Bewertung

Review: #3.01 Ertrinkendes Mädchen

"Switched at Birth" hat die Angewohnheit, in seinen Staffelpremieren unheimlich viel Handlung zu präsentieren und damit ziemlich deutlich den Weg für die kommenden Episoden vorzugeben. Somit kann man jedem Abschnitt der Serie, den man wohl besser in halben Staffeln, aufgrund der aufgeteilten Ausstrahlungsstrategie von ABC Family zusammenfassen sollte, eine klare, recht in sich abgeschlossene Struktur zuordnen. Die dritte Staffel beginnt nun mit dem neuen Schuljahr, nachdem sich der letzte Handlungsbogen komplett im Sommer und damit in den Ferien abgespielt hat und wir kehren nach den aufsehenerregenden Ereignissen des vergangenen Schuljahres auch nach Carlton zurück. Dabei werden sowohl wir Zuschauer, als auch die Charaktere gleich in neue Umstände und neue Geschichten geworfen. Denn nach dem Carlton zwar gerettet wurde, wird es nun von zahlreichen hörenden Schülern besucht, die offensichtlich alle in irgendeiner Form als Problemfall zu bezeichnen sind.

"Switched at Birth" war schon immer eine der wenigen Teenagerserien, die auch vor den komplizierten Fragen von Klassenzugehörigkeit und verschiedenen Milieus nicht zurückgeschreckt ist. Aber wie bereits in zahlreichen Fällen zuvor, ist die Einführung solcher Konflikte etwas arg zugespitzt und irgendwie auch naiv umgesetzt wurden. Ich möchte da zum jetzigen Zeitpunkt noch keine große Sache daraus machen, denn schon viele in einer solch simplen Art eingeführte Geschichten haben in ihrem Verlauf wunderbare und aufschlussreiche Nuancen erhalten. Aber gerade aufgrund der Tatsache, dass "Switched at Birth" zu solchen Nuancen fähig ist, lassen mich doch Bilder wie am Anfang der Episode, in denen unsere Protagonisten, alle weiß, einer Gruppe neuer, randalierender Schüler gegenüber stehen, die alle in deutlicher Art und Weise People of Color sind., aufhorchen. Da steckt natürlich unter der Oberfläche mehr dahinter, Bay ist Latina, aber nicht als solche sozialisiert und Daphne ist im Gegensatz dazu als Mädchen mit lateinamerikanischen Wurzeln aufgewachsen. Aber die Bilder sprechen doch eine deutliche Sprache, zumal wenn die beiden stärksten Antagonisten dieser Episode, die neue Schülerin Sharee und Daphnes Vorgesetzter, Afroamerikaner sind. Da muss definitiv in den nächsten Folgen mehr differenziert und sich dem Thema deutlich gewidmet werden. Aber eigentlich habe ich da auch keine Bedenken, ich gehe davon aus, dass dieser Handlungsstrang eben genau dafür hier vorgestellt wurde und wie man mit den Problemen, die sich im Bildungssystem offensichtlich vorhanden sind umgeht, ist ein vielversprechendes Thema für diese dritte Staffel.

Kommen wir aber nun zu den eher persönlichen Belangen der Charaktere, die alle irgendwie neu anfangen und sich in ihrem neu begonnenen Lebensabschnitt sichtlich schwer einleben können. Da wäre Daphne, die ihre vom Gericht verordneten Sozialstunden in einer Freien Klinik antritt. Allerdings hat Daphne nur wenige Probleme, sich in dieser Lebenssituation einzufinden, schließlich werden aber diese dadurch erleichtert, dass sie zwei freundliche Mitstreiter findet. Das wirklich große Dilemma für sie ist der Riss, der seit der Geschichte mit Senator Coto zwischen ihr und John besteht. Wie sie diese Situation beschäftigt ist herzzerreißend und irgendwie möchte man John schütteln, damit er Daphne endlich verzeihen kann. Aber es wäre doch zu untypisch für ihn, diesen Vertrauensbruch einfach so ziehen zu lassen, zumal er mit den Folgen von Daphnes Handeln tagtäglich konfrontiert wird.

