Review: #2.03 Déjà Vu
Der Duden definiert ein Déjà-vu als eine Erinnerungstäuschung, bei der der Eindruck entsteht, gegenwärtig Erlebtes in gleicher Weise schon einmal erlebt zu haben. Wahrscheinlich hatten wir alle schon einmal dieses Gefühl in einer Situation, die uns vertraut vorkam. Wobei ich persönlich nicht von einer Erinnerungstäuschung sprechen will, sondern lieber von einer Analogie oder einer Übereinstimmung mit einer bereits erlebten, vergleichbaren Situation. "This Is Us" nutzt dieses Stilmittel regelmäßig, vornehmlich in der Erzählung vergleichbarer Geschichten in der Gegenwart und den Flashbacks. Das ist auch in dieser Folge wieder der Fall, bekommt jedoch einen zusätzlichen Twist im namentlichen Sinn und eröffnet zugleich eine weitere, bereits im Staffelauftakt genutzte Zeitebene, die somit erneut die Rückkehr eines geliebten Charakters ermöglicht.
"That sweet, sweet déjà-vu feeling."
Es ist unklar wie viel Zeit seit dem familiären Setbesuch beim Dreh von "The Manny" vergangen ist, angesichts der nun bereits anstehenden Pflegschaft von Randall und Beth dürften aber doch schon ein paar Wochen vergangen sein. Ansonsten würde es mir persönlich in dieser Handlung auch viel zu schnell voran gehen. Wir reden zwar nicht mehr über eine Adoption, aber auch der Bewerbungsprozess einer Pflegefamilie dürfte eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen. Zumindest wäre es in der Realität den betreffenden Kindern zu wünschen, dass ausgewählten Familien zuvor auch auf Herz und Nieren geprüft wurden. Im Fall von Randall und Beth muss man sich aber sicher keine Gedanken machen. Das verdeutlicht einmal mehr schon allein Randall mit seinen einfühlsamen und herzlichen Worten an Déjà, die wohl von nun an den Haushalt der Familie Pearson bereichern wird. In "This Is Us"-typischer Manier, und das meine ich völlig wertneutral, wird hier eine schöne Parallele der Kindheit von Randall mit der von Déjà gezogen. "My whole childhood I felt split inside." Randalls Worte funktionieren und werden gleichzeitig auch auf mehreren Erzählebenen inszeniert. Während er in der Gegenwart Déjà zu beruhigen versucht und ihr aufzeigt, dass sie beide mehr gemeinsam haben, als sie womöglich beim ersten Anblick dieser aus ihrer Sicht fremden Familie denken mag, wird uns zugleich im Flashback genau diese innere Zerrissenheit von Randall nähergebracht. Es ist wohl das erste Mal, dass wir Randall dabei erleben, wie er sich seinen Geschwistern anvertraut und darüber berichtet, wie er sich quasi täglich mehr oder weniger danach sehnt, seine leiblichen Eltern und damit seine eigene Herkunft zu finden. All das zudem in dem Wissen, dass es ihm bei seiner Adoptivfamilie mehr als gut geht und es ihm an nichts mangelt. Das zuvor bereits gezeigte Aufeinandertreffen mit seiner vermeintlichen Mutter zeigt jedoch auch, wie sensibel er mit dem Thema umzugehen weiß und ein gutes Gespür dafür entwickelt hat, wer es ernst mit ihm meint. Das ist letzten Endes natürlich auch ein Verdienst der Erziehung von Rebecca und Jack. Aber zurück in die Gegenwart, wo Déjà doch überraschend schnell einen Zugang zur Familie findet. Dabei gefällt mir besonders die Herangehensweise der Autoren, indem sie Déjà einen Schritt auf Tess und Annie zugehen lassen, die wiederum Déjà auch bereitwillig aufnehmen. Ich hätte auch gut damit leben können, wenn Randall und Beth nicht per Babyphone Zeuge dieser Unterhaltung geworden wären, aber es verlieh der ganzen Szene noch eine zusätzliche, positive aufgeladene, emotionale Note. Der erneute Flashback in eine nicht zu weit zurückliegende Vergangenheit setzte dem ganzen noch das Krönchen auf und folgte genau diesem von mir genannten Kritikpunkt. So ist es nämlich die Unterhaltung von Annie und William, die eben nur zwischen den beiden bleibt und in der unbekümmerten, unschuldigen Weisheit von Annie gegenüber ihrem bis dato noch unbekannten Großvater eine großartige Kraft und Wirkung erzielt. Es freut mich sehr, dass es