Bewertung

Review: #1.06 Familiengeheimnisse

Es scheint, als würden wir in dieser Episode der Ursache für Taras Persönlichkeitsstörung etwas näher kommen, doch erleben wir keinen strahlenden Aha-Moment, durch den wir uns als Zuschauer klüger fühlen, sondern machen eher einen weiteren Schritt auf den stockdunklen Abgrund zu, der in Taras Vergangenheit lauert. Meine Vermutung, dass Tara vergewaltigt worden sein könnte, habe ich ja bereits zuvor geäußert, nun deutet einiges darauf hin, dass sie womöglich von ihrem eigenen Vater missbraucht wurde.

Taras Eltern Beverly und Frank kommen zu Besuch, um Charmaines Geburtstag zu feiern. Schon die Tatsache, dass Marshalls Homosexualität vor den beiden verheimlicht wird, zeigt, dass Beverly und Frank nicht gerade verständnisvolle, einfühlsame und vorurteilsfreie Menschen sind. Sie wollen Marshall und Kate zu sich nehmen, da sie Taras Befähigung als Mutter anzweifeln. Ganz reizend. Man fragt sich längst, warum sich angesichts dieses Familienstresses keine von Taras Persönlichkeiten zeigt und das Ruder übernimmt, wobei Heim– und Herddiktatorin Alice hier meine erste Kandidatin gewesen wäre, als Max plötzlich in der Nacht beobachtet, wie Tara, nur mit einem roten Regencape bekleidet, auf ihren schlafenden Vater uriniert. Eine Schockszene. Wir dürfen davon ausgehen, dass dieses Rotkäppchen die bislang unbekannte Persönlichkeit von Tara ist, deren Existenz sich zuletzt mehrfach angedeutet hatte. Zu Taras bisher bekannten Persönlichkeiten passt ein solches Verhalten jedenfalls nicht.

Auf Frank wirft dies kein gutes Licht und macht ihn verdächtig, an Taras beschädigter Psyche Schuld zu sein. Warum uriniert man denn auf einen anderen Menschen? Um ihn zu demütigen, beispielsweise. Oder auch, um ihn zu kennzeichnen, ihn gewissermaßen als schlechten Menschen zu markieren. Das ist freilich ein primitives, animalisches Verhalten, doch eine Vergewaltigung ist im Grunde auch nichts anderes. Noch lässt sich kein Richterspruch über Frank fällen, doch die Theorie, dass er Tara sexuell missbraucht hat, leuchtet mir momentan sehr ein.

In diesem Zusammenhang ist auch Charmaines Beziehung zu ihren Eltern interessant. Charmaine fühlt sich von ihrer Mutter und ihrem Vater unbeachtet und vernachlässigt. Sie hat das Gefühl, dass sich Beverly und Frank nur für Tara interessieren und leidet daher unter schweren Minderwertigkeitskomplexen, die sich besonders auf die Größe ihrer Brüste beziehen. Wenn man davon ausgeht, dass Tara tatsächlich von ihrem Vater missbraucht wurde, weiß Charmaine möglicherweise nicht, dass Tara ihr nicht die Aufmerksamkeit der Eltern weggenommen, sondern sie vielmehr vor dieser bewahrt hat. Es ist auch nicht undenkbar, dass Charmaine etwas ahnt und mit einer unterbewussten "Warum nur sie und nicht ich?"-Schuld lebt. Die Schuldgefühle der "Überlebenden", gewissermaßen. Dass Charmaine ebenfalls sexuell missbraucht worden sein könnte, halte ich aufgrund ihres Verhaltens momentan für eher unwahrscheinlich.

Ich wiederhole mich gerne: die Serie "United States of Tara" macht mich zu einer Hobby-Psychologin. Das ist interessant und faszinierend, auch auf die Gefahr hin, mich total zu irren und Sigmund Freud in seinem Grab auf Dauerrotation zu stellen.

Maret Hosemann - myFanbase

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