Das Gegenteil von gut ist gut gemeint
Review Staffel 6

Nach dem Finale der fünften Staffel hing bei "Supernatural" so gut wie alles in der Schwebe. Serienschöpfer und Mastermind Eric Kripke hatte sein "Baby" wie angekündigt an Co-Autorin Sera Gamble abgegeben und niemand wusste so recht, wohin diese Veränderung in der sechsten Staffel führen würde. Jetzt, ein Jahr später, ist man sich klar, wie die Sache ausgegangen ist und als Zuschauer bleibt einem fast keine andere Wahl, als die Serie mit einem enttäuschten Kopfschütteln in die Sommerpause zu verabschieden. Dabei ist es nicht einmal so, dass man uns nichts geboten hätte. Im Gegenteil, die Autoren haben uns schlichtweg wahnsinnig viel versprochen, waren aber am Ende unfähig, ihr eigenes Potenzial abzurufen.

Die Storyline

Foto: Jared Padalecki, AECON 2 - Copyright: myFanbase/Nicole Oebel
Jared Padalecki, AECON 2
© myFanbase/Nicole Oebel

Es ist schon einige Jahre her, dass Eric Kripke beim Paley Festival aus dem Nähkästchen geplaudert und davon erzählt hat, was ihm bei einer Serie wichtig ist. Besonders beeindruckend fand ich dabei, dass er scheinbar verstanden hat, was das Publikum braucht. Große Rätsel sind spannend und wichtig, aber jede Folge muss auch Antworten geben oder eine Geschichte abschließen, um die Zuschauer nicht vollkommen unbefriedigt zurückzulassen. Genau das war nämlich meiner Meinung nach das große Manko der sechsten Staffel. Man hat uns komplett im Dunkeln tappen lassen, was die Mysterien der Staffeln angehen, was zum Teil so weit ging, dass man zum Teil nicht einmal bemerkte, dass es sich überhaupt um ein Mysterium als solches handelte.

Das beste Beispiel hierfür war die Storyline rund um Sams nicht vorhandene Seele. Als Zuschauer hat man gemerkt, dass irgendetwas anders ist und dass etwas nicht stimmen kann, weil Sam sich absolut unüblich und unglaubwürdig verhalten hat. Mit der Auflösung, warum der junge Winchester so unnahbar ist, hat man sich viel zu lange Zeit gelassen, sodass man schon von Vornherein von der ganzen Angelegenheit frustriert wurde. Als dann klar war, warum Sammy scheinbar sein Dackelblick abhanden gekommen ist, wurden die Folgen automatisch besser, einfach durch die Tatsache, dass man sich emotional wieder innerhalb der Serie auskannte. Man hatte quasi wieder ein Geländer, um durch die Handlung zu finden.

Foto: Jensen Ackles, AECON 2 - Copyright: myFanbase/Nicole Oebel
Jensen Ackles, AECON 2
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Allerdings muss man sagen, dass dieser Handlungsstrang wenigstens adäquat zu Ende geführt wurde. Nachdem der Tod höchstpersönlich die Seele des jungen Jägers aus der Hölle befreit und durch eine provisorische "Mauer" dafür gesorgt hat, dass Sam sich nicht mehr an die Erinnerungen aus der Hölle erinnern kann, erinnert die Beziehung zwischen Dean und seinem kleinen Bruder zeitweise wieder an die früheren Staffeln und das macht den Fall der Mauer im Finale umso dramatischer. Die Idee, dass Sams Seele gespalten ist und er gegen sich selbst antreten und gewinnen muss, um wieder aus einer Art Koma zu erwachen, war grandios und es ist schade, dass man diesem Konzept nicht eine eigenständige Folge gewidmet hat.

Das war in erster Linie ein Zeitproblem, das man nicht gehabt hätte, wenn man die ersten Episoden schneller erzählt und unwichtige Nebengeschichten weggelassen hätte. Die Campbells beispielsweise wurden ohne wirklichen Sinn und Verstand offenbar nur deshalb in die Geschichte gebracht, damit man sie Stück für Stück sterben lassen konnte. Eine größere Rolle spielt lediglich Samuel, der sich jedoch letzten Endes ebenso als entbehrlich erweist, wie der Rest von Marys Verwandtschaft. Auch hier hat man das Talent der Gastdarsteller und das Potenzial des Ansatzes komplett verschenkt und den Zuschauer stattdessen mit einer nervigen und langatmigen Geschichte gequält, die am Ende ins Leere lief.

Die Bösen

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Mark Sheppard, AECON 2
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Ebenso verwirrend präsentierten sich in dieser Staffel die Bösewichte. Crowley (Mark Sheppard, Bild links) ist zunächst der hinterhältiger Dämon, den man aus der fünften Staffel kennt und der lediglich sein Wort gegenüber Bobby gebrochen hat. Dann auf einmal präsentiert er sich als König der Hölle und damit als scheinbar wichtiger Gegner der Winchesters. Man entledigt sich des schottischen Mephistopheles, nur um ihn später wieder auf den Plan zu zaubern und das ausgerechnet als Partner Castiels, der sich am Ende zu einem größenwahnsinnigen neuen Gott krönt. Für Verwirrung scheint also gesorgt.

Allerdings ist Crowley der einzig wirklich grandiose Gegenspieler dieser Staffel, er bringt Witz und Stil in Folgen, die ohne ihn schlichtweg untergegangen wären. Die dämonische Giftspritze an der Spitze der Hölle ist nicht umsonst auch noch nach der sechsten Staffel Publikumsliebung und einer der Hoffnungsträger für die Storyline zukünftiger Episoden.

Eve, die Mutter aller Monster, taucht als grandios perfide Mutterfigur auf und leistet hervorragende Arbeit, um endlich ein wenig Spannung in die Geschichte zu bringen, letztendlich ist ihr Schicksal aber nach einem zehnminütigen Dialog mit den Winchesters besiegelt und ohne sich großartig anstrengen zu müssen, befördert Dean Eve in Gott weiß welches Jenseits.

Foto: Fredric Lehne, AECON 2 - Copyright: myFanbase/Nicole Oebel
Fredric Lehne, AECON 2
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Im Himmel ist der Bürgerkrieg ausgebrochen und Raphael wird zwar als Gegner angesprochen, taucht aber so gut wie nie auf und mit der Ausstrahlung eines beleidigten Zwerghamsters ist es für den Erzengel nicht leicht, vom Publikum ernst genommen zu werden. Wie man also sieht, fällt es einem schwer, sich irgendwie von einem der Bösewichte der Staffel dauerhaft bedroht zu fühlen, wie das zuvor bei Azazel (Fredric Lehne, Bild rechts), Lilith oder auch Lucifer der Fall gewesen ist.

Was positiv auffiel, ist die Tatsache, dass man anscheinend über den Punkt hinweg ist, in der man sich nur mit Dämonen beschäftigt hat. Die Monster der Woche boten einiges an Unterhaltung, ob es nun um Skinwalker ging, die sich als Hunde bei Menschen eingeschlichen hatten, um mordende Schaufensterpuppen oder um neu gezüchtete Hybriden von Eve. Obwohl sich natürlich einige Wiederholungen nicht vermeiden ließen, hat man hier wieder ein bisschen mehr Kreativität bewiesen und damit auch das ein oder andere Mal den Gruselfaktor mit einberechnet.

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