uns diese neue Zeitebene ermöglicht, Ron Cephas Jones auch weiterhin als William erleben zu dürfen und zu sehen, wie sehr ihn die ganze Familie in der kurzen Zeit in ihr Herz schließen konnte. So bleibt am Ende dieser Erzählstrangs für mich nur ein Kritikpunkt, dass mir die Annäherung der Familie und Déjà doch etwas zu schnell ging. Die Nachricht, dass sie ihre leibliche Mutter dieses Mal wohl nicht so schnell wird wiedersehen können, könnte diesen Prozess jedoch nun wieder etwas ausbremsen und würde der Figur Déjà auch sicher noch etwas mehr Tiefe verleihen. Ich bin mir sicher, der ein oder andere Konflikt wird hier sicher noch ausgetragen.
"Well you know, I'm not like you. We are different people. I don't need to walk around and be sad and damaged just because you are."
Ich mag das Zusammenspiel von Kate und Kevin nach wie vor unheimlich gerne. Die beiden funktionieren als Geschwister-Duo trotz ihrer vielen und nicht nur optischen Unterschiede einfach ganz hervorragend. Dabei ist es umso erstaunlicher, dass man die beiden in der Vergangenheit gar nicht so vertraut miteinander umgehen sieht, wie es in der Gegenwart der Fall ist. Einen ersten richtigen Eindruck davon, warum dies möglichweise so ist, bekommen wir nun in dieser Folge. Überraschenderweise war es mir bis zur Thematisierung selbst so gar nicht richtig bewusst, dass Kevin seinen Vater im Jetzt gar nicht zur Sprache bringt. Bislang kannten wir lediglich seine Abneigung gegen Miguel. Und wie es scheint, hat Jacks Tod bei Kevin eine Blockadehaltung ausgelöst, die dazu führte, dass er sich offenbar nie so recht mit diesem auseinandergesetzt hat und wenn, dann höchstens nur mit sich selbst und eben nicht mit Kate, die sonst seine Vertrauensperson Nummer eins ist. Nun ist es eben genau diese, die er so sehr und vor allem auch beleidigend mit seiner Reaktion auf ihr Gespräch mit Sylvester Stallone vor den Kopf stößt. Trotz seiner recht schnell erfolgten Entschuldigung hat er damit ein paar Sympathiepunkte bei mir eingebüßt. Ausgerechnet Kevin, der sonst so häufig und überraschend die richtigen Worte zu finden scheint, verletzt seine Schwester so unbedacht, wenn auch aus dem Affekt heraus. Gegenüber anderen Personen hätte ich das als typisch Kevin abgetan, in diesem Fall jedoch war ich persönlich von seinem Verhalten enttäuscht. Ich bin mir auch nicht sicher, ob Kate das so einfach weggesteckt hat, wie sie es am Telefon vorgegeben hat. Ihre an die Urne ihres Vaters gerichteten Worte "He's just like you" zeugen jedoch von Verständnis. Die Einbindung von Sylvester Stallone als Gaststar hätte es da für mich gar nicht gebraucht. Im Prinzip war mir das schon wieder zu konstruiert im Ablauf, dass Jack dann auch noch ein großer Sly-Fan gewesen sein soll. Am Ende kann ich jedoch gut damit leben, dass man Stallone im Prinzip nur als Mittel zum Zweck missbrauchte, um Kevins fehlende Bewältigung mit Jacks Tod zu thematisieren. Die Rückblickmontage im Rahmen der gedrehten Filmszene führte uns dies dann noch einmal anschaulich vor Augen. Dass dabei dann auch noch eine alte Verletzung von Kevin wieder aufbrach, mag uns einen neuen Anhaltspunkt dafür geben, warum seine Football-Karriere einst im Sande verlaufen ist und wird uns zukünftig hoffentlich auch noch zeigen, wie er sich daraufhin der Schauspielerei zuwandte. Die am Folgenende eingenommene Tablette galt hoffentlich nur dem Stillen des akuten Knieschmerzes und lediglich im übertragenen Sinn der Betäubung des Schmerzes über den Verlust des Vaters. Ich will da lieber gar nicht weiter darüber nachdenken, ob Tabletten auch im weiteren Verlauf noch eine Rolle spielen könnten. Das wäre kein von mir bevorzugter Handlungsfaden. Stattdessen würde ich lieber seiner Auseinandersetzung mit der schmerzenden Vergangenheit folgen und hoffe, dass nun bald das große Mysterium über die Todesursache zur Sprache kommt und damit andere Geschichten in den Vordergrund treten dürfen, von denen es sicher zahlreiche zu erzählen gibt.
