Phönix aus der Asche – Review Staffel 4
Was erwartet man von der vierten Staffel einer konstant guten Serie? Schlichtweg eines – weiterhin konstant gute Leistung. "Supernatural" aber ist einen Schritt weitergegangen und hat sich noch gesteigert. Das Team hinter der Mystery-Serie schrieb die Mythologie der Serie vollkommen neu, entwickelte Charaktere weiter, die eigentlich schon am Ende ihrer Entwicklung schienen und schafft es trotzdem, der Grundidee der Serie treu zu bleiben. Doch neben allen Lobeshymnen behält diese Staffel auch einen fahlen Beigeschmack. Denn ein paar schwache Episoden am Anfang und einige wenige Durchhänger im Handlungsbogen schlagen bei einer Serie, bei der man stetige Steigerung gewohnt ist, sofort zu Buche. Am Ende steht man da und ist enttäuscht von einer ganzen Staffel, während ein genaueres Hinsehen offenbart, dass lediglich ein paar Schwarze Schafe eine ganze Herde in Verruf bringen können...
Stairway to Heaven
Man muss wissen, dass ich etwas mit Dean Winchester gemeinsam habe. Gut, ich jage keine Dämonen, Lederjacken stehen mir nur mäßig und ich warte immer noch darauf, dass mein Vater mir einen 67er Chevy Impala schenkt. Aber – bei uns beiden stieß die Erwähnung von Engeln bis vor Kurzem auf nicht mehr als ein müdes Lächeln. Das hat sich mittlerweile wohl ins Gegenteil verkehrt. Denn bei "Supernatural" bleibt von den verweichlichten Flattermännern kindlicher Fantasien recht wenig. Stattdessen greift die Serie die Quintessenz der Mythologie auf und präsentiert uns himmlische Heerscharen, die Erden- und Höllenbewohner gleichermaßen in Angst und Schrecken versetzen können.
© Jenny Duckworth Photography
Sympathieträger bei den Streitkräften des Himmels ist dabei von Anfang an Castiel (Misha Collins - Bild links), der Engel, der Dean zu Beginn der Staffel aus der Hölle befreit. Anfänglich einfach nur furchteinflößender Himmelsbote mit dem gewissen Etwas, offenbart er Schritt für Schritt, dass in Wirklichkeit ein kleiner tragischer Held in ihm steckt. Castiel ist dabei auch eine geradezu perfekte Ergänzung zu Dean. Ihre Gemeinsamkeiten, wie beispielsweise der ständig hervorbrechende Vater-Komplex, sind scheinbar nur dazu gemacht, ihre Gegensätze hervorzuheben. Dean und Castiel treiben sich gegenseitig zur Weißglut, stützen sich aber in ebensolchem Ausmaß, wenn es hart auf hart kommt. Und so entwickelt sich eine Hassliebe, die zu mehreren Höhepunkten der Staffel, wenn nicht gar der Serie geführt hat. Und welches Juwel den Serienmachern mit Misha Collins in die Hände gefallen ist, muss ich wohl gar nicht erst erwähnen, denn perfekter hätte man die Rolle nicht besetzen können. Da stimmt jeder Blick, jeder Satz und jede Bewegung und zwar in ausnahmslos jeder Szene. Misha, Jensen & Jared. Scheinbar hat die Serie in dieser Staffel nicht nur ihren Glauben an Gott, sondern auch seine eigene Dreifaltigkeit gefunden.
Was die anderen Himmelsbewohner angeht, sieht es hier für die Winchesters weniger rosig aus. Da hätte man zum einen Uriel, der zwar einerseits herrlich böse sein kann und auch nicht müde wird, sich immer wieder neue Psycho-Spielchen für Dean einfallen zu lassen, zum anderen aber irgendwie über einen gewissen Teddy-Bären-Status nicht hinwegkommt und somit aus meiner Sicht als Bösewicht nie vollständig überzeugen konnte. Als Charakter hingegen war der "böse Zwilling" Castiels allein schon durch den ein oder anderen markigen Spruch ein nettes Zwischenspiel.
Und wenn man schon von Zwischenspielen redet, so darf man Anna natürlich nicht außer Acht lassen. Anna, der gefallene Engel von Nebenan, relativ mächtige Waffe im Kampf gegen böse Bösewichte oder böse Engel und nebenbei Kurzzeit-Geliebte von Dean Winchester höchstpersönlich. Im Grunde bleibt es jedem selbst überlassen, wie er zu der stets mysteriösen Rothaarigen steht. Für mich erfüllt sie ihren Zweck. Dean braucht jemanden, bei dem er sich fallen lassen kann – Anna. Castiel braucht einen Moralapostel, den er auch ernst nimmt – Anna. Uriel braucht jemanden, um sich von ihm umbringen zu lassen – Anna. Für mich ist das Ganze beinahe ein wenig enttäuschend, weil ich anfänglich noch sehr begeistert von dem Charakter war, am Ende der Staffel aber sagen muss, dass an dieser Stelle viel Potential verschenkt wurde.
© Jenny Duckworth Photography
Das himmlische Quartett wird komplettiert von meinem persönlichen Staatsfeind Nr. 1 – Zachariah (Kurt Fuller - Bild rechts), den wohl farblosesten Bösewicht, den "Supernatural" jemals gesehen hat. Ein paar berechenbare Pläne und einige starre böse Blicke, viel mehr hat Zachariah nicht zu zeigen gewusst. Im Großen und Ganzen ist der Charakter also aus meiner Sicht ein Flop, nervendes Beiwerk, möchte man fast sagen und eine der großen Schwachstellen der Staffel.
Zu unser aller Glück lässt sich aber noch ein von Gott Berufener finden, der es versteht Zachariahs Schwächen mühelos auszugleichen. "Supernatural" proudly presents Chuck. Chuck ist ein Prophet und als Charakter genial. Viel gelungener kann eine Serie nicht sich selbst und gleichzeitig alle Fans und Kritiker auf die Schaufel nehmen. Chuck hat zu einem Ansturm auf unsere Lachmuskeln gerufen, der sich relativ schnell zum Siegeszug entwickelt hat. Nach nur einer Hand voll Szenen ist der chaotische Autor irgendwie schon gar nicht mehr wegzudenken und dieses Kunstwerk muss ihm erst einmal jemand nachmachen.
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