Bewertung

Review: #7.06 Angst vor der Tiefe

Foto: Lee Norris, One Tree Hill - Copyright: Warner Bros. Entertainment Inc.
Lee Norris, One Tree Hill
© Warner Bros. Entertainment Inc.

Ich glaube, seit Keiths Tod gab es keine Storyline mehr, die über einen längeren Zeitraum so viele Charaktere beeinflusst, wie der Skandal um Nathan: Mouth kämpft um seinen Job, Nathan um Haleys Vertrauen, Haley um Nathans Karriere, Clay um seine emotionale Gesundheit und auch Dan lässt nach dem von Nathan abgeschmetterten Anruf keineswegs die Finger von der Sache, sondern beschließt, sie gründlich aufzumischen.

I'm gonna make this story huge!

Dass Dan früher oder später in die Geschichte rund um Nathan aktiv eingreifen wird, war selbstverständlich nur eine Frage der Zeit, aber irgendwie habe ich bei seinem Vorschlag am Ende der letzten Folge doch eher daran gedacht, dass er Renee heimlich bezahlt und nicht, dass er ihr das nationale Fernsehen als Bühne für ihre Geschichte anbietet. Allerdings kann ich mir nicht vorstellen, dass Dan Nathan tatsächlich so in den Rücken fällt, denn was macht es für einen Sinn, zwei Staffeln lang Dans Versuche zu zeigen, sich Nathan wieder anzunähern, wenn selbst die geringste Chance auf eine Versöhnung mit einer solchen Aktion endgültig verspielt wäre? Dan sagt zwar Renee gegenüber, dass er sich damit abgefunden hat, dass Nathan ihm nie vergeben wird, doch sein Blick nach dem Telefonat mit seinem Sohn macht diese Aussage mehr als fragwürdig und Rachels Erklärung, dass Dan gerade wegen diesem Telefonat seinen Sohn zerstören will, überzeugt mich keineswegs.

Was Dan nun mit Renee in seiner Show anstellen wird, bleibt abzuwarten, doch nach dieser Folge bleibt für mich die freudige Erkenntnis, dass, egal wen Dan nun in seiner Show bloßstellt, er wieder einmal herrlich unberechenbar und unergründlich ist. Mark Schwahn hat es in der siebten Staffel also nicht nur geschafft, den Abgang zweier Protagonisten zu meistern, sondern er hat es auch geschafft, einen der besten Antagonisten der Fernsehlandschaft wieder unglaublich interessant zu gestalten, indem er die fast schon unheimliche Gelassenheit des neuen Dan Scott um die verloren geglaubte Dimension des Fieslings erweitert – und ich bin extrem gespannt, wie sich diese Mischung auf alle Beteiligten auswirken wird!

If you lost faith in me, all the money in the world isn’t gonna fix it.

Nathan und Haley ahnen noch nichts von dem neuen Schlag, der von Renee und Rachel droht, doch sie haben auch so schon genug mit den Auswirkungen des Skandals zu tun. Dass Haley Renees Telefonnummer auf Nathans Handyrechnungen gefunden hat und ihn damit konfrontiert, führt dank der verlorenen Werbeverträge und Nathans unsicherer Karriere dazu, dass Nathan verzweifelt um Haleys Vertrauen kämpft – was er allerdings nicht müsste, wenn nicht zur Abwechslung mal Haley diejenige wäre, die versucht, ein Problem aus der Welt zu schaffen, ohne mit Nathan darüber zu reden. Während Nathan nach der Sache mit der Telefonnummer verständlicherweise denkt, dass Haley Renee für eine Richtigstellung bezahlen will, um ihr Gewissen zu beruhigen, ist Haleys einzige Sorge, dass Nathan beim Verlust seiner Karriere wieder in Depressionen und Selbstmitleid versinkt, und genau das will sie durch eine Richtigstellung verhindern.

