Rumpelstilzchen von seinen Ziehmüttern eine Zauberbohne erhält, will er mit seinem Vater in eine andere Welt reisen, um dort einen Neuanfang zu versuchen. Dieses Szenario wiederholt sich bekanntlich Jahre später zwischen Rumpelstilzchen und Baelfire. Zwar schaffen es Malcolm und Rumpelstilzchen tatsächlich gemeinsam in eine andere Welt, nach Neverland, aber dort entscheidet sich Malcolm nicht für die Art von Neuanfang, die sich sein Sohn vorgestellt hat. Malcolm, der nie Verantwortung übernehmen konnte und wollte, wählt die ewige Jugend und ein Leben in sorgloser Freiheit, wofür er seinen Sohn aufgibt. Aus Malcolm wird Peter Pan.

Die Geschichte des Jungen, der nicht erwachsen werden wollte, wie der Schriftsteller J. M. Barrie sie einst entwickelt hat, wird in "Once Upon a Time" also zur Geschichte des Jungen umgedeutet, der erwachsen war, es aber nie sein wollte und für die Jugend alles aufgab. Die "Once Upon a Time"-Fassung ist damit ungleich tragischer und unheimlicher, stellt aber keine völlige Abkehr von der literarischen Vorlage dar, denn auch J.M Barries Geschichten haben eine tragische Komponente, da Pan darin alles Veränderliche vergisst, egal, wie wichtig es ihm einmal war.

Es wird schnell deutlich, welcher entscheidende Unterschied zwischen Malcolm/Pan als Vater und Rumpelstilzchen/Mr. Gold als Vater besteht. Beide Männer haben ihre Söhne im Stich gelassen, aber Mr. Gold hat seine Entscheidung bereut und Jahrhunderte damit verbracht, seinen Sohn wiederzufinden. Die Mittel, die er dazu benutzt hat, waren freilich sehr fragwürdig, denn er hat durch seine Deals und Tricks viele Leben zerstört. Pan wollte seine Entscheidung hingegen nie korrigieren und benutzt Deals und Tricks dazu, weiterhin jung zu bleiben und über Neverland herrschen zu können. Mr. Gold hat nie aufgehört, ein Vater zu sein, Pan schon.

Wenngleich sicherlich der Punkt erreicht ist, an dem eine kleine Warnung an die Serienmacher angebracht erscheint, es mit den Verwandschaftsverhältnissen doch bitte nicht zu übertreiben, halte ich die Wendung um Peter Pan insgesamt für einen guten Schachzug. Es ist ein Twist, der richtig fesselt, widersprüchliche Emotionen auslöst, über den man nachdenken und diskutieren kann, und der dazu anregt, vergangene Ereignisse noch einmal in Augenschein zu nehmen. Kurzum: eine Wendung, wie eine Wendung sein sollte.

Diese Folge endet schließlich mit zwei großen Cliffhangern, die das Schicksal von Mr. Gold und Henry offen lassen. Mr. Gold ist in Pandoras Büchse gefangen, die sicherlich keine allzu gemütliche Inneneinrichtung besitzt, und Henry hat sein Herz verloren, so dass Pan nun wieder auf dem Höhepunkt seiner Macht ist. Genau genommen hat Henry sein Herz freiwillig an Pan übergeben, trotz aller Versuche von Emma, Regina und Neal, ihn daran zu hindern. Über Henrys Verhalten kann man sicherlich vortrefflich streiten. Es fällt einem schon schwer, sich angesichts von Henrys Gutgläubigkeit nicht die Haare zu raufen. Wie ich schon in meiner vorherigen Review ausgeführt habe, hat Pan zweifellos genau die richtigen Fäden bei Henry gezogen und dessen Wesenszüge ausgenutzt. Henry will unbedingt ein Held sein, er glaubt fest an Magie (daher ist ja bei ihm auch vom Herz des wahren Gläubigen die Rede) und sehnt sich danach, eine mutige und selbstlose Tat zu vollbringen.

Ungeachtet dieser psychologischen Details fragt man sich aber schon, ob Henry nicht doch etwas misstrauischer hätte sein dürfen. Pans Schutzzauber, damit ihnen niemand folgt, hätte Henry bereits zu denken geben sollen und dass Henry dann zum ersten Mal überhaupt erlebt, wie Emma, Regina und Neal zusammenhalten, um ihn zu überzeugen, ganz zu schweigen davon, dass Neal noch lebt, wären auch gute Gründe für ihn gewesen, sich von Pan abzuwenden. Andererseits dürfen wir dabei nicht vergessen, dass Henry gerade einmal elf Jahre alt ist. Wenn seine Familie ihn noch retten kann, wovon ich stark ausgehe, hat er so oder so eine Lektion fürs Leben gelernt.

Maret Hosemann - myFanbase

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