Bewertung

Review: #1.04 Kapitel 4: Die Leiche

Foto: Matthew Modine & Millie Bobby Brown, Stranger Things - Copyright: Courtesy of Netflix
Matthew Modine & Millie Bobby Brown, Stranger Things
© Courtesy of Netflix

Okay, okay. Vielleicht ist ein Urteil wie "Person XY ist tot" in einer Serie wie "Stranger Things" ein wenig voreilig. Will ist mit recht großer Wahrscheinlichkeit also nicht gestorben. Die gesamte Episode macht es sich zur Aufgabe, die schockierende Entdeckung am Ende der vorherigen Folge, ins rechte Licht zu rücken. Will ist nur die Schachfigur einer größeren Verschwörung rund um das Hawkins National Laboratory und Dr. Brenner und... ja, wem eigentlich noch? Welche Organisation steckt denn wirklich dahinter? Das Regierungsgebäude in einer Kleinstadt wie Hawkins wird das sicherlich nicht alles mit sich selbst ausgemacht haben. Dazu führt die Verschwörung zu weit und dazu scheinen auch die Ressourcen, die man zur Verfügung hat, einfach zu groß sein. Offensichtlich kann man mal so eben einen Tod vortäuschen, eine künstliche, mit Watte (!) gefüllte Leiche fabrizieren und jegliche Ermittlungen manipulieren. Selbst diese Ressourcen können aber mögliche Todesfälle nicht verhindern, wie der Fall von Dr. Brenners Mitarbeiter Shepard zeigt, der aus der anscheinend anderen Dimension nicht mehr zurückkehrt, da sein Sicherheitsseil gewaltsam getrennt wurde.

Wenn da nur nicht Hopper wäre. So langsam mausert er sich zum Held der Story. Natürlich ist "Held" übertrieben, denn wie man im bisherigen Verlauf der Serie sah und gerade auch in "Kapitel Vier: Die Leiche", ist Hopper eher ein Antiheld, einer mit Ecken und Kanten, der nicht immer die richtige Entscheidung trifft, geschweige denn das Richtige tut. Da packt man schon mal seine Fäuste aus, um Antworten zu finden. Aber wenigstens ist hier einer auf der Suche nach der Wahrheit und hat vor allem auch die Möglichkeiten, dieser näher zu kommen. Diese Rolle kann Joyce nicht einnehmen, weil sie aktuell noch allein auf weiter Flur ist und das Umfeld sie eher für verrückt erklärt. Und die drei Jungs um Mike, Dustin und Lucas haben ihre eigene Art, um hinter das Verschwinden Wills zu kommen, sind da aber selbst mit übernatürlicher Hilfe (in Form von Eleven) allein aufgrund ihres Alters verständlicherweise nicht diejenigen, die routiniert und konsequent etwas weiterverfolgen, sondern eher unkoordiniert vorgehen. Letzten Endes wird die Mischung aus diesen dreien - Joyce, Hopper und die drei Jungs mit Eleven - wohl zur großen Auflösung auf vielen Ebenen führen, aber die Story sukzessiv vorantreiben kann da Hopper einfach besser, weil ihm entsprechende Ressourcen zur Verfügung stehen.

Generell kann man nur hoffen, dass Joyce möglichst schnell Hilfe bei der Suche nach ihrem Sohn erhält. So langsam wirkt ihr Verhalten und die Reaktion ihres Umfelds darauf eher ermüdend, weil keine neue Facette hinzu kommt. Joyce sucht Will und ist dafür bereit, immer extremere Mittel anzuwenden, während die Menschen um sie herum sie im Grunde für verrückt halten. Das geht einzelne Episoden gut, aber spätestens dann sollte sich hier eine Entwicklung einstellen. Diese gibt es trotz der Entdeckung von Will hinter der Hauswand nur bedingt, denn das passt ins bisherige Muster, dass Joyce in ihrem Bestreben, immer krassere Dinge zu tun, mit entsprechenden Entdeckungen belohnt wird. Das macht es aus Storysicht nicht minder interessant, aber für ihre Charakterentwicklung bringt das keinen neuen Aspekt. Dementsprechend wird es interessant sein, wie nun vor allem Hopper, aber auch Jonathan (ggf. mit Nancy) ihr verstärkt Glauben schenken und sie auch mal mit ungewöhnlichen Aktionen dabei unterstützen, ihren Sohn zu finden. Lonnies Auftauchen könnte hier auch noch interessant werden, da er überraschend am Ende der Episode vor Joyces - mittlerweile recht ramponierten - Haus auftaucht. Hat Joyce selbst ihn angerufen oder war es jemand anders, der sich um sie sorgte? Jonathan dürfte es trotz all der Sorge um seine Mutter wohl nicht gewesen sein, dazu merkte man ihm zu sehr seine Antipathie gegenüber seinem Vater an.

