Bewertung

Review: #3.10 Die Sage des Mistelzweigs

Foto: Tyler Hoechlin, Teen Wolf - Copyright: MTV
Tyler Hoechlin, Teen Wolf
© MTV

Ein gewittriger Sturm mit Stromausfall dient gerne als Aufhänger für besondere Episoden. Hier bewirkt ein solcher einen Showdown zwischen allen Parteien im evakuierten Krankenhaus von Beacon Hills, und die Handlung wird so spannend, actionreich und mit Tempo präsentiert, dass man über einige Ungereimtheiten wie so oft bei "Teen Wolf" gerne hinwegsieht und sich einfach auf den abenteuerlichen Ritt einlässt und viel Spaß dabei hat!

"I hope you're not thinking the most superficial thought: Is that her real face?"

Gelehrte, mächtige, ränkeschmiedende dunkle Druiden haben Sorgen! Und eine der größten Sorgen unseres Darachs, Ms. Jennifer Blake scheint es zu sein, ob ihr Lover Derek sie nun noch heiß findet, nachdem er ihre wahre Fratze gesehen hat. Diese Anbiederung Jennifers war jedoch nur einer der Schwachpunkte des Handlungsstranges um Jennifer. Es ist schon von Anfang an nicht ganz klar, warum sie zu Beginn der Episode, die unmittelbar am selben Abend ansetzt, an dem die letzte Episode geendet hat, Derek in seinem Loft aufsucht, gerade nachdem sie Sheriff Stilinski verschleppt hatte. Ihr Ziel war es in dieser Episode doch letztlich, Mama McCall zu entführen. Das hätte sie wie bei ihren vorherigen Opfern im Stillen, beispielsweise auf Melissas Heimweg von der Arbeit, erledigen können. Der Umweg über Derek ist nicht ganz nachollziehbar, damit erregt sie doch das Aufsehen aller Beteiligten. Sie will Derek bezirzen, auf ihrer Seite zu sein – aber warum? Warum überhaupt die Liebesbeziehung zu einem Werwolf, wenn diese in der Vergangenheit ihre Übertäter waren, dadurch ihre eiskalten Rachepläne initiiert haben und in der Gegenwart wiederum die Angehörigen und Freunde ihrer gezielt ausgewählten Opfer sind. Warum wählt sie als Opfer in diesem Fall überhaupt die Eltern der Personen, die ihr am meisten Probleme bereiten können?

Auch bleibt unklar, warum sie ihre Superkräfte nicht einsetzt, als der bereits über ihre wahre Identität informierte und wütende Derek sie zu erwürgen droht. Im selben Stil geht es mit ihr jedoch die ganze Episode über weiter, wobei nicht immer klar ist, ob Haley Webbs Darstellung einfach konfus ist oder der Darach in ihr nicht immer Zugriff auf seine Fähigkeiten hat. Jedenfalls irritiert es durchaus, dass Jennifers Ausdruck ständig zwischen Erleichterung, entkommen zu sein, und eiskaltem Kalkül hin und herwechselt und sie in einer Minute ihre Superkräfte zum Einsatz bringt und in der nächsten nicht. Der schwächste Part allerdings war in meinen Augen ihre breit ausgeführte und mit zweifelhafter Feierlichkeit vorgetragene Geschichte zum Episodentitel, zur Parallelität des Übersehenwerdens. Sie gibt die Zusammenhänge des Todes des Gottes Balder aus der nordischen Mythologie zum Besten, denen zufolge Balders Mutter Frigg allen Pflanzen, Steinen und ähnlichem den Eid abnahm, ihn nicht zu verletzen. Doch der hinterlistige Loki tötete Balder mit einem Pfeil aus Mistelzweigen, da Frigg diese unscheinbare Pflanze übersehen hatte. Und hier flechtet Jennifer ihre höchst eigene Logik hinein. Sie meint, die Druiden seien von Deucalion übersehen worden und deshalb habe sie Jungfrauen, Kriegern, Heilern, Philosophen und Beschützern den Eid abgenommen, ihr ihre Fähigkeiten zu überlassen, damit sie den Monstern die Lehre erteilen könne, dass ihre Gräueltaten niemals wieder übersehen werden würden.

Zum einen hatte Deucalion die Druiden überhaupt nicht übersehen. Er hatte Anweisung gegeben, dass jeder aspirierende Alpha sein Rudel UND seinen Druiden tötet. Man könnte angesichts des neuen Flashbacks höchstens sagen, Kali übersah die Kräfte ihrer Druidin, die sie nur halbtot liegenließ, anstatt ihr komplett den Garaus zu machen, und unterschätzte somit die tödliche Gefahr, die von ihr im Falle ihres Überlebens ausging. Zum anderen aber hinkt die Parallelsetzung auch hinsichtlich des Eides ganz entscheidend. Frigg hat wohl kaum all die Pflanzen ermordet, um ihnen den Eid abzunehmen. Jennifer wählte hier also einen hübsch radikalen Weg, ihre Auserwählten dazu zu bringen, ihr ihre Fähigkeiten zu überlassen. Und wir denken da nicht zuletzt auch an Mr. Harris, der ihr ja tatsächlich freiwillig geholfen hatte, bevor sie ihn massakrierte. Wo liegt da für sie noch der Unterschied zwischen den Gräueltaten der Alphas und ihren eigenen?