Ich bin normalerweise kein Fan von diesen Storys, bei denen das eigentliche Problem darin besteht, dass einfach nicht offen miteinander geredet wird, und ich habe mich auch hier bei manchen Szenen gefragt, wieso Haley schweigt statt Nathan einfach zu sagen, dass es nicht darum geht, ihm nicht zu glauben. Denn dass es ihr ausschließlich darum geht, die Auswirkungen auf Nathans Karriere so gering wie möglich zu halten, zeigt sich nicht erst am Ende, als sie ihm sagt "I don’t wanna see you lose your dream", sondern bereits darin, dass sie Renee erst nach ihrem Gespräch mit Clay kontaktiert. Aber trotz dieses eigentlich unnötigen Dramas hat mir der Handlungsstrang um die beiden wieder einmal extrem gut gefallen, was vor allem daran lag, weil er in einer Folge die tolle Entwicklung gezeigt hat, die Nathan seit dem Anfang der fünften Staffel gemacht hat. Wieder einmal steht er kurz davor, seine Karriere als Basketballstar zu verlieren, aber was ihn wirklich verzweifeln lässt ist die Vermutung, dass Haley ihm nicht glaubt und ihm nicht vertraut. Und genau das, dass eben nicht die NBA, sondern Haley sein Traum ist, macht er ihr dann auch klar: "Lose her? She’s right here. And I’m never letting go of her!" Es gefällt mir wirklich unheimlich gut, wie die Autoren es schaffen, die Beziehung der beiden zu erschüttern und zu prüfen, ohne sie dabei zu zerstören, sondern es im Gegenteil noch schaffen, dass dabei so wunderschöne Szenen herauskommen, die keinen Zweifel daran lassen, dass die beiden auch diese Krise gemeinsam überstehen werden.

A while back, I went off the rails a bit, emotionally.

Während Nathan und Haley sich gegenseitig stützen, nimmt Clay der ganze Skandal ziemlich mit und so kommt es dazu, dass wir zumindest ein bisschen mehr von dieser anderen, gebrochenen Seite an ihm sehen, die immer wieder aufblitzt und angedeutet wird, für die es aber noch keine Erklärung gibt. In dieser Folge erfährt man immerhin, dass Clay einen emotionalen Zusammenbruch hatte, und ich habe den Verdacht, dass dieser Zusammenbruch mit der mysteriösen Frau zusammenhängt, die wie aus dem Nichts bei ihm auftaucht – und dass die Sonnenblumen, die er im Staffelauftakt besorgen wollte, auch etwas mit ihr zu tun haben. Ich will die vielen Geisterstorys aus anderen Serien in der letzten Season sicher nicht wieder herauf beschwören, aber es war doch ziemlich auffällig, dass Clay die Frau nicht ein einziges Mal berührt hat...

Was auch immer es mit ihr auf sich hat, die Chemie zwischen den beiden ist nicht zu leugnen und es hat mir sehr gut gefallen, wie viel Selbstreflexion Clay in den Gesprächen mit ihr gezeigt hat. Ich habe mich ja schon seit der ersten Folge darauf gefreut, dass Robert Buckley nicht nur den Sonnyboy oder etwa den knallharten Manager spielen wird, sondern die Rolle von Clay um einiges komplexer angelegt ist, und er gefällt mir verzweifelt fast noch eine Spur besser. Bleibt nur zu hoffen, dass die Storyline nicht wie die angesprochenen Geisterstorys (wenn mein Verdacht denn stimmen sollte) übertrieben wird, aber ich denke doch, dass es auf ein psychisches Problem hinausläuft – wobei dann natürlich die Frage ist, wie sich das auf den ganzen Skandal um Renee auswirken wird.

I can strive to be exceptional in my own way: by refusing to bow the pressure, by refusing to stoop to a level that's beneath me.

Mouth hat mir in dieser Folge unglaublich gut gefallen und hat wieder einmal gezeigt, dass er in den großen, dramatischen Integritäts- und Loyalitätsreden einfach unschlagbar ist! Vor allem dank der wunderbaren Untermalung mit "To Build A Home" von Cinematic Orchestra und den Voice Over-Sequenzen war Mouths Monolog ein absoluter Gänsehautgarant! Dabei fand ich es vor allem toll, dass er nicht nur der Märtyrer ist, der Nathan zuliebe seinen Job aufs Spiel setzt, sondern dass die ganze Aktion diesen rebellischen Zug trägt und Mouth seine eigenen Prinzipien mindestens genauso verteidigt, wie er es mit Nathan macht. Die Freundschaft zu Nathan mag ich trotzdem – auch wenn Nathan und Clay eine großartige Chemie haben, finde ich es sehr gut, dass Nathan nach Lukes Abgang noch einen langjährigen Freund hat, der zwar nicht ständig da ist, aber auf den er zählen kann, wenn es darauf ankommt.

Auch sein Verhalten gegenüber Millie war wirklich schön: er unterstützt sie, baut sie auf und respektiert ihre Bedürfnisse – und trotzdem hat er hier vielleicht alles falsch gemacht! Gut, vielleicht nicht alles, aber hier fehlt im Gegensatz zu seiner beeindruckenden Rede im Studio seine eigene Meinung. Hier ist er zu sehr Märtyrer, zu sehr bemüht, Millie glücklich zu machen, um zu sehen, dass ihre scheinbar reichlich vorhandenen Komplexe durch das Modeln keineswegs weniger werden.

