Bewertung

Review: #4.12 Endzeit

Wie es "Breaking Bad" gelingt, insbesondere in den finalen Episoden einer Staffel die Spannung nochmals spürbar nach oben zu drehen, ist höchst beeindruckend und beängstigend zugleich. Beeindruckend, weil die Serie die letzten Prozentchen herauszuholen imstande ist, an denen auch beste sogenannte "Qualitätsserien" nur extrem selten kratzen; beängstigend, da man sich einmal wieder des Umstandes bewusst wird, dass die eigenen Sehgewohnheiten durch Gilligan und dessen Team in einer Art und Weise herausgefordert werden, die den Genuss mittelmäßiger Serien im direkten Vergleich – und sei es nur zum berühmten "Hirn abschalten" – ein für alle Mal so stark schmälern, dass man kaum noch Gefallen an ihnen finden kann. Die gute Nachricht: Wer nach der siebten Staffel von "The Shield" ganz ähnliche Bedenken äußerte, weil es geradezu unmöglich erschien, dass eine Serie noch einmal so spannend sein kann, dass man ganze Episoden teils nur noch stehend verfolgen kann, hat seine Ersatzdroge gefunden. #4.12 End Times macht genau dort weiter, wo die vorangegangene Episode den Zuschauer gemeinerweise für eine Woche in der Luft hängen ließ, auch aus qualitativer Sicht.

"I have lived under the threat of death for a year now. Because of that, I've made choices. Listen to me. I alone should suffer the consequences of those choices. No one else. And those consequences, they're coming. No more prolonging the inevitable."

Skyler und Walter, Jr. kommen bei den Schraders unter, während es Walter gelingt, sich aus der beklemmenden Wohngemeinschaft rauszureden. Walter ist das eigentliche Ziel, das weiß auch Skyler irgendwann, aber eben Hank nicht. Der ist ohnehin mit seinen Gedanken voll und ganz bei Gus. Nachdem er von Walter äußerst unsanft daran gehindert wurde, der Wäscherei einen Besuch abzustatten, versucht er nun, seinem Kollegen Gomez die Ergebnisse seiner Recherche schmackhaft zu machen. Es kommt, wie es kommen muss: Gomez tut so, als würde er Hanks Spur nicht ernst nehmen, steht dann aber doch wenig später vor der Wäscherei und schafft es, mit einer aberwitzigen Erklärung sich ohne Durchsuchungsbefehl Zutritt zu verschaffen. Entweder ist er dennoch nicht so ganz überzeugt von Hanks Vermutung mit dem Drogensuperlabor im Wäschereigebäude, oder er hat Angst, mit seiner semilegalen Aktion aufzufallen. Denn wirklich gründlich scheint er trotz Drogenspürhund nicht vorzugehen, er findet nämlich keinerlei Hinweis dafür, dass hier etwas anderes getan wird als Wäsche gewaschen und getrocknet. Vielleicht erwartet man seit Hanks Geniestreichen aber auch schlichtweg zu viel von der DEA.

"This is all the result of your former partner. Do you understand that? Do you see why this can't continue?"

Schlussendlich geht es ohnehin trotz all der damit verbundenen Spannung weniger darum, dass Gomez und sein Kollege nicht fündig werden als darum, dass Jesse gemeinsam mit Tyrus just in diesem Moment unterhalb der Wäscherei im Drogenlabor darauf warten, dass die Drogenbehörde verschwindet. Gus denkt gar nicht daran, Walter zu schützen und erzählt Jesse freimütig, wie sein ehemaliger Meth-Koch für die Durchsuchung verantwortlich sei. Dass er damit unweigerlich auch gleichzeitig die ohnehin schon miserable Beziehung zwischen Jesse und Walter verschlechtert, ist ihm dabei natürlich völlig bewusst. Aber nach Jesses wiederholter eindringlicher Bitte, Walter am Leben zu lassen, bleibt Gus kaum etwas anderes übrig. Er selbst darf für den Tod Walters zumindest direkt nicht verantwortlich sein, also versucht er es über Umwege.

"I think Brock may have been poisoned."

