Die Liebe in den Zeiten des Weltuntergangs

Die Frage ist recht einfach: Kann man eine Geschichte vom Krieg erzählen, ohne die Liebe als Antriebsfeder zu nutzen? Eine Antwort zu finden ist ein wenig schwerer... Die großen Geschichten funktionieren nämlich nur dann, wenn der Krieg eine Triebfeder bekommt und wenn die Liebe wegfällt, bleiben eigentlich nur noch Rache und Hass, um einen Feldzug zu rechtfertigen. Ob es jetzt um die Heimat geht, um Familie oder um das eine, besondere Mädchen – das Herz muss einen Grund kennen, um sich einem Kampf zu stellen.

"Supernatural" bildet hier keine Ausnahme. Und wenn die Winchesters manchmal auch ihren Zorn und ihre Rachegefühle als Rechtfertigung anführen, so geht es im Grunde doch nur um Liebe. Johns Liebe zu Mary und zu seinen Söhnen, die Liebe der Jungs zu ihrem Vater und natürlich die brüderlichen Bande zwischen Sam und Dean bilden das Fundament, auf dem die ganze Geschichte gebaut ist. Und manchmal – wenn auch zugegebenermaßen recht selten – kommt dann auch das ein oder andere Mädchen ins Spiel…

Die netten Mädchen von nebenan

Foto: Jared Padalecki, Supernatural - Copyright: Warner Bros. Entertainment Inc.
Jared Padalecki, Supernatural
© Warner Bros. Entertainment Inc.

Fangen wir klein an… Prinzipiell sind die Frauen in "Supernatural" da, um gerettet zu werden. Ich werde mir jetzt die Metapher mit der Jungfrau und dem Drachen sparen, aber im Grunde bleibt das Konzept das gleiche – die Winchesters treffen ein hübsches Mädchen in Nöten, dieses verliebt sich, die Gefühle werden erwidert, das Monster dem Erdboden gleichgemacht und das Mädchen mit glasig-verliebten Augen zurückgelassen. Diese Art von Romanze ist alles andere als eine Seltenheit, vor allem für Dean, der in den ersten Staffeln relativ schnell auf weibliche Reize anspringt. Bei Sam dauert das ein wenig länger, trotzdem ist er es, bei dem das erste Mal ernsthafte Absichten bei einem Mädchen angedeutet werden, das die Winchesters bei einer Jagd kennen lernen. Lori, eine Pastorentochter, übt ihre Anziehungskraft nicht nur auf den Hakenmann, sondern auch auf Sam aus, der allerdings noch zu sehr unter dem Tod Jessicas leidet, um voll und ganz auf das schüchterne Mädchen einzugehen.

Wenig später sieht die Sache bei Sarah schon anders aus. Die Tochter eines Kunsthändlers hat es dem jüngeren Winchester angetan, was einen nicht sonderlich verwundert. Sie ist attraktiv, gebildet und taff und bietet damit eine ausgesprochen gute Ergänzung zu Sam. Außerdem reagiert sie erstaunlich abgebrüht, als sie herausbekommt, dass ein psychopatischer Geist mit einem Gemälde verknüpft ist, das ihr Vater weiterverkauft hat. Sam lebt an Sarahs Seite richtig auf, man merkt, dass die Welt, aus der das Mädchen kommt, auch seine hätte werden können, wenn nicht alles anders gekommen wäre. Das war letzten Endes auch der Knackpunkt der ganzen Geschichte. Sam lebt in ständiger Angst, dass Sarah seinetwegen verletzt werden könnte, was der Verliebtheit ebenso sehr im Weg steht wie die Tatsache, dass die Winchesters weiterziehen müssen, um ihren Vater zu finden.

