Review: #5.05 Der erste Schritt
In dieser Episode kämpfen die Ärzte von "Private Practice" mit zwei Fällen die meines Erachtens unglaublich schwierig zu handhaben sind und deren Inhalt gesellschaftskritisch immer wieder beleuchtet wird. Aus diesem Grunde behaupte ich, dass diese Folge alles andere als leichte Kost war und mit diesen zwei Fällen leider etwas überhäuft wurde, so dass man sich kaum Gedanken über diese doch sehr heiklen und kritischen Themen machen konnte. Auch die Handlungsstränge der Charaktere, welche in keinen der beiden Fälle involviert waren, rückten in den Hintergrund und waren für mich nur nervige Unterbrechungen zwischen den zu behandelnden Patientenfällen.
"It’s time Amelia. I mean I’ve had great food, great sex, great love in my life and a great friend. I’m happy and I’m ready. I need you to help me die."
Ich bin kein großer Fan von Amelia und bis jetzt hat sie es nie geschafft, dass ich mit ihr mitleiden, mitfiebern oder mitlachen konnte. Ganz anders in dieser Episode. Durch die hervorragende Storyline in die ihr Charakter involviert war, die ausgezeichnete schauspielerische Leistung von Caterina Scorsone und das gesellschaftskritische Thema der Sterbehilfe, welches hier aufgenommen wurde, konnte ich mit Amelia mitleiden, konnte ihre Taten und ihre Verzweiflung nachvollziehen und zum Schluss hat sie in mir sogar jede Menge Mitgefühl geweckt. Etwas was bisher ihr Charakter nicht im Entferntesten geschafft hat.
Darf ein Arzt einem Patienten helfen zu sterben? Ist dies rechtlich überhaupt zulässig und vor allem ist es moralisch vertretbar? Über diese Fragen streitet sich die Gesellschaft nun schon eine ganze Weile und wahrscheinlich wird man sich darüber auch nie einig werden. Einerseits ist hier sicherlich der Wille des Patienten, der Schmerzen hat und Leiden muss, einzubeziehen. Anderseits sind auch Angehörige involviert, sowie Personen, die anschließend damit Leben müssen, dass sie jemandem geholfen haben zu Sterben. Im Weiteren kommt noch dazu, dass es sicherlich Fälle gibt, bei denen es schwer zu beurteilen ist, ob der Patient überhaupt noch in der Lage ist, eine Entscheidung dieser Tragweite zu treffen. Dies ist nur eine kleine Auswahl von Punkten, die es unglaublich schwer machen bei dem Thema Sterbehilfe auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen und somit ist es absolut verständlich, dass bei diesem Thema nicht alle Länder oder in den USA nicht alle Staaten die gleichen Regelungen aufweisen.
Laut "Private Practice" ist die aktive Sterbehilfe, das heißt, wenn einem Patienten beispielsweise, wie in dieser Episode, vom Arzt eine Spritze mit einer tödlichen Dosis Medikamente verabreicht wird, im Bundesstaat Kalifornien verboten. Dieses Verbot stellt Amelia vor eine unglaublich schwierige Entscheidung. Einerseits hat sie ihrer Freundin versprochen, ihr beim Sterben zu helfen und versteht deren Entscheidung, mit ihrer Krankheit nicht mehr leben zu wollen. Anderseits setzt sie durch ihr Handeln ihre gesamte Karriere, ihre Berufung und in gewisser Weise auch ihre Freiheit aufs Spiel. Denn diese Art von Sterbehilfe steht unter Strafe und ich denke, dass ihr im schlimmsten Fall ein Aufenthalt im Gefängnis droht.
Trotzdem entscheidet sich Amelia dafür, dem Wunsch ihrer Freundin Michelle zu entsprechen und ihr die Spritze mit der tödlichen Dosis zu verabreichen. Doch dann passiert etwas völlig Unerwartetes. Michelle hat eine allergische Reaktion und entscheidet sich plötzlich gegen das Sterben und für das Leben. Zuerst ist bei mir der Eindruck entstanden, dass Michelle es sich wirklich anders überlegt hat. Später als sie sich dann selber das Leben nimmt, wurde mir klar, dass sie damit Amelia schützen wollte. Vielleicht wurde Michelle in diesem Augenblick klar, welche Folgen Amelia durch diese Tat auf sich nimmt und mit welchen Schuldgefühlen sie anschließend zu kämpfen hätte. Vielleicht täusche ich mich jedoch auch und im Moment der allergischen Reaktion hatte Michelle Angst vor dem Sterben und sie hat sich deswegen umentschieden, später hat sich die Angst wieder gelegt und sie ist sich wieder darüber klargeworden, dass sie lieber sterben will, anstatt zuzusehen wie die Krankheit sie langsam zerstört. Dass die Motivation im Zeitpunkt der Meinungsänderung nicht durch irgendwelche Äußerungen von Michelle, vor ihrem Selbstmord geklärt wurde, hat mir sehr gut gefallen, denn ich denke niemand kann nachvollziehen, was in diesem Augenblick in einem Menschen vorgeht und somit kann dieser Punkt problemlos im Unklaren gelassen werden.
