Scandal - Eine stille Revolution im US-TV
7. Oktober 2013 | Kerry Washington hat es geschafft und mit ihrer bloßen Anwesenheit Geschichte geschrieben. 38 lange Jahre hat es gedauert, bis mit der ABC-Serie "Scandal" wieder einmal eine afroamerikanische Frau als zentrale Figur eine US-Serie anführt. Zuletzt war dies im Jahre 1974 mit Theresa Graves in "Get Christie Love!" der Fall, davor allerdings noch nie.
Wie konnte es so lange dauern, bis endlich wieder einmal ein Studio eine derartige Konstellation auf die Bildschirme bringt? Und wieso gibt es keine größere Diskussion darum, dass immer noch zu wenige afroamerikanische Schauspieler, oder auch andere People of Color in derartig zentralen Rollen zu sehen sind? Und wird der große Erfolg von "Scandal" endlich diese Barriere durchbrechen und die Situation zu einer ganz normalen zu machen?
Showrunnerin Shonda Rhimes hat zum Start von "Scandal" in Interviews angemerkt, dass das US-Fernsehen schon länger bereit für diesen Schritt gewesen wäre, es hätte aber dennoch bis zum Start von "Scandal" gedauert, bis die richtige Rolle, mit der richtigen Schauspielerin und vor allem im richtigen Umfeld produziert wurde. Dabei ist es sicher kein Zufall, dass Shonda Rhimes ebenfalls Afroamerikanerin ist, sowie Judy Smith, auf der die Figur der Olivia Pope basiert. Kämen nicht diese beiden Faktoren zusammen, gepaart mit dem mittlerweile sehr großen Einfluss, den Shonda Rhimes im US-Studiosystem ausübt, hätte wohl irgendjemand auch aus Olivia Pope eine der vielen weißen Damen an der Front einer TV-Serie gemacht. Denn meist bleiben für die so genannten Minderheitendarsteller doch eher die Figuren am Rande des Charaktergefüges eines Casts übrig, als beste Freundin der Protagonistin, als ernste Vorgesetzte des zentralen Duos oder eine der vielen anderen Iterationen, mit denen Hollywood in den letzten Jahren so großzügig war.
Der Mut, oder vielleicht auch die gezielte Ignoranz gegenüber der Problematik, haben sich jedenfalls ausgezahlt, "Scandal" war quotentechnisch eine der größten Erfolgsgeschichten der vergangenen US-TV-Season, und es ist die erfolgreichste Serie unter den US-Afroamerikanern. Diese Zuschauer haben schlicht darauf gewartet, endlich einmal ihre Perspektive in einer derart normalen Art und Weise, ohne dass es groß thematisiert wurde, miterleben und mitfühlen zu können. Und man hat dabei den lange währenden Mythos entkräftet, weiße Zuschauer würden sich nur dann eine Serie ansehen, wenn sie sich in allen optischen Punkten in den Hauptcharakteren wiederfinden, eben auch in der Hautfarbe. Wie dieser Irrglaube entstehen konnte, hat schließlich einmal die Familie rund um Bill Cosby zu den Vorzeigefamilien aller US-Amerikaner gehört, kann man manchmal nicht so recht nachvollziehen. Aber der Trend, dass nur Themen für weiße, meist männliche, ungebunden im späten Teenie- oder frühen Twenties-Alter Zuschauer, als Mainstream-tauglich anerkannt werden, ist ja auch im Kino zu beobachten. Man könnte dort gleich weitermachen, und nachfragen warum alle Protagonisten und Protagonistinnen immer nur wunderschön und schlank sein müssen, aber das ist eine Problematik für einen anderen Artikel.
Fest steht, dass "Scandal" eine wichtige Barriere durchbrochen hat. Mit einer grandiosen Hauptdarstellerin, die ihrer wichtigen Aufgabe mühelos gewachsen ist, einer mitreißenden und spannenden Serie, die eben auch die Zuschauer durch schiere Qualität begeistern kann und einer sehr cleveren Marketingkampagne (in den USA hat die Sendung ein sehr aktives Twitterleben, über das zunächst der so wichtige positive Buzz erzeugt wurde, der sich dann aber auch schnell in guten Zuschauerzahlen niederschlug) hat man nahezu mühelos einen alten und ausgedienten Branchenmythos widerlegt. Und das ist gut so, denn so entstand die Chance, in einer Serie die im politischen Mindenfeld von Washington D.C. spielt auf vielschichtige Art und Weise über eine heikle Beziehung zwischen dem Präsidenten der USA und seiner afroamerikanischen Geliebten zahlreiche Ebenen von Rassismus-, Vorurteils- und Benachteiligungsdynamiken zu thematisieren. Dafür hat man sich aber einige Zeit gelassen, bis dies zur Sprache kam. Bis dahin war Olivia Pope keine Figur, die stellvertretend für alle Women of Color stehen sollte, sondern ein Individuum mit eigenen Stärken und Schwächen.
Dieses Modell hat Shonda Rhimes perfektioniert, hat sie es doch bereits bei "Grey's Anatomy - Die jungen Ärzte" und "Private Practice" praktiziert, zwei Serien, die sich schon immer durch große Diversität auszeichnen. Denn Shonda Rhimes legt schon lange Wert darauf, nicht nach Gruppenzugehörigkeiten zu casten, nutzt diese Aussage aber auch nicht nur als Ausrede, um immer wieder die gleich aussehenden Gesichter zu engagieren. Ab dem 14. Oktober 2013 haben auch die deutschen Zuschauer, die Gelegenheit, mit dem Team von Olivia Pope mitzufiebern, wenn die erste Staffel der Serie endlich bei SUPER RTL ausgestrahlt wird. Denn auch hier besteht einiges an Nachholbedarf, wenn es um die Vielfalt an Identifikationsfiguren geht, die unserer genauso vielfältigen Gesellschaft angeboten werden. Denn die alltägliche Konfrontation mit diversen Charakteren in Film und Fernsehen ist auch einer von vielen Wegen, Bezugspunkte zu schaffen und ausgediente Vorurteile abzubauen.
Cindy Scholz - myFanbase
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