Noch einschneidender und um einiges dramatischer greift der "Job" der Jungs in deren Liebesleben ein, als Sam sich bei der Jagd in einen Werwolf in Madison verliebt. Sein Interesse stößt auf Gegenseitigkeit und so dauert es nicht lange, bis zwischen den beiden die Funken fliegen, während Sam die junge Frau vor ihrem Ex-Freund – dem vermeintlichen Werwolf – schützen soll. Die beiden gehen miteinander um, als wären sie seit Jahren gut befreundet. Madison lächelt über Sams Schüchternheit, er über ihre Direktheit. Die erste Romanze, die nach Jessicas Tod zu einer Beziehung hätte werden können, endet für Sam ähnlich dramatisch wie die Liebe zu seiner College-Freundin. Es stellt sich nämlich nach mehreren Fehlvermutungen heraus, dass Madison selbst der Werwolf ist, der die Männer in ihrer Umgebung umbringt. Die Brüder suchen verzweifelt nach einem Gegenmittel und als dieses gefunden scheint, lässt sich Sam sogar zu einer Nacht mit dem Mädchen hinreißen. Allerdings trügt der Schein nicht lange. Madison verwandelt sich wieder und es wird klar, dass den Jägern keine Wahl bleibt, als Madison zu töten, vor allem, nachdem diese selbst darum bittet, weil sie niemanden verletzen will. Obwohl Dean seinem Bruder diese Bürde abnehmen möchte, kommt Sam selbst Madisons Bitte nach und erschießt das Mädchen, das für ihn so besonders war.

Auch das nächste Intermezzo des jungen Jägers scheint auf den ersten Blick verdächtig zu sein. Als Ärztin hätte Cara Roberts alle Möglichkeiten, die Beweise in einem Fall zu vernichten, in dem die beiden Jungs ermitteln. In diesen sind Sirenen involviert, weswegen die Luft generell relativ aufgeladen ist und als sich jeder Verdacht gegen die Medizinerin in Luft auflöst, hindert Sam nichts daran, sich mit der attraktiven Brünetten einzulassen. Auch hier zieht sich ein gewisser Geschmack in Sachen Frauen bei dem jüngeren der Winchester-Brüder durch. Cara ist eigenständig und ein über die Maßen heller Kopf. Sie weiß, was sie will und wie sie es bekommt und dabei ist sie selbstbewusst genug, nicht auf ihre Weiblichkeit zu verzichten. Die junge Frau ist für Sam nicht mehr und nicht weniger als eine Affäre, die er allerdings braucht, um endlich etwas "gut ausgehen zu lassen". Nach seinen anderen Beziehungen hat der Junge sich das auch wirklich verdient und obwohl man von Sam zum Zeitpunkt seines Zwischenspiels mit Cara des Öfteren nicht sonderlich begeistert ist, freut man sich für ihn, dass dieses Mal die Rechnung für ihn aufgeht und er – wenigstens ein Mal – relativ leicht und ohne Konsequenzen durchs Leben kommt.

Foto: Jensen Ackles, Supernatural - Copyright: Warner Bros. Entertainment Inc.
Jensen Ackles, Supernatural
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Bei Dean stellt sich die Sache vollkommen anders dar, weil man bei dem charmanten Frauenheld zunächst daran zweifelt, dass er überhaupt zu einer ernsthaften Beziehung in der Lage ist. Eben diese Zweifel wollen ausgeräumt werden und es dauert in der Tat nicht lange, bis man als Zuschauer merkt, dass hinter der Fassade doch mehr steckt, als es auf den ersten Blick den Anschein hat. Dean zeigt zwar von Anfang an, dass eine ernste, fast schon melancholische Seite in ihm steckt, allerdings verschwindet diese sofort hinter einem recht entwaffnenden Lächeln, wenn ein hübsches Mädchen die Bühne betritt.

Dies ändert sich erst mit der krebskranken Layla, die Heilung bei jenem Wunderheiler sucht, den Sam für seinen Bruder ausfindig gemacht hat, nachdem dieser bei einer Jagd so schwer am Herzen verletzt wird, dass die Schulmedizin keine Hoffnung mehr für ihn sieht. Dean ist von den betrügerischen Absichten des Heilers überzeugt und infolgedessen auch stinksauer, bis er Layla und ihrer Mutter begegnet. Seine Reaktion ist die, die man von ihm gewohnt ist – seine Miene hellt sich auf, die Mundwinkel ziehen sich nach oben und ein Anmachspruch à la Dean Winchester lässt nicht lange auf sich warten. Doch das Verhältnis zwischen dem älteren Winchester-Bruder und Layla ändert sich, nachdem Dean geheilt wird und herausfindet, dass für jeden Menschen, den der Wunderheiler rettet, ein anderer Mensch sterben muss. Es wird klar, dass die Winchesters der Geschichte ein Ende setzen müssen, obwohl Layla damit jede Rettung verwehrt bleibt. Auch im Nachhinein kann man als Zuschauer das Gefühl nicht abschütteln, dass Dean zu einem gewissen Teil bereut, das Richtige getan zu haben. Der Abschied zwischen ihm und Layla zerreißt einem fast das Herz, vor allem, weil das Mädchen ihre Lage mit einem stoischen Vertrauen in Gott akzeptiert. Zwar kommt es nie zu einer wirklichen Beziehung zwischen Layla und Dean, doch viele recht eindeutige Blicke und eine einfache Berührung am Ende verraten, wie viel die beiden füreinander empfinden und ganz nebenbei wird dabei zum ersten Mal offenbart, dass hinter dem Schürzenjäger Dean Winchester ein Mann steckt, der für die richtige Frau bis ans Ende der Welt gehen würde.