Die Verbindung zwischen den Flashbacks mit Paige und Jennifer besteht übrigens darin, dass man Derek erneut eins aufs Dach geben konnte, indem man mit seinem ungewollten Opfer eines unschuldigen Mädchens (Paige) erklärt, dass der Nemeton, der heilige Ort der Druiden, der sterbenden Jennifer zum rechten Zeitpunkt Lebenskraft spenden konnte. Nicht nur, dass Derek in dieser Episode hinnehmen muss, dass sein Love Interest eine Psychopathin ist, er muss sich auch von Stiles anschreien und an seine psychopathische Ex-Flamme Kate Argent erinnern lassen, wird wieder überwältigt, erfährt ganz nebenbei, dass Scott auf dem Weg ist, ein wahrer Alpha zu werden, während er seinerzeit Peter seine Macht "stehlen" musste, seine Schwester liegt im Sterben und nun trägt er auch noch eine gewisse Mitschuld daran, dass Jennifer überhaupt überlebt hat und zum Darach werden konnte. Dean Winchester ist auch so eine Figur, die immer und immer wieder gebrochen wurde, bei Derek allerdings ist das Problem, dass man ihm seit mehreren Folgen relativ wenig richtig mitreißende Interaktion mit den anderen Hauptfiguren gegeben hat, so dass der Beschützerinstinkt ihm gegenüber beim Zuschauer vielleicht nicht ganz so stark ist, wie man es gern hätte.

Bevor wir uns nun aber allzu lange mit diesen spaßbremsenden Aspekten aufhalten wollen, sei abschließend gesagt, Jennifer Blake oder besser Julia Baccari, wie ihr richtiger Name lautete (who cares?), hat bei weitem kein solch überzeugendes Antagonistenformat wie vor ihr Kate und Victoria Argent.

"Let's rumble!"

Wie schrieb ich zu #3.02 Chaos Rising? "Danke, Jeff Davis, für Peter Hale!" Das möchte ich an dieser Stelle noch einmal bekräftigen! Leider muss man sich angesichts der fortgeschrittenen Phase dieser Sommerstaffel wohl eingestehen, dass wir weiterhin keinen wirklichen Grund dafür erfahren werden, warum Peter nach seiner Auferstehung so geworden ist, wie er ist. Er gehört nun vorläufig einfach zu Team Derek (oder sogar dessen Rudel?) und hilft endlich auch mal tatkräftig im Kampf gegen die Alphas mit. Und auch wenn nicht ganz einleuchtend ist, warum die Alphas gerade jetzt Jagd auf den Darach machen, so ist dies doch gleich verziehen, wenn Peter Hale sich mit seinem tiefe Einblicke gewährenden V-Ausschnitt und einer Epinephrin-Spritze im Herzen an Scotts Seite voll in die Party stürzt! "Let's rumble" – der Preis für den witzigsten Moment geht an dich, Peter Hale, dicht gefolgt von dem Moment, als die beiden durch den Wäscheschacht verschwinden, aufeinander in einer Wäschetruhe landen und Peter fragt, ob Scott nicht hätte 10 Sekunden warten können. Großartig!

"Our little Scott!"

In dieser Episode kommt man an einigen Stellen nicht umhin, sich über den (nicht vorhandenen) Wissenstand gewisser Figuren zu wundern. Es ist zwar eine herrliche Szene, als Mama McCall in Coras Krankenzimmer ihr totgeglaubtes Date aus Staffel 1 antrifft, aber kann man wirklich glauben, dass Scott es für vernünftig hielt, seiner Mutter nicht zu erzählen, dass Peter Hale wieder lebendig ist? Möglicherweise lässt sich das noch als Schutzmechanismus erklären, aber als Jennifer Scotts Status als angehender 'True Alpha' ausplaudert, weiß noch nichtmal Stiles etwas davon. Es wäre zugegebenermaßen auch sehr schade gewesen, wenn diese Eröffnung seitens Scott zwischen den Episoden verloren gegangen wäre, aber in diesem Moment fühlte es sich definitiv falsch an, dass Scott dies vor seinem besten Freund verheimlicht haben sollte. Es ist jedenfalls sowohl Stiles als auch Derek hoch anzurechnen, dass sie in diesem Moment keinen völlig deplatzierten Vorwurfssermon losgelassen haben. Peters "our little Scott" sprach schon Bände!

"We always have a Plan B!" - "Not this time..."