Obwohl Michelle mit ihrem Selbstmord Amelia davor bewahrt hat eine Straftat zu begehen, wird diese natürlich nun trotzdem mit Selbstvorwürfen und Schuldgefühlen zu kämpfen haben, und dass sie deswegen Trost in den Tabletten und im Alkohol sucht, ist bei jemandem der abhängig war und in letzter Zeit sowieso mit der Sucht zu kämpfen hatte, absolut nachvollziehbar. Ich bin unglaublich gespannt, wie dieser Handlungsstrang weiterverfolgt wird und hoffe natürlich darauf, dass Sheldon darin einen wichtigen Part spielen wird, denn die Szene, in der er Amelia zuerst anschreit und sie anschließend in seinen Armen zusammenbricht, war mit Abstand die beste, mitreißendste und gefühlvollste der ganzen Folge.
"I still don’t know if she’s dead or alive but I do know that my mother is never been the same, I have never been the same."
Auch der zweite Patientenfall regt zu Diskussionen an und auch hier wird sich die Gesellschaft wohl nie einig werden. Ist es richtig geisteskranken Menschen die Freiheit zu nehmen, sie in eine Heilanstalt zu sperren und durch Medikamente ruhig zu stellen? Auch hier ist einerseits die Seite des Patienten zu betrachten, der auch ein Mensch ist und das Bedürfnis hat, sich frei zu bewegen, sich auszudrücken und Gefühle zu zeigen. Demgegenüber stehen die Angehörigen und die Ärzte, die eine gewisse Verantwortung gegenüber dem Patienten haben, damit sich dieser nicht selber oder sogar andere verletzt. Außerdem ist es auch hier schwierig zu beurteilen, ob es dem Patienten in einer geeigneten Anstalt mit den geeigneten Medikamenten vielleicht nicht sogar besser geht, als wenn er sich, wie Wes bei "Private Practice", einfach auf der Straße herumtreibt.
Was mir hier sehr gut gefallen hat, ist, dass die verschiedenen Seiten in den Handlungsstrang einfließen. Da ist einerseits Wes, der glücklich zu sein scheint, wenn er in Freiheit leben kann und seine Mutter, die ihm dieses Glück nicht nehmen will und dafür das Risiko eingeht, ihren Sohn zu verlieren und anderseits Sam, der durch seine Schwester die Erfahrung gemacht hat, dass diese Haltung dazu führen kann, dass die Angehörigen schließlich das ganze Leben lang mit Schuldgefühlen und Vorwürfen zu kämpfen haben und sich fragen, was wäre, wenn sie damals anders gehandelt hätten.
Mir hat diese Storyline rund um den geisteskranken Wes auch sehr gut gefallen. Jedoch wäre es mir lieber gewesen, hätte man neben dem Sterbehilfethema einen Fall gewählt, der nicht genauso einen gesellschaftskritischen Inhalt hat. Denn auch wenn die beiden Fälle mit ähnlichen Auswirkungen (Schuldgefühle, Selbstvorwürfe) zu kämpfen haben, so wurde dadurch die Folge extrem vollgestopft und somit blieb den Autoren nichts anderes übrig als einige Szenen etwas oberflächlich abzuhandeln. Meiner Meinung nach hätte jeder dieser Fälle eine eigene Episode verdient, so dass den beiden Themen auch wirklich gerecht hätte werden können.
"I just... this is my favorite thing about you." - "When I get the crazy eyes?" – "That’s pretty cute too, but my favorite thing about you is how much you care about your patients."
Obwohl Violet eigentlich ziemlich stark in den Fall des psychisch kranken Wes eingebunden ist, geht ihr Charakter in diesem Handlungsstrang total unter. Vielleicht liegt das daran, dass Sam dadurch, dass Violet sich noch nicht wieder mit Patienten beschäftigen darf, die Führung übernimmt oder einfach daran, dass die Autoren beabsichtigt haben, Violet für einmal etwas in den Hintergrund zu rücken. So ist sie mir einzig in der Szene mit Pete aufgefallen und selbst da war Pete der präsentere Charakter.