Bereits kurz darauf fügt sich ein weiteres Puzzle-Teil in dieses Bild ein… Cassie, Deans Jugendliebe, bittet die Winchesters um Hilfe, und Dean, obwohl immer noch verletzt vom Ende seiner Beziehung mit ihr, zögert nicht, sie mit allem zu unterstützen, was er zu bieten hat. Lange Zeit ist die Atmosphäre zwischen den beiden recht angespannt, weil die Trennung offenbar beiden noch schwer im Magen liegt. Dean hatte damals seiner Freundin von seinem "Beruf" erzählt, woraufhin sie mit ihm Schluss gemacht hat. Wer kann es ihr verübeln? "Schatz, ich jage übernatürliche Kreaturen, ist das ein Problem für dich?" hätte wahrscheinlich auch die meisten anderen Frauen dazu gebracht, die Flucht zu ergreifen. Cassie ist schlichtweg davon ausgegangen, dass Dean eine ausgesprochen dämliche Ausrede erfunden hätte, um sich von ihr zu verabschieden. Die Möglichkeit, dass ihr Ex-Freund die Wahrheit gesagt haben könnte, zieht Cassie erst in Betracht, als ihre Umgebung von einem Geisterauto verfolgt wird. Als schließlich während der Aufdeckung des Falls alle Missverständnisse aus dem Weg geräumt werden, gibt es für Dean und Cassie auch keinen Grund mehr, es nicht noch einmal miteinander zu versuchen. Als die Winchesters weiterziehen, trennen sich die beiden nicht im Streit, sondern mit einem Abschiedskuss, und obwohl ein Wiedersehen der beiden letztendlich ausbleibt, behält man das Mädchen mit der Löwenmähne wegen der ruhigen Entschlossenheit, die irgendwie Teil ihrer Persönlichkeit ist, in guter Erinnerung. Im Grunde ist sie der Typ Frau, der durch sanfte Coolness zu überzeugen weiß und somit genau das, was zu Dean passt und was man sich auch für ihn wünscht.

Nach Cassie tritt wieder der Dean Winchester in Erscheinung, den man gewohnt ist – viele Flirts, einige Stripperinnen und unzählige Bar-Bekanntschaften. Frei nach dem Motto Quantität vor Qualität. Wirklich romantische Bekanntschaften treten mit Ausnahme von Lisa lange nicht in Erscheinung. Wirklich besonders ist nur noch Jamie, die Dean während der Ermittlung gegen einen Formwandler kennenlernt. Dieser hat ein Faible für alte Monsterfilme und so tritt die blonde Schönheit in elegantem Schwarz-Weiß zutage. Dean ist nach seiner "Wiederauferstehung" seiner Meinung nach Jungfrau und die Bardame des Oktoberfests, dessen Besucher die Winchesters untersuchen, soll diesen Zustand ändern. Der Flirt zu Jamie ist beschwingt und locker, selbst dann noch, als der Formwandler seine Leidenschaft für Dracula zeigt und Jamie als seine Mina auserkoren hat. Doch auch Jamie hat die gewisse Nonchalance, die Dean offenbar anziehend findet. Sie geht mit der Situation recht gelassen um und letzten Endes ist sie es, die den Bela-Lugosi-Doppelgänger zur Strecke bringen kann, und damit nicht nur dem Monsterfilm, sondern auch Dean zu einem Happy End verhilft…

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