Man darf hier tatsächlich gespannt sein, welche Rolle Nancy mit Jonathan bei der Auflösung des Falls spielen. Ja, richtig gelesen - Nancy. In dieser Episode hat man das erste Mal so richtig das Gefühl, dass sie im Gesamtgeschehen so halbwegs angekommen ist, auch weil ihre Beziehung zu Steve in den Hintergrund rückt. Vor allem gibt es durch das Verbindungsstück Jonathan nun die erste große Offenbarung, die sich festzusetzen scheint: Das Monster hat kein Gesicht und es gibt sogar ein Foto von ihm - zwar mit entsprechender Unschärfe, aber immerhin. Bei all der Kritik an dem unverständlich großen Fokus auf Nancys Teenager-Drama in den vergangenen Reviews, scheint sie nun eine ganz elementare Funktion zu erfüllen bei der weiteren Auflösung. Zumal auch noch der Faktor mit dazu kommt, dass hier mal mehr, mal weniger vorsichtig eine mögliche Beziehung zwischen Jonathan und Nancy in die Geschichte eingeführt wird. Auf der einen Seite das beliebte Mädchen, auf der anderen der eher scheue Sonderling - das wäre auf jeden Fall eine interessante Mischung, in jedem Fall interessanter als mit Steve, der stark an seiner eindimensionalen Charakterzeichnung krankt.

Eleven wiederum wird weiterhin vor allem durch Flashbacks vorgestellt, die in Verbindung zur Gegenwart gebracht werden. Diesmal wird gezeigt, wie es ihr gelingt, durch ihre Fähigkeiten jemanden im Hawkins National Laboratory ausfindig zu machen und dessen Aussagen im Lautsprechersystem zu rekonstruieren. In der Gegenwart unterdessen schafft sie es zu Beginn, einen "Should I stay or should I go?" singenden Will im Walkie-Talkie zu lokalisieren. Da aber auch ihre Kräfte ein natürliches Ende haben, finden die drei Jungs eine Möglichkeit, Eleven mit einem mächtigeren Funkgerät zusammen zu bringen. Und so findet sich Eleven plötzlich in der Schule der drei und dort vor Mr. Clarkes Funkgerät wieder. Um nicht allzu viel Aufsehen zu erregen, wird Eleven kurzerhand zur geschminkten Blondine im rosafarbenen Kleid, die als Cousine Mikes vorgestellt wird. Wie Dustin und Lucas Perücke und Kleid für Eleven aussuchen und Mike sie schminkt, ist die bitter benötigte Auflockerung bei dieser inhaltsschweren und düsteren Episode. Vor allem ist sie auch einfach gut gemacht und auch sinnvoll platziert, sodass man als Zuschauer auch einfach mal was zu schmunzeln hat. Außerdem gab es durch Eleven einen schönen "Heck yes!"-Moment, denn Mike kann auf Wills Trauerfeier das Bully-Verhalten von Troy nicht weiter akzeptieren und schubst ihn zu Boden. Bevor ein sichtlich überraschter und wütender Troy sich auf Mike stürzen kann, sorgt Eleven mit ihren Fähigkeiten dafür, dass er kurz vorher stoppt und sich vor der gesamten Schule einuriniert. Es sind diese Triumphe des Underdogs über seinen Schikaneur, die ebenfalls für eine schöne Auflockerung innerhalb der Episode sorgen.

Fazit

Endlich scheint Nancy sinnvoll in das Gesamtgeschehen integriert und endlich zeichnet sich ab, dass unterschiedliche Leute zum Schluss kommen, dass mit Wills Verschwinden so einiges nicht stimmt, sodass es hier zu interessanten Kooperationen kommen kann. Das verspricht viel Potential für die zweite Staffelhälfte, auch wenn es schön wäre, wenn so manche Vorhersehbarkeit in den Nebenstorylines weniger offensichtlich wäre und Eleven als wahrscheinlich interessanteste Figur der gesamten Serie nicht nur auf Flashbacks um ihre jeweils im gegenwärtigen Geschehen nützliche Fähigkeit reduziert wird.

Andreas K. - myfanbase

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