Fallout - Review
#1.02 Die Zielperson

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Die zweite Folge beginnt mit einem Rückblick. Wir lernen den gesuchten Enklave Wissenschaftler Dr. Siggi Wilzig (Michael Emerson) kennen und zwar bei seiner täglichen Routinearbeit, welche wohl auch das Töten von untergewichtigen Hundewelpen beinhaltet. Für welche Art von Forschung diese Tiere benötigt werden, ob nun zur Verhaltensforschung oder für Genexperimente, erschließt sich mir jedoch nicht. Einem der Hunde, mit der Kennzeichnung CX404 (Lana 5), rettet der gute Doktor aber das Leben. Er schmuggelt ihn aus der Forschungseinrichtung heraus, indem er ihn einfach an den Wachen vorbei trägt. In seinem Privatquartier versteckt er den Hund in einem Hohlraum, den er mit einer Kreidetafel verbirgt. Da sein Zuhause aber auch gleichzeitig als Privatlabor fungiert, wird direkt weiter geforscht. Ein echter Workaholic, der seine Arbeit nicht nur mit nach Hause nimmt, sondern sich seine private Forschung, in Form eines blau leuchtenden Elementes, direkt in den Nacken spritzt. Das beweist schon mal Unternehmungsgeist. Kurz nach einem Nickerchen steht dann plötzlich ein Kollege in seiner Wohnung. Was natürlich passieren kann, wenn man die Wohnungstür nicht abschließt. Dieser Kollege schlägt nach einem Handgemenge mit Siggi sofort Alarm und wird von CX404 totgebissen. Also schnell weg, denkt sich Dr. Wilzig, doch wie kommt er an den Wachen vorbei? Ganz einfach, den Hund anleinen und so tun als wäre alles in Ordnung. Danach noch an einer Selbstschussanlage vorbei und weg sind sie. Also irgendwie hat mich dieser Rückblick nicht so recht überzeugt, da gibt es für mich einige Unstimmigkeiten. Dr. Wilzigs leichtsinniger Umgang mit dem gestohlenen Versuchstier, während er scheinbar heimlich an einem wichtigen Projekt forscht. Denn offensichtlich kann jeder einfach in sein Quartier spazieren und so ein Hund macht ab und zu sicherlich Geräusche, da bringt auch eine Kreidetafel nichts. Dass er aber mit CX404 einfach so die Schleusen passieren kann, wo man außerhalb der Forschungsstation weit und breit niemanden mit Haustier sieht, ist ja schon mehr als nachlässig. Jedenfalls erfahren wir nun das Motiv für sein Verschwinden.

Foto: Ella Purnell, Michael Emerson & Dale Dickey, Fallout - Copyright: 2024 Amazon Content Services LLC; JoJo Whilden/Prime Video
Ella Purnell, Michael Emerson & Dale Dickey, Fallout
© 2024 Amazon Content Services LLC; JoJo Whilden/Prime Video

Außerdem liefert es uns drei mögliche Gründe, warum die Enklave ihn jagt. Entweder wegen des gestohlenen Forschungshundes, weil er generell zu viel Wissen über die Enklave besitzt, oder weil er einen leuchtenden Splitter in sich trägt. Was ich aber definitiv witzig fand, die Selbstschussanlage mit dem typischen "Fallout"-Humor. Eine Gatling-Gun, welche jeden Menschen in Sekundenbruchteile zu einem Volleyballnetz verarbeitet, feuert drauf los, während auf einem Monitor steht: "Bitte bewahren Sie Ruhe."

Als nächstes haben wir Lucy (Ella Purnell), welche auf der Suche nach ihrem Vater durch das Ödland streift. Dort kreuzen sich kurz die Wege zwischen ihr und dem Doktor, danach trifft sie auf einen einfältigen Einsiedler und landet schließlich in der Schrottplatz-Stadt Filly. Die rehäugige Bunkerbewohnerin wirkt in dem Ödland so deplatziert, nicht nur aufgrund ihrer markanten Kleidung, die wie ein blauer Ballon auf einer Beerdigung wirkt, sondern auch wegen ihrer höflichen Art wirkt sie auf die desillusionierten Bewohner naiv und eingebildet. Trotzdem ist sie eine optimistische Persönlichkeit voller Idealismus, die stehts versucht das Richtige zu tun. In den ersten zwei Drittel dieser Folge bekommt sie nicht viel Arbeit. Lucys Interaktionen mit anderen Figuren beinhaltet meistens, dass ihr zur Heimkehr geraten wird. Dabei ist sie nicht nur die sympathischste Figur von allen, sondern auch der am meisten unterschätzte Charakter. Man kann nur hoffen, dass sie das Ödland im weiteren Handlungsverlauf nicht korrumpiert.

