Bewertung

Review: #3.02 Rosskur

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#3.02 Sick setzt genau dort an, wo #3.01 Seed das Geschehen verließ. Dass am Ende der Episode von diesen fünf Insassen nur noch zwei am Leben sein werden, ahnt noch niemand an dieser Stelle. Jetzt ist erst einmal wichtig, dass Hershel versorgt wird, dann kann man sich um die gerade entdeckten Insassen kümmern. Metzel- und bluttechnisch beeindruckt #3.02 Sick wieder, vor allem da kaum Zombies in voller Montur auftraten. Es sind die menschlichen Toten, die faszinieren und der Weg zu ihrem Ableben, der fesselt. Und nun wird die neue Gruppendynamik ganz besonders deutlich. Des weiteren gibt es einen besonderen Fokus auf die Familie Grimes, welcher viel über die Verhältnisse erzählt. Natürlich steht auch Hershels Schicksal im Vordergrund.

Hershel

Weil sich beide großen Handlungsstränge (Hershel und die Interaktion zwischen Rick und den Insassen) relativ gut voneinander trennen lassen, da sie sich im Wesentlichen nur im dritten Handlungsbogen, den um die Familie Grimes, begegnen, betrachte ich sie im Folgenden getrennt.

Hershel liegt bewusstlos, nach hohem Blutverlust und im Schock auf seinem Bett. Warum die Gruppe ihn nicht auf dem viel besser zugänglichen Essenswagen aus der Mensa liegen lässt, bleibt mir ein Rätsel. Nun gut, schiebe ich es auf den Komfort für den Patienten selbst, auch wenn sich bei mir alles sträubt einen stark blutenden Menschen auf ein unzugängliches, aber relativ komfortables Etagenbett zu legen. Carol gibt ihr bestes, um die Blutung zu stillen. Irgendwann geht sie zurück und Carol kann leicht aufatmen. Hershel scheint sie gut unterrichtet zu haben, auch wenn sie offensichtlich zunächst etwas überfordert war, blieb sie ruhig und konnte alles tun, was ihr möglich war, um Hershel zu retten. Doch hier finde ich auch den nächsten Kritikpunkt. Wie kann es sein, dass Carol nun gerade in diesem Moment auf die Idee kommt, dass sie Kaiserschnitte an Zombies üben will? Zwar konnte sie dank Carls Hilfe, auf die ich gleich noch eingehen werde, wenn ich den Zwischenhandlungsstrang bespreche, den Stumpf verbinden – (warum eigentlich nicht veröden? Das hat doch schon Merle Dixon mit seinem gemacht) – doch die Gefahr des Todes besteht weiter.

Zu der befürchteten Krise kommt es dann wirklich und Hershels Atmung setzt aus. Nun wird deutlich, dass Maggie, die sich zwar zuvor von ihrem Vater verabschiedet hatte, in einem echten Dilemma steckt. Soll sie versuchen, ihn wiederzubeleben oder soll sie ihn sterben lassen? Beth ist einmal mehr in einer Art Schock und ändert erst die Hosen ihres Vaters, damit er nicht über das Hosenbein fällt, wenn es ihm dann besser geht, und nun schreit sie hysterisch, dass jemand doch etwas tun soll. Es ist nur Lori, die sich traut, eine Mund-zu-Mund-Beatmung durchzuführen. Ich glaube kaum, dass sie die Gefahr auf sich genommen hätte, wenn sie nicht in Hershel einen Felsen gefunden hätte, an den sie sich die letzten Monate festhalten konnte, in denen Rick auf Abstand ging. Als Hershel wieder erwacht, erschrecken alle (auch ich als Zuschauer) und Carl ist sofort mit der Waffe zur Stelle, da Glenn mit Carol auf dem Hof ist, um ihr eine Übungsleiche zu besorgen. Schlussendlich erwacht Hershel, stark geschwächt vom Schock und Blutverlust, aber offenbar dankbar für das, was Rick für ihn tat.

Insgesamt eröffnet diese Verletzung, ja Verstümmelung, wenn Hershel sie denn überlebt, völlig neue Situationen. Wie Maggie schon trefflich festhält, kann Hershel nun nicht mehr rennen und die letzten Monate bestanden nur aus konstantem Laufen. Hier kann man nur hoffen, dass das Gefängnis ein sicherer Hafen für die Gruppe wird.

Fokussiere ich kurz noch einmal den Blick auf Glenn und Carol. Nachdem ich den Zeitpunkt der Suche nach einer Übungsleiche bereits in Frage gestellt habe, möchte ich an dieser Stelle noch kurz auf den Beißer eingehen. Warum eigentlich muss es ein frischer Zombie sein und nicht eine von den bereits erledigten Frauen im Gefängnis? Es gab, wie wir in der letzten Episode erfuhren, Besucherinnen, die sich dafür sicherlich auch geeignet hätten. Des weiteren wird Carol von einer unbekannten Partei außerhalb des Zauns beobachtet. "Wer oder was ist das?“, ist hier die Frage. Es bleibt alles abzuwarten, denn an dieser Front ist sicherlich noch nicht alles erzählt. Glenn hingegen ist in dieser Folge ein Paradebeispiel für Ricks Macht in der Gruppe und auch über die einzelnen Mitglieder selbst. Er bekommt den Auftrag, Hershel zu erschießen, sollte er sich verwandeln. Er verlässt Hershels Krankenbett nur sehr widerwillig und auch erst dann, als die zurückbleibenden Frauen ihm versichern, dass sie alles unter Kontrolle haben. Ricks Macht ist groß und umfassend. Doch auch der Respekt vor ihm, die Anerkennung seines Urteils und die Sicherheit, die er, gepaart mit dem ihm entgegen gebrachten Vertrauen, ausstrahlt, sind in dieser Episode präsent.

Die Insassen

Der wichtigste Punkt mit den Insassen ist der Handel zwischen den beiden Gruppen. Lebensmittel gegen Manneskraft und das gegenseitige Recht zu bleiben. Dass das ganze Vorhaben zum Scheitern verurteilt ist, war spätestens bei der Aushandlung der Vereinbarung klar. Es ist sofort deutlich, dass Tomas den selben Führungsanspruch hegt, wie Rick und in ihm Konkurrenz sieht. Rick erkennt Tomas Gewaltpotenzial und es kommt zur beinahe wortlosen Absprache zwischen ihm und Daryl. Das Vertrauen der beiden Figuren aufeinander ist riesig und wird in dieser kleinen Szene ausgedrückt. Am Ende sind die Würfel in dem Moment gefallen, in dem Tomas versucht, alles auf die Hitze des Moments zu schieben. Rick spaltet seinen Schädel mit seiner Machete. Andrew nimmt das zum Anlass zu fliehen und Rick lässt ihn von Zombies auffressen, da er in ihm Tomas' Komplizen sieht. Schlussendlich dürfen sich die beiden verbleibenden Insassen, Axel und Oskar, im Zellblock D einrichten. Hier ist der Schock noch einmal sehr groß, nicht nur für Axel und Oskar, die so gut wie nichts über die Welt außerhalb der Mensa wissen, in der sie geschlagene zehn Monate eingesperrt waren, sondern auch für den Zuschauer. Hier wird ein Bogen zur ersten Staffel geschlagen, wo der Zuschauer lernte, dass in Ricks Krankenhaus die Menschen erschossen wurden, obwohl sie nicht krank waren. Hier im Gefängnis wurden die Gefangenen regelrecht hingerichtet. Sie liegen mit auf dem Rücken gefesselten Händen in den Zellentüren und haben alle einen Kopfschuss erlitten. Was erst einmal sehr brachial und unmenschlich erscheint, sind die Opfer offensichtlich vollkommen hilflos gewesen, ist für die Gruppe ein Gewinn. So gibt es weniger Beißer, um die sie sich kümmern müssen.

Familie Grimes

War in der vergangenen Episode schon deutlich, dass Carl nun viel erwachsender und selbstbewusster ist, wird in #3.02 Sick deutlich, wie sehr er sich von seiner Mutter abgewandt hat. Während sie nicht sehen will, wie gut Carl mit der neuen Welt zurecht kommt, ist sie völlig alleine. Sie kann sich gegenüber Carl nicht behaupten, sodass Beth ihm sagen muss, dass man so nicht mit seiner Mutter redet. Auf der anderen Seite hat Lori nicht nur die Sorgen um ihren Sohn zu tragen, sie scheint die Sorgen aller auf den Schultern zu haben. Nach Hershels Ankunft fragt sie ihren Mann aus, was es mit den Insassen auf sich hat. Sie spricht ihn von jeder Schuld frei und gibt ihm Absolution zu tun, was zu tun ist, damit sie Gruppe sicher bleibt. Später, als Hershel wieder erwacht, greift er nach Ricks Hand. Ricks Reaktion an der Stelle ist sehr interessant. Erst ergreift er als Anführer, offensichtlich gequält von Schuldgefühlen, dass er Hershel das Beim abhacken musste, seine Hand und sobald er in seinem Blick Dank entdeckt, gibt er die Hand weiter und ergreift die Flucht. Er flüchtet zu Lori, der einzigen Person, der er sich öffnen kann. Die Lücke zwischen den beiden ist gewaltig, obwohl sie sich so nahe stehen. Rick fasst ihr auf Distanz an die Schulter und sagt, dass ihr alle dankbar sind, für das, was sie getan hat, um Hershel zu retten. Er sagt "wir", nicht "ich". Er steht sich selbst im Weg, um die Wogen zu Lori zu glätten, obwohl er sich offensichtlich nach ihr sehnt. Es ist bald so, als hätte er Monate über sie gewacht, ihr den Großteil seiner Essensration gegeben, sie aber nicht einmal richtig gesehen. Er will so gerne bei ihr sein, weiß aber nicht wie. Die Kluft zwischen ihnen ist so groß, dass sie nicht wissen, wie sie über sie hinweg kommen sollen, noch wollen sie mit ihr leben. Lori spricht es ganz deutlich an, dass sie gehofft hatte, sie würden nun über ihre Ehe sprechen. Doch Rick ergreift nur ihre Schulter, bedankt sich und geht dann fort. Lori bleibt alleine zurück.

Der Scham zwischen den beiden ist riesig. Doch ich will und kann die Hoffnung nicht aufgeben, dass Rick und sie es schaffen, über ihre Schatten zu springen und wieder zueinander finden, und nicht nur des ungeborenen Kindes wegen. Ich glaube, dass jeder, den Rick töten muss, um die Gruppe in Sicherheit zu halten, auf seinem Gewissen lastet, sogar Tomas. Er sucht Erlösung bei Lori, wo er sie aufgrund der gegenseitigen Gefühle aber nicht finden kann. Ebenso wie Lori versucht bei jeder Gelegenheit ihre Schuld, dass sie mit Shane geschlafen hat und das Baby womöglich von ihm ist, zu begleichen. Doch solange beide ihre eigenen Schuld tragen, wird eine Versöhnung schwierig. Nun endlich gab es aber einen ersten Schritt in die Richtung.

Fazit

Diese Episode entschädigt für den durchwachsenden Staffelstart großartig. Sie zählt für mich zu den weit besten Episoden der Serie bisher. Trotzdem gibt es gerade bei Hershels Behandlung und Carols Reaktion so vieles, das mich irritiert und das ich unlogisch finde, dass ich einfach nicht die volle Punktzahl vergeben kann.

Jamie Lisa Hebisch - myFanbase

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