Review: #5.16 Herrsche
Hätte man mich direkt nach dem Finale gefragt, wie ich die Folge finde, ich hätte geantwortet, ich bin furchtbar enttäuscht. Kaum spannende Szenen, viel zu viel Zeit mit uninteressanten Charakteren vergeudet und absolut kein atemraubender, schockierender Cliffhanger, der irgendwie das Interesse an der kommenden Staffel wecken würde. Mit ein wenig Abstand muss man sagen, dass das Finale tatsächlich recht wenig von einem Abschluss hat, sondern eher als Anfang für eine neue Geschichte dient, die momentan allerdings noch nicht überzeugen kann.
"You're gonna find yourself in a place where it's like how it used to be. And if you let too much go along the way, that's not gonna work. 'Cause you're gonna be back in the real world."
Rick muss sich verständlicherweise für seinen gewalttätigen Nervenzusammenbruch rechtfertigen und sich mit der Möglichkeit auseinandersetzen, ins Exil geschickt zu werten. Dass es soweit nicht kommt, war eigentlich von vornherein klar. Am Ende übernimmt er quasi die Führung in Alexandria, nachdem Deanna schmerzlich erkennen muss, dass Rick wohl oder übel Recht hatte – mit allem, übrigens. Aufgrund eines absolut selten dämlichen Zufalls bleibt ein Tor der Safe Zone offen und einige Beißer schaffen es ungesehen in die Siedlung. Das ist aber noch nicht einmal das schlimmste, denn durch die Zombies kommt dieses Mal kein einziger Charakter zu Schaden. Vielmehr behält Rick Recht damit, was Pete betrifft.
Dass es noch einmal zu einer Konfrontation kommen würde, war absehbar, doch dass sie derartige Folgen nehmen würde, dann doch nicht vorhersehbar. Deanna bekommt zu spüren, was Rick und die anderen längst geahnt haben. Vor den Augen der gesamten Gemeinde, schlitzt Pete mal eben dem herzensguten Reg die Kehle auf und befördert ihn auf spektakuläre Weise ins Jenseits. Der Schmerz über den Verlust ihres Mannes sitzt so tief bei Deanna, dass sie Rick anfleht, sofort zu handeln. Rick zögert nicht lange und tötet Pete mit einem gezielten Kopfschuss.
Es ist eine intensive Szene, in der vor allem Andrew Lincoln richtig überzeugen kann. Von dem durchgeknallten Irren der letzten Folgen ist hier nicht mehr viel übrig. Er übernimmt Verantwortung für die Gruppe, für seine Familie, wie Maggie es zwischendurch ausdrückte und tut, was niemand anderes kann. Natürlich zeigt sich hier, wie kalt und gnadenlos Rick Grimes geworden ist. Doch noch immer stellt sich die Frage, ob es in einer Welt wie dieser einfach nicht mehr anders geht. Moral und Ethik treten hinter dem puren Wunsch nach Überleben zurück in einer Welt, in der nunmehr nur der Stärkere überlebt und für Mitleid kein Platz mehr ist.
Dass nicht alles so schwarz/weiß ist, zeigt allerdings der Auftritt von Morgan Jones. Schön, dass man ihn so prominent in die Episode integriert hat, nachdem er über die Staffel schon kleinere Auftritte hatte. Er versucht sich ein gewisses Maß an Ethik zu bewahren und handelt nach dem Motto, dass jeder eine zweite Chance verdient hat und jedes einzelne Leben zählt. Er kann, wenn es darauf ankommt, jedoch erkennen, wann jemand für seine Art und Weise zu Überleben, nicht zugänglich ist und zur Not auch Handeln, um sich selbst zu schützen, doch in den wenigen Szenen mit ihm wird klar, dass er noch lange nicht an dem Punkt angekommen ist, an dem er Rick Grimes wiederfindet.
Das Aufeinandertreffen zwischen Morgan und Rick ist kurz, aber fantastisch, denn man sieht Morgan die Fassungslosigkeit an, als er beobachtet, wie Rick seine Waffe zieht und einen Menschen kaltblütig ohne mit der Wimper zu zucken tötet. Zwischen den beiden wird es wohl eine Menge Gesprächsbedarf geben und ich bin gespannt, wie man Morgan in die Geschichte integrieren wird.