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Ella Purnell, Fallout
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Einen, den das Ödland aber bereits korrumpiert hat, ist der Antiheld Maximus (Aaron Moten). Ein Mensch mit Schwächen, der in seinem neuerworbenen Anzug zwar wie ein Ritter in glänzender Powerrüstung wirkt, aber eigentlich keiner ist. Seine Emotionen sind menschlich, das möchte ich ihm nicht absprechen. In der ersten Folge gibt er zu, sich insgeheim gewünscht zu habe, dass seine einzige Freundin in der Militärakademie einen Unfall erleidet. Weil sie und weitere Anwärter vor ihm befördert wurden. Jetzt sieht er dem Ritter (Michael Rapaport), dem er als Knappe zugeteilt wurde, beim Sterben zu, um ihm dann noch die Rüstung zu klauen. Die Figur des Ritter Titus wurde dabei glücklicherweise dermaßen negativ dargestellt, dass man ihn schon als Karikatur bezeichnen kann. Man fragt sich tatsächlich, wie so ein Taugenichts es zu einem elitären Ritter geschafft hat. Erst lässt er Maximus seine Intimplatte polieren und danach möchte er lieber irgendwo rumballern, anstatt seinen Auftrag auszuführen. Als er jedoch auf einen verstrahlten Bären trifft, entpuppt sich der Ritter plötzlich als Feigling, der lieber wegläuft. Allerdings ist das Tier schneller und verwundet ihn tödlich. Wobei ich nicht verstanden habe, wo genau ihm diese tödliche Verletzung zugefügt wurde. Dem Tode nahe schafft er es aber noch, seinen Knappen zu beleidigen, obwohl dieser den angreifenden Bären zur Strecke gebracht hat. Nicht zu vergessen, dass er ihn wenig subtil mit dem Tode bedroht, während Maximus seine einzige Chance auf ein Stimpak ist. So nennt man ein Medikament, welches die physische Regeneration beschleunigt. Natürlich soll der Zuschauer Maximus Entscheidung nachvollziehen können. Aber jemanden entspannt beim Sterben zu zusehen, wirkt bei seinem eigentlich rechtschaffenen Charakter schon etwas beunruhigend. Die Powerrüstung selbst hat lediglich ein paar Kratzer abbekommen und Maximus kann damit sogar fliegen. So hätte Ritter Titus dem mutierten Bären locker entkommen können. Egal, Maximus zieht ebenfalls weiter in Richtung Filly. Auf dem Weg beendet er doch den Kampf zwischen zwei Männern, welcher entstand, weil eine Person die Hühner der anderen Person missbraucht hat. Ja, das Ödland bietet ein ganzes Arsenal an Kuriositäten.

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Wie sich recht früh in der Episode angedeutet hat, begegnen sich alle Protagonisten fast zeitgleich in Filly, vor Ma Junes (Dale Dickey) Geschäft. Lucy und Dr. Wilzig treffen hier sogar zum zweiten Mal aufeinander. Die mürrische alte Ladeninhaberin jagt die naive Lucy zum Teufel, als sie von ihrer Mission erfährt und bittet den Doktor zu sich herein. Weil sie nämlich von der Frau bezahlt wird, die Lucys Vater entführt hat, um den guten Siggi sicheres Geleit zu ermöglichen. Was der Doktor aber mit den Raidern zu tun hat, erfährt man dann wahrscheinlich in der nächsten Folge.