Scott jedenfalls sieht sich in dieser Episode gezwungen, die Seiten zu wechseln. Mussten sie alle noch zu Anfang der Episode nach Jennifers Regeln spielen, da diese Papa Stilinskis und Coras Leben in ihren Händen hält, und sie vor den Alphas beim Showdown im Krankenhaus retten, so wählt Scott am Ende ganz nach Staffelmanier den Weg des Opfers – er opfert sich und geht auf Deucalions Angebot, sich Jennifers gemeinsam zu entledigen, ein. Der Moment, als Stiles ihn mit Tränen in den Augen bittet, sich nicht auf Deucalion einzulassen, es mit dem Ruf seines Namens aber nunmal nicht schafft, Scott so zur Raison zu bringen, wie Scott es seinerseits mit Isaac oder in dieser Episode auch mit Derek schafft, ist dann auch erneut wieder einer der emotionalsten Momente, den Dylan O'Brien auf seinem Konto verbuchen kann.

Deucalion ist in dieser Episode beinahe gespenstisch gelassen, obwohl alle um ihn herum um ihr Leben kämpfen und sich blutrünstig in die Schlacht stürzen. So wie er mit seiner Geisel Melissa umgeht, ist er beinahe galant zu nennen, besonders als er ihr – nur für sich selbst hörbar – nachruft, sie solle auf sich aufpassen. Eines aber scheint immer deutlicher zu werden: In der Ruhe liegt die Kraft! Deucalion wurde bisher noch gar nicht so richtig herausgefordert, wir haben den vollen Umfang seiner Macht noch nichtmal in Ansätzen gesehen, und die Tatsache, dass er angesichts des Showdowns im Krankenhaus so ruhig bleibt, lässt ihn nochmal viel gefährlicher wirken.

Randnotizen

  • Stiles' Mund-zu-Mund-Beatmung lieferte für mich keinerlei Hinweis darauf, dass sich etwas zwischen diesen beiden Figuren entwickelt. Nicht zuletzt, da Cora in meinen Augen nach wie vor kein vollwertiger Charakter ist. Mit der Äußerung zum nächsten Berühren ihrer Lippen wollte Stiles meiner Ansicht nach vielmehr das vollkommen nachvollziehbar unangenehme Gefühl von Intimität mit einer bewusstlosen Person abschütteln.
  • Da Stiles verständlicherweise angesichts der Lage, in der sich sein Vater befindet, nicht den Spaßvogel spielen konnte, musste Isaac die Rolle des Comic Relief übernehmen, aber die witzigen Momente wirkten auf mich diesmal ein wenig gezwungen. Ebenso wie seine permanente Zusammenarbeit mit Allison. Die beiden gehörten auch diesmal wieder nicht zur Haupthandlung und wirkten willkürlich zusammengewürfelt, um überhaupt etwas zu tun zu haben. Dass am Ende beide Argents bei der Schießerei keinen Treffer landen konnten, fand ich darüber hinaus extrem enttäuschend.
  • Wenn auch Isaacs humorvolle Momente eher nur zu neunzig Prozent zünden konnten, so konnte sein Niedlichkeitsfaktor zu hundert Prozent punkten, als Peter ihn anherrscht, das Fluchtauto endlich zu starten und er erwidert, er könne nicht ohne Scott abfahren. Daniel Sharmans Stimme bricht beim Aussprechen von Scotts Namen nur um eine winzige Nuance – wirklich perfekt gespielt!
  • Zwei der drei alleinerziehenden Eltern sind nun in Gefahr. Da darf man damit rechnen, dass Chris Argent der dritte im Bunde sein wird. "Teen Wolf" bindet die Eltern ganz zur Freude des etwas erwachseneren Publikums richtig schön in die Action mit ein. Und da sie allesamt 'crushworthy' sind, funktioniert dies als spannungssteigerndes Element ausgesprochen gut. Man kann sich ihrer nicht allzu sicher sein, obwohl ich mir nicht vorstellen kann, dass wir uns jetzt wirklich von einem von ihnen verabschieden müssen.
  • Apropos erwachseneres Publikum: Habt ihr die Anspielung auf "Zurück in die Zukunft" mitbekommen? Anfangs sprach Mama McCall von Hill Valley! Da Michael J. Fox in den 80er Jahren der ursprüngliche Teen Wolf war, gefiel mir dies als kleines Tribut an seine Kultfilmreihe ausgesprochen gut.

Fazit

Diese Episode wirkte schon ein wenig wie der Beginn des Sommerfinales, soviel Action und fast alle Fadenzieher an einem Ort. Scott befindet sich nun in Deucalions Hand und es ist immer ungeheuer spannend, wenn der Gute gezwungenermaßen mit dem Bösen zusammenarbeiten muss. Die Antagonistin in Form von Jennifer Blake zeigte sich zwar nicht allzu charismatisch, aber die Episode verging beim Anschauen wie im Fluge und hinterließ eine ungemein hohe Spannung auf die kommenden Ereignisse.

Nicole Oebel - myFanbase

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