I think I've made a mistake, Marvin! I don't know if I want this.

Das interessante dabei ist, dass Millie genau das eigentlich klar ist: sie fühlt sich nicht wohl als Model, sie will ihren Job nicht verlieren und auch nicht das Gefühl, für Brooke unentbehrlich zu sein. Sie scheint selbst zu ahnen, dass ihr die Unsicherheit, in die sie durch das Modeln gerät, nicht gut tut, sie lügt, um an Alex Diätpillen zu kommen, stiehlt diese und sagt danach explizit zu Mouth, dass sie nicht weiß, ob sie das Ganze überhaupt noch will. Sie sucht in ihm, der die ganze Zeit dagegen war, einen letzten Rettungsanker, doch in diesem Moment entschließt sich Mouth der verständnisvolle und unterstützende Freund zu sein.

Millies extreme Unsicherheit, die sie überhaupt erst in diese Situation bringt, ist zwar nichts Neues, da es schon von Anfang der fünften Staffel an in ihrem Charakter angelegt war und sich immer wieder vor allem im Umgang mit Victoria oder natürlich ihrem One-Night-Stand mit Owen gezeigt hat. Trotzdem ist es erstaunlich, wie sehr sie sich von Alex beeinflussen lässt, wenn man bedenkt, was für eine Abneigung sie anfangs gegen Alex hatte und wie viel selbstsicherer sie nach einem Jahr als Geschäftsführerin sein sollte. Millies Verhalten ist also nicht ganz schlüssig, aber es widerspricht auch nicht ihrem bisherigen Charakter und ich bin eigentlich positiv überrascht, dass die Storyline mit Komplexen und Medikamentenproblemen nicht Alex auf den Leib geschrieben wird. Allerdings nimmt diese die Diätpillen immerhin auch und es wird sich noch zeigen, wie sie auf Brookes Kündigung und das eventuelle Ende der Zusammenarbeit mit Julian reagieren wird.

I would be insane letting High School-me anywhere near the man I love!

Die Storyline um Brooke, Julian und ihre diversen Arbeitspartner war nicht ganz so überzeugend wie der Rest der Folge, aber sie hatte definitiv ihre Momente. Brooke und Chase waren vor allem witzig, aber in einem angenehmen und angesichts der restlichen, doch sehr dramalastigen Folge auch angebrachten Ausmaß. Allerdings hat mir die Paarung Mia/Julian zumindest vom Inhalt des Gesprächs her noch ein bisschen besser gefallen: Julian ist wirklich beeindruckt von Alex’ Talent und bekommt von Mia die Bestätigung, dass diese Stimme, die er in Alex entdeckt hat, es absolut wert ist, gefördert zu werden. Die Frage ist nun, wie er auf Brookes Ausraster reagieren wird, denn dass er die Zusammenarbeit mit Alex ohne Weiteres aufgibt, kann ich mir eigentlich nicht vorstellen, nachdem ihm so viel an dem Drehbuch liegt.

Überhaupt erhoffe ich mir noch ein Gespräch zwischen den beiden, in dem Julian ein bisschen von seinem Schmusekurs abkommt. Schließlich war Alex’ Strip noch vor ihrem klärenden Gespräch und Julian hat Brooke nach dem Strip erzählt, dass Alex sich genauso verhalten hat, wie von ihr befürchtet. Es wäre äußerst nachvollziehbar, wenn er enttäuscht darüber wäre, dass Brooke ihm nicht vertraut, nachdem er ihr in #6.16 Screenwriter's Blues sehr beeindruckend klar gemacht hat, dass er keineswegs High-School-Brooke will. Brookes Reaktion auf die Info, dass Alex sich mal eben vor Julian ausgezogen hat, ist zwar verständlich, aber ihr Auftritt im Hotelzimmer hätte in seinem Ausmaß direkt nach dem Gespräch mit Chase und als Kurzschlussreaktion mehr Sinn gemacht, als so überlegt und durchdacht, wie es nach dem Anschauen der Fotos gewirkt hat.

Fazit

Für mich bis jetzt die beste Folge der Staffel, weil endlich einmal alle Storylines überzeugend waren und mich, wenn auch nicht alle durchgehend, mit einigen Szenen berühren konnten. Die Story um Nathan, Haley und den Skandal bleibt nach wie vor die stärkste, aber auch die in dieser Folge angelegten Handlungsstränge von Millie und vor allem Clay sind äußerst vielversprechend und auch wenn es bei "One Tree Hill" schon fast zur Gewohnheit geworden ist – der Soundtrack war wieder einmal großartig!

Lena Stadelmann - myFanbase

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