Auch Bay hat mit einem Vertrauensbruch zu kämpfen, sie trauert immer noch sehr der Beziehung mit Ty nach, ist aber vor allem aufgrund seiner angeblichen Untreue zutiefst verletzt. Die Tatsache, dass der Seitensprung eigentlich nie stattgefunden hat, was Bay aber nicht weiß, macht die Sache fast noch schlimmer. So versucht sie ihre verletzten Gefühle in einem neuen Kunstkurs, direkt am örtlichen College zu verdrängen. Die sich daraus entwickelnde Geschichte rund um ihren Kommilitonen Tank erhält dann vor allem in der zweiten Hälfte der Episode einen netten Dreh, als der sich wirklich rührend, ohne übertrieben freundlich zu sein, um Bay kümmert. Zusammen mit der Tatsache, dass Bays Verhalten hier, ihren Frust in Alkohol und ein wenig Knutschen zu ertränken, wirklich derart typisch für Teenager ist, dass es irgendwie trotz aller Dummheit (vor allem in Bezug auf ihre Naivität in Sachen College-Jungs) süß wirkt. Besonders schön an dieser Anekdote ist, dass sie am Ende nicht für großes Drama sorgte, sondern für eine wunderbar entspannte Geschwisterszene zwischen ihr, Daphne und Toby.

Apropos Toby, dessen Leben sich gerade komplett im Stand-By-Modus befindet, da er weder Nikki an seiner Seite hat (die ihren Trip nach Afrika angetreten hat), noch aufs College geht. Dafür hat er Zeit sich um seine Schwester zu widmen und hier schafft er es, Daphne trotz ihres verfahrenen Verhältnisses zu John Mut zuzusprechen, guten Rat zu erteilen und am Ende als Hockeytrainer für Carlton einzuspringen. Diese kleinen Momente zwischen Daphne und Toby waren nicht nur Highlights der Folge, sondern versprechen auch einen organischen Weg, Toby weiter mit seinen Schwestern, sowie anderen Charakteren interagieren zu lassen.

Auch für Kathryn gilt hier das Prinzip, vor einem neuen Lebensabschnitt zu stehen und irgendwie verloren zu sein. Im Gegensatz zu den Geschichten rund um Daphne, Bay und Toby leidet Kathryns Handlungsstrang aber leider arg an der mangelhaften Umsetzung. Grundsätzlich bin ich begeistert davon, dem Lebensgefühl von Kathryn als Mutter, die sich irgendwie ohne aktuelle Bestimmung fühlt, nachzugehen. Aber wie man hier von einer misslungen Therapiesitzung, über holterdiepolter verschriebenen Antidepressiva zu Tanzstunden, einem neuen besten Freund mit für Kathryn augenöffnender Lebenseinstellung dahin gelangt, dass sie John für ein bisschen eigenen Spaß anlügt, ging mir dann doch zu schnell. Allein die Tatsache, dass das neue Hobby Stepptanzen und die Freundschaft zu Renzo dadurch zustande kam, dass Kathryn zufällig am Tanzstudio vorbeikam, ist irgendwie albern. Hätte man sich für ihre Selbstfindung ein wenig mehr Zeit genommen, vielleicht mit ein paar mehr Therapiestunden in dieser Folge (und vor allem einem Psychiater, der nicht gleich nach zwei Minuten erstens zur Rezeptkeule greift und zweitens damit zu verstehen gibt, dass auch er keine Lust hat Kathryn zuzuhören) und dann der Tanzstudiogeschichte in der nächsten Episode, hätte die Sache doch viel organischer gewirkt.

Noch viel stümperhafter empfand ich hingegen den Umgang mit Regina und Angelo. Dass hier wohl große Geldprobleme heraufbeschworen werden, ist offensichtlich. Aber wie man dies handhabt, mit einem willkürlichen Anruf für Angelo, bei dem eine ihm eine völlig fremde Person Unsummen an Geld aus dem Kreuz leiert, ohne dass er dies ernsthaft hinterfragt, und dem völlig weltfremden Geschäftsgründungsversuch von Regina, war grausam. Dazu kommt Angelos Reaktion auf Reginas Nachfrage, die von einem kleinen trotzigen Kind nicht rüder hätte abgeschmettert werden könnte und einem halbherzigen Versöhnungsversuch der Beiden, bei dem keines der Themen ernsthaft besprochen wurde. Tut mir leid liebe Leute, so geht man mit Geld nicht um, auch nicht von Seiten der Drehbuchschreiber, die auf Teufel komm raus eine finanzielle Krise der beiden heraufbeschwören wollen.

Abgesehen von diesen beiden Wermutstropfen war #3.01 Drowning Girl aber ein sehr gelungener Staffelauftakt, der gleich wieder richtig Lust auf mehr von den "Switched at Birth"-Charakteren gemacht hat. Und auch die zu kritisierenden Bereiche können durch ein paar kleine Handgriffe sicher noch in gelungene Geschichten umgewandelt werden.

Cindy Scholz - myFanbase

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