Dass er dabei auch bereit zu sein scheint, buchstäblich über Leichen zu gehen, beweist er nur kurze Zeit später. Nach Jesses kurzem Besuch bei Saul, der ihn ähnlich wie geistig Verwirrte in den Fußgängerzonen dieser Welt davor warnt, dass das Ende nah sei – mit dem großen Unterschied, dass Saul Walters Erlebnis in der Wüste mit Gus kennt, seine Angst also mehr als begründet ist – erhält er von Andrea eine Schreckensnachricht. Brock ist im Krankenhaus. Man weiß nicht so recht warum, nur dass es sehr ernst zu sein scheint. Da bildete sich bei Jesses mittlerweile teils romantisierender Sicht auf Gus ein nicht zu übersehener Riss und schon eilt er wenige Minuten später in das Krankenhaus und muss mit Schrecken feststellen, dass seine Rizin-Zigarette für Brocks Krankenhausaufenthalt, den sich auch die dortigen Ärzte und Krankenschwestern nicht erklären können, verantwortlich ist.

"I've been waiting all day, waiting for Gus to send one of his men to kill me. And it's you."

Was folgt, ist eine der eindrucksvollsten Szenen, die es je bei "Breaking Bad" gab, als Jesse Walter besucht und eben jener, noch voll und ganz im Paranoia-Modus, Jesse zu verstehen versuchen gibt, was um ihn herum momentan eigentlich alles geschieht und vor allem, wo dies alles hinführen wird. Walter erzählt Jesse, was Gus mit ihm in der Wüste veranstaltet hat und versucht einmal wieder, Jesse auf seine Seite zu bringen, damit sie Gus gemeinsam töten können. So langsam dämmert es Jesse, wie sehr die ganze Sache mit Brock eigentlich in Walters Karten spielt und zieht daraus den Schluss, dass Walter etwas mit der Vergiftung zu tun haben muss. Nun kann man insbesondere in Anbetracht des Umstandes, dass Walter tatsächlich nichts Besseres passieren konnte – so makaber das nun auch klingen mag – schon insgeheim einen leisen Verdacht äußern, dass er seine Finger im Spiel hatte. Aber wie Walter schon sagte: Er war die ganze Zeit daheim und hat sich dort verschanzt, was auch mehr als wahrscheinlich sein dürfte. Walter als jemand, der den Tod eines kleinen Kindes in Kauf nimmt, ist ziemlich unrealistisch, aber leider nicht unmöglich. Eigentlich Wahnsinn, dass man selbst als Zuschauer Zweifel daran hat.

Jesse scheint der festen Überzeugung zu sein, dass Walter zu einer derartigen Tat imstande wäre, schnappt sich dessen Pistole und scheint den Entschluss getroffen zu haben, ihn zu erschießen. Walters manisches Gelächter, Jesses rohe Emotionen, all das ist so dermaßen großartig gespielt, dass man nicht umhin kommt, Bryan Cranston und Aaron Paul als bestes Schauspielduo in einer aktuell laufenden Serie zu bezeichnen. Einfach unglaublich, was die beiden hier leisten. Am Ende gelingt es Walter schließlich doch, Jesse davon zu überzeugen, dass das weitaus wahrscheinlichere Szenario ist, dass Gus etwas mit Brocks Vergiftung zu tun hat. Er hat schließlich schon mindestens ein Kind auf dem Gewissen und immer wieder bewiesen, dass er Walter und Jesse zahlreiche Schritte voraus ist. Wieso sollte es also nicht möglich sein, dass Gus beispielsweise in seinem Haus Kameras installiert hat und diese Jesse, als er die Rizin-Zigarette herauszog, erfasst hat? Vielleicht war Jesse auch unachtsam und hat im Labor die Zigarette zu lange begutachtet, woraufhin Tyrus sie in einem unachtsamen Moment Jesse aus dessen Spind entwendete? Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, wie Gus es hätte anstellen können, und am Ende ist auch Jesse überzeugt, dass er es gewesen sein muss. Aber nicht nur das, er hat es auch noch geschafft, Jesse Walter auf den Hals zu hetzen und ihn fast das tun zu lassen, wozu er selbst nicht imstande gewesen wäre, ohne seinen aktuellen Meth-Koch zu verlieren. Es könnte aber auch schlichtweg Brock selbst gewesen sein, der sich seine aktuelle Lage selbst eingebrockt (sorry) hat. Er ist zwar jung, aber wer weiß, wie attraktiv für ihn Jesses Zigarettenpackung war, als dieser mal nicht aufpasste? Manche beginnen eben früher mit dem Rauchen als andere.

"Why'd you stop? