Bewertung

Review: #5.13 Vergessen

Foto: Andrew Lincoln, The Walking Dead - Copyright: Gene Page/AMC
Andrew Lincoln, The Walking Dead
© Gene Page/AMC

Es fühlt sich momentan so an, als sehe man eine komplett andere Serie. Zwar sind noch immer familiäre Gesichter das Zentrum der Geschichten, doch die Situation, in der sie sich befinden, hat sich so stark verändert, dass es schwer fällt zu glauben, man sieht die gleiche Serie wie noch vor drei oder vier Episoden, als unsere "Helden" jeden Tag mit der Gefahr lebten, in der neuen, grausamen Welt umzukommen.

"This... is not real."

Es ist eine nette Abkehr von der Erzählweise, wie Scott M. Gimple sie über die letzten beiden Staffeln etabliert hatte, doch wie die Charaktere selbst habe ich noch immer Probleme mich in den Geschichten zurecht zu finden.

Sasha zum Beispiel. Ich kann ihren Schmerz über den Verlust ihres Freundes und ihres Bruders gut verstehen. Auch ihr Unverständnis, dass die Leute in Alexandria so tun, als gäbe es die Welt draußen vor den Toren nicht, doch ich kann mich mit ihr komischerweise nicht identifizieren. Das liegt beim besten Wille nicht an Sonequa Martin-Green, die die innere Zerrissenheit von Sasha unglaublich intensiv darstellt. Vielmehr liegt es daran, dass ich mit dem Charakter nie richtig warm werden konnte, einfach weil mir als Zuschauer nie richtig die Gelegenheit dazu gegeben wurde, sie kennen zu lernen. So sind ihre Szenen, in der sie sich im Wald den Beißern quasi selbst anbietet, durchaus stark inszeniert, aber vollkommen bedeutungslos, weil sie für den Zuschauer kein Identifikationspotential bietet.

Da liegt auch die Krux der Serie im Moment. Es gibt einen zu großen, unübersichtlichen Hauptcast, dem man in den letzten zwei Staffel nicht gerecht werden konnte. Bestes Beispiel neben Sasha ist wohl Abraham Ford, der nur zwei kurze Szenen in der Episode hat, die jedoch so belanglos sind, so dass man sich jedes Mal dabei ertappt, überrascht zu sein, ob der Tatsache, dass es ihn ja auch noch irgendwo gibt. Gleiches gilt für Noah oder auch Tara, letztere wart diese Woche gar nicht gesehen, wie auch Eugene oder Gabriel, den man innerhalb der Mauern von Alexandria noch überhaupt nicht zu Gesicht bekommen hat. Auch die Auftritte von Maggie und Glenn sind absolut ohne interessante neue Impulse. Man fügt sich in die neue Gemeinde und versucht, möglichst wenig anzuecken.

Dass man sich im Moment eher auf die Charaktere konzentriert, die schon eine lange Zeit die Serie begleiten, ist ob der neuen Situation durchaus verständlich. Zu viele neue Gesichter drängen sich in die Episoden, so dass es gut daran tut, sich auf ein paar Protagonisten zu fokussieren.

"One morning you'll wake up... and you won't be in your bed." "Where will I be?" "You'll be outside the walls far, far away tied to a tree. And you'll scream and scream because you'll be so afraid. No one will come to help because no one will hear you."

Betrachtet man die Geschichten rund um Carol, Daryl und Rick, so werden hier interessante Weichen für die kommenden Episoden gelegt und sehr interessant mit der Tatsache gespielt, dass es in Alexandria nicht die Fremden sind, die ihnen gefährlich werden können, sondern sie selbst.

Carol hat eine Szene, in der sie in das Waffenlager Alexandrias einbricht und von einem kleinen Jungen dabei ertappt wird, da läuft es einem kalt den Rücken hinunter. Sie droht dem Jungen ohne mit der Wimper zu zucken damit, ihn an die Beißer zu verfüttern, sollte er sie an seine Mutter verraten. Die Szene steht im krassen Kontrast zu der in Interaktion mit den Bürgern Alexandrias fast schon bieder agierenden Carol, die sich als Heimchen am Herd präsentiert, das von starken Männern beschützt werden will und muss. Es ist Wahnsinn, Carol so unsicher und verletzlich zu erleben, einfach weil man sie mittlerweile ganz anders kennt und weiß, dass sie im Notfall tut, was getan werden muss (man erinnere sich nur an den Mord an Karen).