Dass Morgan frischen Wind in die Serie bringen wird, konnte man in den wenigen Szenen mit ihm bereits erahnen. Er ist eine Mischung aus Rick und Michonne, mit einer unglaublichen Geduld, aber auch einer ungeheuren Brutalität, wenn es sein muss. Er scheint sein emotionales Tief, seine Trauer und seinen ganz persönlichen Wahnsinn hinter sich gelassen zu haben und ich bin gespannt, ob man auf seine Geschichte noch etwas näher eingehen wird.
"This is the real world, Bob." "Nah, this is a nightmare. And nightmares end."
Auch Carol hatte in dieser Episode einmal mehr richtig gute Szenen. Ihre Konfrontation mit Pete war unglaublich eindringlich und man hat wieder einmal gesehen, wie sehr sich Carol seit Beginn der Serie verändert hat. Was ihr bei ihrem Mann Ed verwehrt geblieben war, kann sie nun bei Pete nachholen. Ihre ruhige Art und Weise, wie sie mit ihm spricht, ist fast schon ein wenig Angst einflößend, aber gegenüber einem Mann wie Pete absolut gerechtfertigt. Für sie bedeutete die Apokalypse mittlerweile fast schon eine Befreiung aus ihrem früheren Leben, das von Gewalt und Erniedrigung geprägt war. Natürlich hat sie auf dem Weg hierhin Opfer bringen müssen und ihr Kind zu Grabe getragen, doch sie ist eine der wenigen Charaktere, die absolut gestärkt aus der ganzen Situation hervor kommen.
Michonne hat ebenfalls überzeugen können. Schön, dass sie sich nicht gegen Rick gewendet hat, sondern ihn am Ende der letzten Episode nur niedergestreckt hat, um ihn selbst vor Schaden zu bewahren. Es ist nachvollziehbar, dass sie gekränkt ist, als Rick ihr gesteht, dass er und Carol Waffen gestohlen haben, aber sie ist vernünftig genug, sich Ricks Erklärungen anzuhören und kann diese auch bis zu einem gewissen Grad verstehen. Am Ende muss sie erkennen, dass Rick leider mit seinen Befürchtungen Recht hatte und Alexandria nicht ein letztes Paradies auf Erden ist, das ohne Verteidigungsstrategie gegen die Gefahren von Außen auskommt. Sie müssen zusammenarbeiten, dann stehen die Chancen jedoch gut, dass sie alle hier zur Ruhe kommen können.
"Listen, I saw you with your group out there on the road. Then you went off on your own by the barn. Storm hit and you led your people to safety. That's it."
Damit etwas Action in die Episode kommt, verfolgt man auch Daryl und Aaron weiter. Diese treffen unverhofft wohl auf den Antagonisten der kommenden Staffel – die Wölfe. Wer sich hinter der mysteriösen Gruppierung verbirgt, ist noch nicht klar. Vielleicht haben sie etwas mit den ins Exil geschickten Personen zu tun, die Aaron immer wieder erwähnt. Vielleicht handelt es sich auch um jemand ganz anderes. Ich bin schon gespannt, wie diese sich präsentieren werden… die Falle, die sie aufgestellt haben, zeugt jedenfalls schon von einer gewissen Ruchlosigkeit und Brutalität und da sie am Ende quasi eine Einladung nach Alexandria bekommen (in Form des Rucksacks von Aaron), wird es nur eine Frage der Zeit sein, bis sie vor die Tore der Gemeinde ziehen und dort für mächtig Ärger sorgen.
Die Gespräche zwischen Aaron und Daryl sind fantastisch, denn sie lassen vor allem Einblick in Daryls Seelenleben zu. Er tut sich immer noch schwer, sich in Alexandria zurecht zu finden und glaubt, dass er nach draußen gehört, weit weg von Normalität, schönen Häusern und belanglosen Gesprächen. Er sieht sich als einsamen Wolf, der besser daran tut, alleine durch die Gegend zu streifen. Aaron erkennt jedoch, dass Daryl zwar nicht müde wird, dies immer und immer wieder zu thematisieren, er im Herzen jedoch die anderen als seine Familie sieht, die es zu beschützen gilt. Daryl tut sich verständlicherweise schwer damit, vor allem nachdem er Beth verloren hat, die einzige Person, der er sich neben Carol wirklich anvertraut hat. Doch er kann nicht leugnen, dass ihm die andren am Herzen liegen und er sich zur Not auch für sie opfern würde, wenn es darauf ankommt.
"They died. They all died because of me."
