Bewertung

Review: #6.01 Herdentrieb

Foto: Andrew Lincoln, The Walking Dead - Copyright: Gene Page/AMC
Andrew Lincoln, The Walking Dead
© Gene Page/AMC

Die sechste Staffel startet mit einer interessanten Auftaktfolge, die uns in den ersten Minuten glatt in medias res wirft und schnell klar macht, dass so vieles anders ist und sich doch nichts geändert hat. Unsere "Helden" stehen vor einer neuen Herausforderung und müssen um ihr Leben und ihre neue Heimat Alexandria kämpfen, was zu einer Reihe spannender, actiongeladener Szenen führt. Doch so imposant der Kampf gegen die Beißermassen auch inszeniert ist, es sind die Szenen, die uns direkt zu den Momenten im Anschluss an die Ereignisse aus Staffel 5 führen, die am stärksten zu überzeugen wissen.

"I don't take chances anymore."

Die lauten, grellen Bilder der Haupthandlung, die eine unbestimmte Zeit nach der verheerenden Gemeindeversammlung spielt werden kontrastiert von in schwarz-weiß gehaltenen Rückblenden, in denen die Bewohner Alexandria mit den Nachwirkungen der Ereignisse um Pete und Reg kämpfen müssen.

Rick hat erst einmal das Regiment in Alexandria genommen und Deanna lässt ihn gewähren. Zu tief sitzt bei ihr der Schock darüber, dass Rick tatsächlich Recht hatte und Pete zu einem ernsthaften Problem für die Gemeinschaft werden könnte. In der Folge der grausamen Dinge, die sie durchleben musste, ist es vollkommen verständlich, dass sie ihn gewähren lässt, immerhin ist genau das eingetreten, was er prophezeit hatte.

Es sind Maggie und Glenn, die erkennen, dass es wichtig ist, Deanna jetzt erst einmal den Rücken frei zu halten, um sie dann wieder als Anführerin der Gemeinde zu fungieren. Jedenfalls ab dem Zeitpunkt, an dem klar ist, dass Alexandria vorerst sicher ist. Denn als Rick und Morgan gerade dabei sind, die Leiche von Pete im Wald zu vergraben, da stoßen sie auf eine riesige, mit Unmengen an Beißen gefüllte Grube, die eine Erklärung dafür gibt, warum Alexandria bislang so wenig Probleme hatte. Zwei taktisch gut platzierte LKWs versperrten für die Beißer den Weg in Richtung Alexandria, so dass dort sich über die Zeit hinweg eine gigantische Herde ansammeln konnte, die jedoch nicht weiter kam als bis zu diesem Punkt – jedenfalls solange die Schlepper an Ort und Stelle verharrten.

"I know it's how it is.."

Dass es früher oder später zur Katastrophe kommen musste, war klar und glücklicherweise kann Rick mit einem Plan aufwarten, die Beißer von der Gemeinde weg zu locken. Nicht jeder ist mit diesem Plan einverstanden, doch Rick lässt zu diesem Zeitpunkt keine Diskussionen zu und schon gar keine Einwände gegen sein Vorhaben.

Immer wieder wird dem Zuschauer klar gemacht, dass Rick sich auf einem gefährlichen Pfad befindet. Natürlich will er die Gruppe beschützen und sicher gehen, dass aus seiner "Familie" niemand stirbt. Er zögert jedoch nicht, dafür zur Not auch über die Leichen anderer zu gehen, die ihm dabei im Weg stehen. Töte, ehe du getötet wirst ist sein Motto und jedem, der sich ihm widersetzt, ist ein potentielles Problem für die Gruppe.

Natürlich hat Rick Recht, wenn er sagt, dass sie sich keine Schwächen erlauben können, aber ein guter Anführer zeichnet sich dadurch aus, dass er Probleme erkennen und lösen sollte, durch beherztes Eingreifen und Weitsicht. Rick ist jedoch längst an einem Punkt angekommen, an dem er einfach nicht mehr diskutieren will. Und solange er mit seinen Befürchtungen wie im Falle des in der Folge plötzlich aufgetauchten (und bald schon wieder verschwundenen) Carters Recht behält, sieht er für sein Handeln einen Freifahrtschein.