Ähnlich gruselig wie Carol wirkt in manchen Szenen auch Rick. Am Ende der Episode, als er an dem Zaun entlang läuft und fast schon mit einem Lächeln zur Kenntnis nimmt, dass dahinter ein Beißer zu sein scheint, ist eine absolut gruselige Szene, weil in diesem Moment nicht klar wird, was Rick im Kopf herum schwirrt. Freut er sich, dass er recht behält und Deanna und ihre Leute tatsächlich die Situation außerhalb Alexandrias unterschätzen?

Rick versucht sich vordergründig in die Gemeinschaft zu integrieren und beginnt auf der Party sogar mit Jessie zu flirten, der netten Dame, der ihm die Haare geschnitten hat. Es wirkt befremdlich, Rick in ihrer Gegenwart so gelöst zu sehen und man ist dann verwundert, als er in seiner Uniform auf offener Straße plötzlich mit dem Gedanken zu spielen scheint, seine "Dienstwaffe" zu zücken und ihren Mann nieder zu schießen. Es ist eine unerwartete und vor allem sehr skurrile Szene, die einmal mehr in Frage stellt, was Rick wirklich im Schilde führt und ob am Ende nicht unsere Gruppe das Problem Alexandrias werden könnte.

"The longer they're out there, the more they become what they really are."

Eine wie gewohnt richtig gute Geschichte erhält auch Daryl, der sich langsam aber sicher seinen Platz in Alexandria sucht. Noch immer versucht er, den anderen aus dem Weg zu gehen und sich nicht anzupassen. Am stellt ihm schließlich Aaron zur Seite, der den Anschein macht, als fühle er sich in der Gemeinschaft von Alexandria auch nicht immer wohl. Dass es nur auf seine Homosexualität geschoben wird, finde ich schade und vor allem sehr, sehr oberflächlich. Dennoch ist es interessant zu sehen, wie er und Daryl sich über die Jagd draußen vor den Toren langsam annähern.

Am Ende ist Daryl sogar so weit, dass er seinen Platz gefunden zu haben scheint: als Rekrutierer für Alexandria, was ihn zwangsweise immer wieder nach draußen vor die Tore führen wird, eventuell sogar mit einem neuen Motorrad, das er sich zusammenbauen muss. Es ist eine wirklich starke Storyline, nicht nur weil sie etwas Action in die ansonsten sehr spannungsarme Episode bringt, sondern weil sie auch zwei ungleiche Charaktere zu vereinen scheint, die man nicht wirklich auf dem Schirm hatte.

Randnotizen

  • Rick, Daryl und Carol finden an der Hütte einen Beißer, der auf seiner Stirn ein W trägt. In Noahs ehemaliger Gemeinde sah man schon einmal, so dass ich mir sicher bin, dass es bis zum Ende der Staffel noch einmal thematisiert werden wird und wir erfahren werden, was dahinter steckt.
  • Michonne hängt ihr Schwert an die Wand und mit ihm einen Teil ihrer Vergangenheit. Es sollte eine starke Szene werden, aber irgendwie mag sie nicht so recht zünden. Woran das liegen mag, vermag ich gar nicht recht zu sagen. Aber am Ende interessiert es mich einfach nicht.
  • Wo ist eigentlich Enid hin, das unheimliche, wortkarge Mädchen "von draußen", das Carl so fasziniert hatte. Spurlos verschwunden. Es reicht nicht, dass der Hauptcast so groß ist, dass man kaum allen Charakteren gerecht werden kann, nun kommen noch eine Menge sekundäre Charaktere hinzu, die allesamt im Moment noch wie Kanonenfutter für spätere Konflikte wirken.

Fazit

An die ruhige Erzählweise an einem festen Ort muss der Zuschauer sich noch gewöhnen. Momentan wirkt alles wie die Vorbereitung auf ein großes Ereignis, das sich jetzt im Moment jedoch noch nicht einmal ansatzweise am Horizont abzeichnet. Das ist durchaus interessant. Nur sollte man es nun schaffen, die Charaktere besser zu integrieren und nicht aufs Abstellgleis zu schicken.

Melanie Wolff - myFanbase

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