Review: #1.07 Sie werden, was sie sind
An Spannung mangelt es "The Following" wahrlich nicht. Die Geschichte ist ungeheuer dicht erzählt, bietet unerwartet intensive Momente und auch die ein oder andere Wendung, die man so garantiert nicht vorher gesehen hat. Und doch kommt man nicht umher, fünfzig Prozent der Zeit den Kopf zu schütteln ob der unglaublich dämlichen Ereignisse, die sich abspielen.
Punkt eins der mich im Moment unglaublich stört ist die Tatsache, dass das FBI derart dämlich dargestellt wird, so dass man fast gewillt ist, zu sagen, dass es ihnen fast schon Recht geschieht, dass dieser durchgeknallte Killer sie ein ums andere Mal vorführt.
Lächerlich ist auch die Tatsache, dass wir nicht den Hauch einer Idee bekommen, wieso Joe Carroll eigentlich so tickt, wie er tickt und wie er es geschafft hat, all diese Menschen um sich zu scharen. Zu Beginn waren es nur ein paar vom Leben enttäuschte Irre, die er in seinen Vorlesungen von seiner Poesie überzeugt hat. Und nun präsentiert er uns Ex-Militärs und Geschäftsleute, die ohne mit der Wimper zu zucken das Rasiermesser ziehen und mal eben einen wehrlosen Mann abschlachten, der zufällig am Aufzug steht. Die Sekte, die Joe um sich gescharrt hat, ist gigantisch und es gibt wohl niemanden mehr, der nicht irgendwie zu den potentiellen Jüngern des Poe-Liebhabers gezählt werden könnte. Ab heute ist jeder verdächtig, denn Joe hat seine Spitzel überall. Bei den Ordnungshütern, den Gefängniswächtern, bei Anwälten und Automechanikern. Mich würde nicht wundern, wenn das halbe FBI mit ihm unter einer Decke steckt, er den Präsidenten der Vereinigten Staaten umgedreht hat und bald schon im weißen Haus steht, um die Weltherrschaft an sich zu reißen. Spaß beiseite. Ich würde schon gerne wissen, wie es möglich war, dass jeder x-beliebige Typ bei ihm im Gefängnis auftauchen konnte und so empfänglich für seine Idee war, dass er ihm jetzt blindlings folgt, wenn es sein muss dann sogar in den Tod.
Wenn man sich darauf einlassen kann, dass man hier den vielleicht charismatischsten und einflussreichsten Serienkiller der letzten Jahrzehnte vor sich hat, dann könnte die Grundsituation um seinen Rachefeldzug gegen Unbekannt (und Ryan Hardy) durchaus spannend sein. Doch leider werden selbst die spärlich gesäten starken Szenen immer wieder von Einschüben kaputtgemacht, die so dämlich sind, dass es fast schon unmöglich ist, die Serie ernst zu nehmen. Ich war mehr als nur ein wenig fassungslos, dass man uns Zuschauer tatsächlich glauben lässt, dass eine Beschwerde von Joe wegen Verletzung seiner verfassungsgemäßen Rechte tatsächlich in einer sofortigen Verlegung in ein anderes Gefängnis resultiert. Dass durch solch eine angebliche Misshandlung eine wahre Schar von Kameras und Journalisten angezogen wird, könnte ich mir ja noch vorstellen, aber dass die Beschwerde eines verurteilten Serienkillers so viel Gewicht haben soll, dass die Mühlen der Justiz plötzlich schneller mahlen und er sofort, binnen weniger Stunden, verlegt werden soll, das ist doch zu viel des Guten.
Und dann entwischt er der Polizei und dem FBI, weil niemand auf die Idee kommt, mal eben im Kofferraum der äußerst verdächtig auftretenden Anwältin nachzusehen, um sicher zu gehen, dass sie ihren Mandanten dort nicht vielleicht irgendwie vom Gelände schmuggelt. Aber gut, es passt zum Auftreten des FBI, dass man auch ja nicht zwei Mal prüft, ob der Mann, der schon einmal entkommen konnte und sie in den letzten Tagen immer und immer wieder an der Nase herum geführt hat, ihnen nicht wieder eine lange Nase dreht.
Gut. Sei es, wie es will. Joe entkommt, wenn auch nur denkbar knapp, denn Ryan ist ihm – mal wieder – dicht auf den Fersen und schnappt ihn fast. Aber eben auch wieder nur fast. Und dann steht Joe vor Ryan, hält ihm eine Waffe an den Kopf und lässt ihn dann laufen, weil er noch großes mit ihm vor hat. Oder auch einfach nur, weil er sich einen Spaß daraus macht, mitanzusehen, wie er ein ums andere Mal versucht, Joe auf die Schliche zu kommen und dabei immer wieder richtig böse auf die Nase fällt.