Natürlich gibt es noch eine Person, die bis jetzt unerwähnt blieb und zwar der Guhl (Walton Goggins). Welche Rolle ihm im weiteren Verlauf der Handlung zugedacht ist, kann ich nur erahnen, aber diese Figur ist ein richtiger Badass-Charakter. Ein sarkastischer Kopfgeldjäger, der völlig unbeeindruckt eine Vielzahl an Gegner exekutiert, mit Freude im Herzen und einem Lächeln auf den Lippen. Die explosiven Geschosse, welche seine Gegner in Stücke reißen und seine Hintergundmusik, runden das Bild einer veritablen Bedrohung perfekt ab. Diese Figur ist definitiv ein Szenendieb und es macht Spaß, ihr dabei zuzusehen. Der Kampf zwischen dem Guhl und Maximus, der seinen mechanischen Anzug noch nicht richtig unter Kontrolle hat, war mit das Highlight dieser Folge. Dass er den Hund von Dr. Wilzig erst verletzt und später wieder heilt, zeigt dem Zuschauer, dass aber auch noch ein Funken Empathie in dem ehemaligen Soldaten steckt. Ich weiß jedoch nicht, ob ich das wirklich als passend empfinde. Denn es läuft wahrscheinlich darauf hinaus, dass sich der Ghul später dem Heldenduo anschließt. Wozu sollte man ihm denn sonst eine erlösende Eigenschaft wie Mitgefühl verpassen? Aber jemand, der sich mit bedrohlicher Heiterkeit durch die Gegend mordet, bietet als antagonistische Gefahr einen viel größeren Mehrwert für die Handlung der Serie. Jedenfalls größer als ein zusätzlicher Weggefährte in der - nennen wie es mal - Gemeinschaft des Ringes. Aber auch hier gibt es für mich eine Ausnahme, wenn sich nämlich eine noch größere Bedrohung finden lässt. Worauf ich aber definitiv gehypt bin, ist die Origin-Story des Guhls.

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Das alle Protagonisten schon im letzten Drittel der zweiten Folge aufeinandertreffen, hätte ich tatsächlich nicht erwartet. Ich dachte, das zieht sich vielleicht noch ein bis zwei Episoden in die Länge. Auch dass wir uns von der Figur des Dr. Siggi Wilzig verabschieden müssen, welcher den Freitod wählt, kam genauso unerwartet. Diese Szene war aber auch sehr unterhaltsam. Nachdem Lucy eine motivierende Rede hält, offenbart der Doktor ihr ganz ruhig, dass er gerade Zyankali konsumiert hat. Wobei er noch den Bananengeschmack hervorhebt und sich nicht erklären kann, warum das Gift nicht beliebter war bei den Überlebenden des Atomkriegs.

Ich hoffe natürlich, in Rückblenden etwas mehr über seine Hintergrundgeschichte zu erfahren. Ansonsten bliebe der Charakter des Doktors so blass wie die Kreide auf seiner Tafel. Dass ausgerechnet Lucy ihm den Kopf absägen muss, ist natürlich heftig und hat sicherlich mit dem injizierten Splitter zu tun, was natürlich zwei interessante Fragen aufwirft: Was kann der blaue Splitter, außer blau leuchten? Und wie kann er die Zukunft beeinflussen?

Fazit

Eine gute Episode, wenn auch mit ein Paar kleinen Schwächen, vor allem die Rückblende und ihre kleinen Logiklöcher, welche man sich aber immer noch mit ausgedachten Off-Ereignissen schön reden kann. Doch ich bewerte nur das, was ich auf dem Bildschirm sehe. Leider hat man zusätzlich in dieser Episode das Stilelement des Zufalls ein klein wenig ausgereizt. Da treffen sich Lucy und der Doktor mitten in der Einöde. Danach macht der Doktor Rast vor einem verlassenen Chemielager, kurz danach erscheinen dort zufälligerweise Maximus und der nutzlose Titus. Als Dr. Wilzig in Filly den Laden der exzentrischen Ma June erreicht, steht natürlich Lucy bereits vor ihrer Tür und kurz darauf rettet ihr Maximus dort das Leben. Das muss Schicksal sein. Aber am Ende auch egal. Ich wurde nämlich gut unterhalten, vor allem im letzten Drittel und freue mich auf die nächste Folge.

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Andy Bananas - myFanbase

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