Leider ist nicht alles so interessant wie die Geschichte um Rick oder Daryl. Es gibt zwischen den wirklich tollen Parts leider eine Menge Leerlauf in der Folge. Wiederholt müssen hier die Geschehnisse um Sasha kritisiert werden, die in einem Fall von schwerer posttraumatischen Belastungsstörung sich zu einem Haufen Beißer legt und auf ihren Tod wartet. Natürlich ist die Szene optisch hervorragend, doch sie lässt den Zuschauer weiterhin absolut kalt.
Auch Gabriel nervt weiterhin mit seinem Gejammer und Gezeter. Was sollte die Szene, in der er auf der Straße im Wald zwei Beißer tötet und dann anschließend jämmerlich weinend zusammenbricht?!? Warum lässt er das Tor absichtlich offen und bringt damit alle in Gefahr, nachdem er zuvor Rick bei Deanna angeschwärzt hat?!? Seine Charakterzeichnung ist so rudimentär, dass es schwer ist, seine Beweggründe nachzuvollziehen. Daher ist es mir auch egal, als er später vor Maggie zusammenbricht und jammert, dass er am Tod so vieler Menschen Schuld trägt. Auch der kurze Kampf zwischen Sasha und Gabriel ist absolut überflüssig und ich hoffe, dass die beiden mit Maggies Hilfe endlich über ihr Trauma hinweg kommen können oder aber endlich den Mumm haben, ihrem Leben ein Ende zu setzen, so hart das jetzt klingen mag. Man wünscht niemandem den Tod, aber so langsam sind ihre Geschichten nicht nur redundant und uninteressant, sondern ärgerlich, da durch sie anderen Geschichten die Zeit genommen wird.
Überflüssig war auch die ganze Sache um Glenn und Nicholas. Hier ging es einzig und alleine darum, einen Hauptcharakter in Gefahr zu bringen und dem Zuschauer aufzuzeigen, dass niemand vor dem drohenden Tod sicher ist. Dass man sich am Ende nicht dazu durchringen kann, Glenn sterben zu lassen, ist die richtige Entscheidung, denn in dieser Staffel gab es genug Opfer zu beklagen. Eine Episode ist auch nicht immer dann besonders gut, wenn man der Schockwirkung wegen einen Charakter opfert. Von daher: Alles richtig gemacht in einer absolut sinnfreien Geschichte.
Randnotizen
- Es gibt eine kleine Szene zwischen Abraham und Eugene, in der die beiden ihr Kriegsbeil begraben und eine interessante Geschichte damit ad acta legen. Schön, weil sie hier an dieser Stelle ehrlich wirkt.
- Tara lebt noch und macht kurz vor dem Ende nochmal die Augen auf. Nicht, dass man sie im Finale irgendwie vermisst hätte, aber schön, dass sie noch da ist.
- Einen kurzen Augenblick hatte ich Angst um Glenn, nämlich als er Maggie seine Liebe gestanden hat. Da bin ich doch glatt in die Falle der Autoren getappt und hab mich von den gängigen Stereotypen beeinflussen lassen, dass wenn jemand solch eine Szene bekommt, er in absehbarer Zeit dran glauben muss. Haben mich die Autoren ganz schön dran gekriegt.
- Grandiose musikalische Untermalung am Ende und vor allem grandios der Voice Over von Bob Stookey. Ich hatte Gänsehaut.
- Austin Nichols ist leider chronisch unterbeschäftigt und hat keine einzige gute Szene. Wirklich schade.
- Carl kam auch in der Episode vor. Punkt.
Fazit
Noch immer wirkt das Staffelfinale auf mich eher wie der Auftakt der kommenden Season. Es fehlt trotz guter Ansätze die erwartete Spannung und auch ein wenig lebensbedrohliche Action. Vielmehr scheint es, als hätten die Autoren ihr Pulver schon im ersten Teil der Staffel verschossen und erst am Ende gemerkt, dass es länger braucht, um den neuen Handlungsort Alexandria zu etablieren. So ging ihnen am Ende einfach die Episoden aus, um etwas grandioses und phänomenales für den Abschluss der Staffel auf die Beine zu stellen. Das ist zwar ärgerlich, aber durchaus zu verschmerzen. Ich freue mich auf jeden Fall auf die kommenden Episoden. Und bis es im Oktober soweit ist, vertreiben wir uns mit "Fear the Walking Dead" den Sommer.
Melanie Wolff - myFanbase
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Informationen zur Episode
Englischer Titel: ConquerErstausstrahlung (US): 29.03.2015
Erstausstrahlung (DE): 08.11.2015
Regie: Greg Nicotero
Drehbuch: Scott M. Gimple & Seth Hoffman
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