Richtig böse hat es ja auch dieses Mal wieder Ryan Hardy erwischt, der Joe einfach nichts entgegen setzen kann, egal wie sehr er sich auch bemüht. Aber mal ehrlich, würde er tatsächlich einen kleinen Etappensieg gegen Joe feiern können, dann wäre die Staffel wohl zu Ende. Momentan lebt man davon, diesem gebrochenen Mann dabei zuzusehen, wie er sich zwar redlich bemüht, ein ums andere Mal aber kläglich an seiner eigenen Schwäche scheitert. Das macht ihn nicht unbedingt sympathisch. Viel eher hat man Mitleid mit ihm, weil man weiß, dass sich an seiner Situation bis zum Staffelfinale nichts verändern wird. Ryan wird weiterhin kämpfen, er wird weiterhin scheitern und mitansehen müssen, wie ihm Joe immer wieder einen Schritt voraus ist. Und jetzt wird ihm auch noch Claire weggenommen, die unglaublich wütend auf ihn ist, weil er ihr ihren Sohn Joey nicht hat wieder beschaffen können. Klar. Hardy alleine ist dafür verantwortlich. Dass sie ebenfalls einem von Joes Irren aufgesessen ist und sie von Glück sagen kann, dass sie nicht längst auch irgendwo in einem Käfig kauert, das tut ja nichts zur Sache.
Gut. Genug gejammert und geschimpft. Auch wenn es jetzt vielleicht so klingt, als hätte ich an der Episode überhaupt keinen Spaß gehabt, so muss ich gestehen, dass ich mich trotz aller Logiklöcher und unsagbar dämlichen Entscheidungen der Charaktere noch nicht satt gesehen habe an "The Following". Das liegt sicherlich nicht an der Geschichte um Emma, die mal wieder nichts anders zu tun hat, als durch die Gegend zu laufen und nach Joey zu rufen, der mal wieder abhaut und mal wieder von den Männern seines Vaters gestellt wird. Woche für Woche die gleiche Schei... pardon. Woche für Woche der gleiche Mist, der absolut uninteressant und vor allem überhaupt nicht spannend ist.
Letztendlich ist es vielleicht Joe Carroll selbst, der mich überzeugt, in der nächsten Folge wieder einzuschalten. Oder vielleicht aber auch der hin und wieder durchblitzende ironische Unterton der Serie, die hin und wieder eingestreuten lockeren Sprüche von Ryan oder die durchaus richtig gute musikalische Untermalung. Vor allem der musikalische Abschluss der Episoden gefällt mir richtig gut. Bislang fand man immer einen passenden Song, der eine dichte Atmosphäre schuf und einem das Gefühl gab, gerade eben eine unglaublich spannende Episode gesehen zu haben. Leider muss ich zugeben, dass man sich diese interessante Weise wohl bei einer anderen, wesentlich grandioseren Serie abgeschaut hat, die auf ein ähnlich starkes Ende setzt. Bei "Person of Interest" hat man es auch immer wieder fertig gebracht, das Ende einer Episode musikalisch so zu untermalen, dass eine Szene einen gewichtigeren Touch bekommt. Aber ich will ja mal nicht so sein, denn ich muss sagen, dass gerade die letzte Szene, in der Joe "nach Hause" kommt und all seine Follower – oder auch nur ein klitzekleiner Teil von ihnen – auf die Straße tritt und ihn in Empfang nimmt, wirklich fantastisch ist. Sie geht unter die Haut und zwingt mich als Zuschauer dazu, das nächste Mal unbedingt wieder einzuschalten.
Fazit
Die großartige letzte Szene kann leider nicht über die Schwächen der Episode hinweg täuschen, auch wenn man alles daran setzt, einen spannenden Cliffhanger zu inszenieren. Und dennoch ist die Serie spannend erzählt und bietet hin und wieder Momente, in denen man auf dem Rand des Sofas sitzt und mit Ryan Hardy hofft und bangt. Würde man die vielen dämlichen Logiklöcher stopfen, dann wäre das hier richtig gute Unterhaltung. So ist "The Following" im Moment jedoch einfach nur anstrengend. Und langsam aber sicher schmerzen meine Augen vom andauernden Verdrehen. Ich bezweifle jedoch, dass sich dies bald ändern wird. Also: Augen zu und durch.
Melanie Wolff - myFanbase
Die Serie "The Following" ansehen:
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Informationen zur Episode
Englischer Titel: Let Me GoErstausstrahlung (US): 04.03.2013
Erstausstrahlung (DE): 23.10.2013
Regie: Nick Gomez
Drehbuch: Seamus Kevin Fahey
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