Als Rick zugibt, dass er kurz davor war, Carter zu töten, als dieser sich mit einer Gruppe aus Alexandrias im Geheimen trifft, um einen Plan zu schmieden, Rick auszuschalten, da erkennt man, dass Ricks dunkle Seite immer mehr die Kontrolle über ihn übernimmt. Natürlich wird man nicht soweit gehen, ihn zu einem echten Antihelden werden zu lassen, aber es ist interessant zu sehen, wie ambivalente er momentan gezeigt wird. Man kann seine Position nachvollziehen, doch damit einverstanden ist man selbst als Zuschauer nicht mehr wirklich.

Eine wirklich gute Idee war daher, Morgan Jones mit dem Cast zu vereinen. Er hat einen ungetrübten Blick auf Rick und erkennt binnen weniger Gespräche, dass Rick selbst für viele Bewohner Alexandrias zu einer großen Gefahr werden könnte. Er hält sich mit Kritik jedoch stark zurück. Er beobachtet, bekräftigt seine Entscheidungen ohne ihm jedoch wirklich zuzustimmen, weil er erkennt, dass in einer Situation wie dieser, er sich besser zurückhalten sollte. Es ist wie es ist, sagt er kurz vor dem Ende zu Michonne, nachdem Rick nicht zögert, Carter, der von einem Beißer ins Gesicht gebissen wurde, das Leben zu nehmen. Michonne pflichtet ihm bei und es wird klar, dass auch sie Zweifel daran hat, dass Ricks Methoden wirklich immer das Richtige sind. Es ist glasklar, dass hier für spätere Episoden der Grundstein für einen interessanten Konflikt zwischen Morgan und Rick gelegt wird.

Randnotizen

Die großen Ereignisse rund um Rick und die Beißerhorde sind nicht die einzigen spannenden Dinge, die in der Folge passieren. Es gibt viele kleine Szenen, allen voran in den Flashbacks, die Situationen aufarbeiten und ein gutes Gefühl verbreiten. So ist beispielsweise das Treffen von Tara und Eugene wirklich herzerwärmend, das Gespräch zwischen Tara und Maggie später in der Episode, als es darum geht, darüber zu entscheiden, ob es richtig ist, Nicholas eine zweite Chance zu gehen, ehrlich und pragmatisch.

Es sind viele kleine Dinge, die hier Hand in Hand greifen und vollkommen überzeugen können.

  • Die neu entstehende Freundschaft zwischen Abraham und Sasha ist interessant zu beobachten. Zwei Menschen, die mit dem Leben eigentlich abgeschlossen haben, versuchen sich hier gegenseitig neuen Mut zu schenken, weiter zu machen.
  • Glenn und Nicholas arbeiten zusammen, trotz allem was zwischen ihnen passiert ist. Glenn hat ihn zwar noch immer unter Beobachtung, doch er sieht, dass Nicholas verstanden hat und dabei ist, Wiedergutmachung leisten zu wollen
  • Daryl auf dem Motorrad.
  • Carol, wie sie weiterhin versucht, das unschuldige Lämmchen zu spielen, dabei jedoch von Morgan im Nu durchschaut wird.
  • Morgan, der Michonne fragt, ob sie ihm damals einen Erdnussschokoriegel geklaut hat, als sie ihn das erste Mals ah.
  • Das Horn, das plötzlich ertönt, als alles in trockenen Tüchern scheint und hunderte von Beißern nach Alexandria lockt.

Es funktioniert erstaunlich viel in dieser Auftaktepisode und nur kleine Dinge trüben den Gesamteindruck etwas. Beispielsweise Ricks ungeschickte Annäherungsversuche an Jessie, deren Mann er gerade ums Eck gebracht hat und damit nicht nur sie, sondern auch ihre Kinder traumatisiert hat. Es ist zwar gut, dass sie ihn abweist, wo doch so klar ist, dass er weiterhin Interesse an ihr hat, doch mir ist ihre Zurückweisung nicht vehement genug. Sie zieht keine klare Linie, so dass eine später Romanze nicht ausgeschlossen werden kann.

Fazit

Letztendlich sind es Kleinigkeiten, die ein wenig ärgern. Im Großen und Ganzen bietet der Auftakt von Staffel Sechs jedoch einen interessanten Einstieg in die kommenden Episoden. Ich für meine Belange freue mich auf das, was noch kommen mag – der Feind in den eigenen Reihen (wenn es Ron war, der das Horn betätigt hat) oder der Feind, den man nicht kennt (die Wölfe, wenn sie es waren, die das Horn betätigt haben). Es wird spannend werden, keine Frage.

Melanie Wolff - myFanbase

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