Eigentlich fand ich es richtig, dass man die kriselnde Beziehung zwischen Pete und Violet für eine Folge lang nicht groß thematisiert und sie auf nur eine Szene beschränkt hat. Pete scheint Sheldons Rat zu befolgen und versucht sich an die Dinge zu erinnern, die er an Violet liebt oder geliebt hat und es war schön zu sehen, dass es doch noch das eine oder andere gibt. Ich hoffe jedoch trotzdem, dass sich Pete und Violet in den nächsten paar Folgen weiter mit ihrer Ehe, sowie mit ihren Gefühlen einander gegenüber auseinandersetzen müssen und sich nicht alles einfach wieder klärt, indem Pete sich an die Charakterzüge klammert, die er an Violet bewundert und mag. Insgesamt hat mir Pete jedoch wieder viel besser gefallen als in den letzten Episoden, da wieder etwas von seiner ruhigen Art durchschimmerte und er vor allem den aggressiven Charakterzug abgelegt hat.
"Are you my dad?" – "He’s your dad, Mason."
Cooper ist jetzt nun wirklich ein Vater und Mason wurde über die Verwandtschaft nun auch aufgeklärt. Obwohl weder an Coopers Charakterzügen sowie an seinen liebevollen Gesten, noch an Paul Adelsteins schauspielerischer Leistung irgendetwas auszusetzen ist, ging dieser Handlungsstrang vollkommen an mir vorbei, was erneut zeigt, dass die beiden Fälle zusammen viel zu viel Platz eingenommen haben und somit den anderen Storylines kaum Raum ließen.
Da ich den Handlungsstrang rund um Cooper sehr gerne mag und ich es sehr interessant finde, wie sich Cooper nun versucht in der Rolle des Vaters zurechtzufinden – obwohl er scheinbar so etwas wie ein Naturtalent ist – war mir in dieser Folge alles etwas zu überstürzt. Cooper wurde plötzlich damit konfrontiert, dass Mason ihn nicht mehr sehen wollte und hat sofort die Schuld auf Charlotte geschoben. Hätte man sich etwas mehr mit dieser Situation beschäftigt, wäre Cooper sicher klargeworden, dass Mason ihn eher als Konkurrenz betrachtet, weil er denkt, dass Cooper der neue Freund seiner Mutter ist, denn wie sollte sich ein Kind sonst erklären, dass der Kinderarzt plötzlich unglaublich viel Zeit mit ihm und seiner Mutter verbringt? Solche Überlegungen bei Cooper, sowie die Reaktionen bei Mason auf die vermehrte Anwesenheit seines Arztes wurden sehr oberflächlich dargestellt und somit wurde meines Erachtens dem Zuschauer interessante Aspekte dieses Handlungsstranges vorenthalten.
"...but that doesn’t mean, that I don’t support you, that doesn’t mean, that I don’t love you and that doesn’t mean, that you get to keep secrets from me."
Der enttäuschende Charakter in dieser Episode war für mich Addison. Ihre Storyline hatte genau einen Lichtpunkt und das war die Szene, in der Sam ihr sagt, dass sie ihre Hormontherapie nicht vor ihm verheimlichen muss. Sonst waren alle ihre Szenen für mich ausnahmslos nur nervig. Ich habe keine Ahnung, was so eine Hormontherapie für Auswirkungen hat, aber ehrlich gesagt habe ich keine Lust in den nächsten paar Episoden eine Addison zu sehen, die jede klischeehafte Phase durchmacht, die Hormone auslösen können.
Auch Jake konnte nicht wirklich überzeugen obwohl man dies von ihm auch nicht wirklich verlangen kann, schließlich hat er außer den paar Spritzen, die er Addison verpassen musste, absolut keine Storyline. Trotzdem stimme ich mit ihm in einer Sache überein und mit diesem Zitat schließe ich auch schon den Abschnitt zu den mit Abstand schlechtesten Szenen der bisherigen fünften Staffel von "Private Practice": "What you gonna do when the baby comes? Hide in the liquid cabinet?"
Fazit
Diese Episode beinhaltet zwei grandiose Patientenfälle, die beide zum Nachdenken und Diskutieren anregen. Doch wirkte durch diese Fülle die Folge ziemlich überladen und rückte den Handlungsstrang über Cooper und seinen Sohn leider komplett in den Hintergrund. Doch Punkteabzug bekam die Episode vor allem dadurch, dass sich der Zuschauer mit einer nervigen hormongesteuerten Addison herumschlagen musste, die ihren Babywunsche irgendwie immer noch vor Sam verheimlichen will, obwohl dieser diesen schon lange kennt und sich wohl auch damit abgefunden hat. Wie die Sache funktionieren soll, wenn Addison wirklich schwanger werden sollte, ist mir ein Rätsel. Aber ich vertraue hier den Autoren und hoffe auf eine positive Überraschung.
Maria Schoch - myFanbase
Die Serie "Private Practice" ansehen:
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Diskussion zu dieser Episode
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Informationen zur Episode
Englischer Titel: Step OneErstausstrahlung (US): 27.10.2011
Erstausstrahlung (DE): 25.04.2012
Regie: Ann Kindberg
Drehbuch: Adele Lim
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