"I wanna get back in the car because I miss talking to you and I'm not ready to stop yet."
Bleibt noch der letzte verbleibende Handlungsstrang um Jack und Rebecca: Wir sehen zunächst, dass Jacks Entzug die beiden trotz ihrer Unterstützung bisher noch nicht wieder zusammenführen konnte. Der Rat ihrer Freundin und Rebeccas Umsetzung geht zunächst nach hinten los. Wobei mir Ihr "I'm Jack Pearsoning you" durchaus ein Lächeln auf die Lippen zauberte und die Erinnerung an Jacks romantische Seite auferstehen ließ. Den Spieß einfach mal umzudrehen, war eine schöne Idee, der Zeitpunkt vielleicht nicht ganz glücklich im ersten Moment, aber in der weiteren Entwicklung der Handlung dann doch richtig gewählt, war es letztendlich doch ein Weckruf an Jack, die Hilfe und den Zuspruch seiner Frau ("You are the strongest person I know.") auch anzunehmen. Und da war sie am Ende auch wieder, diese uns bekannte Vertrautheit, die uns die Ehe der beiden über weite Strecken stets so perfekt erscheinen ließ, aber im Verlauf der ersten Staffel immer mehr Risse bekam. Jacks Eingeständnis ("You know it's a lot harder than I thought. Talking to you is a lot harder.") kann damit zugleich auch ein entscheidender Wendepunkt sein, der das Ehepaar zurück zu glücklicheren Zeiten führen wird. Die Vorstellung, dass die beiden zum Zeitpunkt von Jacks Tod im Streit für immer voneinander getrennt werden, scheint mir unglaublich brutal und traurig zugleich. Nun besteht jedoch Hoffnung auf eine, wenn wohl auch nur kurze, glückliche Wiedervereinigung.
Fazit
Auch wenn das Déjà-vu Wortspiel vielleicht etwas zu sehr und billig überzogen eingesetzt wurde, haben wir am Ende eine unter dem Strich deutlich überdurchschnittliche Folge zu Gesicht bekommen, die in typischer "This Is Us"-Manier gekonnt mit den Emotionen der Zuschauer spielte und mit Szenen, die zu Tränen rührten, aber auch ein Lächeln aufs Gesicht zaubern konnten, punktete. Dabei stach für mich insbesondere die Szene von Annie und William heraus. Zugleich konnte die Folge aber auch in der Inszenierung glänzen, indem beispielweise bei der Kameraführung Déjàs Perspektive eingenommen wurde, die ihre Angst und Unsicherheit beim ersten Betreten des neuen, vorübergehenden Zuhauses fast spür- und greifbar machte.
Jan H. – myFanbase
Die Serie "This Is Us" ansehen:
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Diskussion zu dieser Episode
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Informationen zur Episode
Englischer Titel: Déjà VuErstausstrahlung (US): 10.10.2017
Erstausstrahlung (DE): 23.07.2018
Regie: John Requa & Glenn Ficarra
Drehbuch: Isaac Aptaker & Elizabeth Berger
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