Die besten Charaktere 2010/2011
Gloria Pritchett (Modern Family)
Gut konzipierte Frauenfiguren im Fernsehen sind leider eine Rarität – vor allem im Comedybereich. Selbst die besten Comedies reduzieren ihre Protagonistinnen oft auf ein bestimmtes Merkmal, wie zum Beispiel die schnöselige Modepuppe (Lindsay Bluth Fünke aus "Arrested Development"), die scharfzüngige Ehefrau (Carrie Heffernan aus "King of Queens") oder der anstrengende Hollywoodstar (Jenna Maroney aus "30 Rock"). Umso erfreulicher ist es, dass "Modern Family" in Staffel 2 sein Augenmerk mehr auf die großartige Gloria Pritchett-Delgado legte und das Potential, das der Charakter bereits in der ersten Season offenbarte, voll ausnutzte.
"My thunder is my thunder!"
Würde man Gloria in der Realität auf der Straße begegnen, wären die Reaktionen von Männern und Frauen wahrscheinlich sehr unterschiedlich: Männer wären sofort hin und weg von ihren, nun ja, körperlichen Vorteilen, während Frauen wahrscheinlich direkt in einen Zickenmodus schalten und sie kritisch beäugen würden. Denn Gloria scheint auf den ersten Blick die perfekte Frau zu sein: Sie ist wahnsinnig attraktiv, sehr selbstbewusst und besitzt als rassige Kolumbianerin ein ganz natürliches Charisma. Und doch verbirgt sich hinter Gloria noch viel mehr als diese äußerliche Fassade.
Als Ehefrau des wohlhabenden Jay Pritchett – der fast doppelt so alt ist wie sie – schleicht sich zu Beginn der Serie natürlich der Verdacht ein, dass Gloria Jay nicht aus Liebe, sondern aus anderen Gründen geheiratet hat. Doch dieser Verdacht verflüchtigt sich bald, denn Gloria liebt Jay über alles, sorgt sich um sein Wohlbefinden und gerät dennoch – oder gerade deshalb – immer wieder mit ihm aneinander. Vor allem in Staffel 2 verheddern sich Gloria und Jay oftmals in kleinen Streitereien, die unglaublich amüsant sind und deutlich zeigen, was Gloria eigentlich alles drauf hat. Beispiel gefällig? Da wäre etwa die Tatsache, dass Jay sie auslacht, weil sie an die Präsenz der Toten glaubt und entsprechend der Tradition in Ehren der Toten kochen will. Gloria rächt sich, indem sie Jay verrückte Sachen machen lasst und behauptet, es sei kolumbianische Tradition. Das endet schließlich darin, dass Jay auf Hühnchenfleisch einschlägt und dabei laut schreit, "um böse Geister auszutreiben", was Gloria abseits des Szenarios herrlicherweise mit einem prustenden Lacher in Richtung Kamera kommentiert.
Überhaupt ist Glorias Bereitschaft, Jay auch mal bluten zu lassen, eine wunderbare, wenn auch leicht sadistische Eigenschaft, die man an ihr zu schätzen lernt. Als Jay felsenfest behauptet, er würde mit all den Mitarbeitern seiner Firma ein enges Verhältnis pflegen, belehrt Gloria ihn eines Besseren, was letztlich dazu führt, dass Jay auf der Verlobungsfeier eines lateinamerikanischen Mitarbeiters plötzlich als zukünftiger Bräutigam vorgestellt wird. Doch manchmal irrt sich auch Gloria: Als sie Jay etwa wegen seines ständigen Jammerns über Bauchschmerzen nicht ernst nimmt und sich dann herausstellt, dass Jay tatsächlich einen Blinddarmdurchbruch hat, ist Gloria völlig entsetzt und zweifelt an ihren Kompetenzen als Ehefrau, was sie jedoch nur noch liebenswerter, da menschlicher macht. Genauso wie ihre vielen kleinen anderen Macken: ihr Tick, alle Meilensteine der Beziehung mit Jay zu zelebrieren (Tag des Kennenlernens; Tag des ersten Dates; Tag des großen Streits, weil Jay den Tag des ersten Dates vergaß;...), ihre Angst vorm Fahrradfahren, ihre totale Unfähigkeit, zu singen (und trotzdem leidenschaftlich beim Karaoke zu grölen) oder ihr konstantes "Jaaaay!"-Gerufe. Hinzu kommt ihre überbordende Liebe zu ihrem Sohn Manny, mit dem sie eine besondere Verbindung hat, der sie jedoch auch auf die Palme bringen kann (was sie gegenüber Manny allerdings nie zugeben würde).
Auch in Verbindung mit den anderen Familienmitgliedern zeigt sich, wie facettenreich Gloria ist: Zu Jays Tochter Claire hat sie ein zwiespältiges Verhältnis, da Claire eben genau in den beschriebenen Zickenmodus schaltet, als Gloria sich zum Beispiel in der Schule engagieren will, wo Claire das Sagen hat. Doch eigentlich will Gloria nur beweisen, dass sie mehr zu bieten hat, als toll auszusehen, und will keinesfalls Claire das Revier streitig machen. Amüsant ist auch immer ihr Zusammenspiel mit Claires Ehemann Phil (verdientermaßen einer unserer Top-Charaktere der letzten Season), der angesichts Glorias Attraktivität oft überfordert ist, (was an Gloria amüsanterweise völlig vorbeigeht) und ihre totale Vernarrtheit in Cams und Mitchells Adoptivtochter Lily, die sie am liebsten selbst adoptieren würde.
Und dann wären da natürlich noch Glorias unübertreffliches kolumbianisches Temperament gekoppelt mit einem entsprechenden Akzent, der immer wieder für aberwitzige Missverständnisse sorgt (wie etwa, als Gloria für Jay eine Packung baby cheeses bestellt und stattdessen ein Paket mit kleinen Jesusfiguren, Baby Jesus, erhält). Dennoch reduziert man sie weder auf ihre kolumbianische Herkunft, noch auf ihre äußeren Reize, sondern schafft mit all den Details und Eigenheiten eine authentische, eigenständige, immens lustige und stets sympathische Frauenfigur, die dann auch noch von der wunderbaren Sofía Vergara phänomenal dargestellt wird. Dafür gebührt Vergara und "Modern Family" ein großes Dankeschön, denn Gloria ist definitiv ein Frauencharakter, den man so noch nicht gesehen hat.
Maria Gruber - myFanbase
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