Das Gegenteil von gut ist gut gemeint
Review Staffel 6
Die Guten
Sam und Dean finden sich in der sechsten Staffel in vollkommen neuen Lebensumständen wieder und wo die Charaktere gezwungen sind, sich durch die neue Ausgangslage zu kämpfen, zwingen sie uns Zuschauer, es ihnen gleich zu tun und wenn man die vielen Entwicklungen der Jungs beschreiben möchte, weiß man gar nicht so recht, wo man anfangen soll.
© myFanbase/Nicole Oebel
Vielleicht beginnt man bei dem Offensichtlichen, nämlich bei Jensen Ackles und Jared Padalecki, die wieder einmal bewiesen haben, dass sie ihr Handwerk voll und ganz verstehen. Beide Schauspieler hatten es nach Jahren harter Arbeit an den von ihnen gespielten Charakteren mit beinahe neuen Rolle zu tun und obwohl sich dadurch die Chemie zwischen den Figuren ins Gegenteil verkehrt haben muss, gelang es Jensen und Jared glaubhaft zu bleiben. Solche Ansprüche werden selten von Serien an ihren Cast gestellt und ohne zu straucheln diese Hürde zu bewältigen, zeugt von harter Arbeit und Unmengen an Talent. Denn sind wir uns ehrlich – wie viele verschiedene Facetten musste man den Zuschauern in dieser übervollen Staffel präsentieren?
Der jüngere der Brüder präsentiert sich zunächst als rücksichtsloser Super-Jäger, der sich mit den Campbells eingelassen hat, weil – ja, warum eigentlich? Die Gründe gehen irgendwie in den vielen Handlungssträngen verloren. Man ist zunächst zu schockiert, wie Sam mit seinem Bruder umgeht und zwangsläufig ergreift man voll und ganz Partei für Dean, der erstaunlicherweise mit Lisa und Ben in einem künstlich hergestellten Familienleben anscheinend ein wenig zur Ruhe gekommen ist. Der Kampf zurück in seinen alten "Job" ist mitreißend und die Entscheidung zwischen seiner alten Familie und seiner neu entdeckten, reibt nicht nur den Jäger auf, sondern auch die Zuschauer. Allerdings wird schnell klar, dass es für Dean nur einen Weg gibt und so ansprechend die Vorstellung von einem normalen Leben für ihn auch gewesen sein muss, so froh war man als Fan der Serie, als die Winchesters wieder gemeinsam auf Jagd gingen. Denn mit diesem Schritt hatte man wenigstens einen der Angelpunkte der Serie wieder dort, wo er hingehörte.
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Sams Entwicklung bessert sich, als heraus kommt, dass er keine Seele hat. Ausgerechnet der sensiblere der beiden Winchesters rennt daraufhin ohne jegliche Vorstellung von Empathie herum und sorgt dadurch des Öfteren für eine unfreiwillige Komik, die mitunter recht fesselnd ist. Als die Situation sich zuspitzt und der junge Jäger sogar so weit gehen würde, Bobby zu töten, um der Erinnerung an die Hölle zu entgehen, kommt sogar wieder ein wenig Dramatik ins Spiel, die jedoch durch die Wiederbeschaffung der Seele relativ schnell ein Ende findet.
Was danach mit den beiden Jungs passiert, gehört wohl zu den Höhepunkten der Staffel, denn die Beziehung der beiden erinnert wieder so stark an die feste Bindung aus den Anfangszeiten der Serie, dass man die beiden am liebsten durch den Bildschirm hindurch knuddeln möchte. Die Autoren haben gut daran getan, sich wieder voll und ganz auf diese speziellen Bande zwischen Brüdern zu verlassen, weil das Verhältnis zwischen Sam und Dean im Grunde genau das ist, worauf man sich als Zuschauer bei "Supernatural" auch dann verlassen möchte, wenn rundherum die Welt untergeht.
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Und sie geht unter. Zumindest für alle Fans von Castiel. Der Wandel des gefallenen Engels bricht mir und wohl vielen anderen Fans das Herz, aber man muss sich eingestehen, dass mit dieser Entwicklung teilweise zu rechnen war. Cas ist zu sehr am Leben der Jäger beteiligt, er beamt sie durch die Gegend, heilt ihre Verletzungen und retten sie ständig vor übermächtigen Feinden. Kurzum, der Engel macht es Sam und Dean zu leicht, gegen das Böse zu kämpfen. Langeweile wäre der Tod der Serie und somit ist der ehemalige Verbündete, der schließlich zum Erzfeind wird, die einzig logische Konsequenz der bisher erzählten Geschichte. Nebenbei baut ein größenwahnsinniger Engel, der Daddys Thron beansprucht auch ein solides Fundament für die kommende Staffel und somit ist der Wendepunkt im Staffelfinale, der nicht nur die Winchesters sondern auch uns Zuschauer vollkommen aus der Bahn gerissen hat, ein Schritt in die Richtung, die "Supernatural" im besten Falle gehen sollte. An dieser Stelle muss auch gesagt werden, wie gut es Misha Collins versteht, seinem Charakter so viele Tiefe zu verleihen, dass man das Gefühl hat, er wäre einzig und allein für diese Rolle geboren. Den machttrunkenen Wahnsinn am Ende der Staffel nimmt man dem Schauspieler ebenso ab, wie der gebrochene Zweifel in #6.20 The Man Who Would Be King. Diese Episode, die ihren Fokus ausschließlich auf die Sicht des Engels legt, war vor allem durch die brillante schauspielerische Leistung und die liebevolle Ausgestaltung aller Charaktere eine der besten Folgen, nicht nur der recht schwachen sechsten Staffel, sondern der gesamten Serie.
© Jenny Duckworth Photography
Ebenso absolut grandios war es, Bobby endlich ein wenig mehr Platz zu geben, um zu vermeiden, dass sich der Charakter totläuft. Man kann nicht wirklich von einer Entwicklung reden, als viel mehr von einem Blick hinter die Kulissen auf die Dinge, die den Vaterersatz von Sam und Dean zu dem Mann und Jäger machen, auf den sich die Jungs vollkommen zurecht verlassen können. Sei es die Folge um das Privatleben des grummelnden Jägers, sei es das Alternativuniversum, in dem er mit Ellen verheiratet ist oder auch die Affäre mit der Drachen-Lady – all das trägt zur Zeichnung eines Charakters bei, der sich während all der Jahre nie bei den Fans beweisen musste, weil er sich ganz still und heimlich durch die Hintertür in unsere Herzen geschlichen hat und diesen Platz zurecht noch immer innehat.
Fazit
Der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert. Dieses Zitat von George Bernard Shaw war immer schon zu einem gewissen Teil Thema in "Supernatural", allerdings sind dieses Mal die Serienmacher wohl etwas zu weit gegangen und haben ihr eigenes Leitmotiv bei ihrer Arbeit unterschätzt. Denn im Falle dieser Staffel war das Gegenteil von gut wohl wirklich gut gemeint. Dennoch muss man klar sagen, dass man von Einfallslosigkeit nicht sprechen kann und somit auch nach sechs Staffeln das Potenzial der Serie noch klar vorhanden ist. Für die siebte Staffel wäre mehr Fingerspitzengefühl wünschenswert und auch mehr Struktur in der Storyline. Abgesehen davon steht der Serie nämlich wohl nichts im Wege, wieder zu ihrer gewohnten Form zurückzufinden.
Eva Kügerl – myFanbase
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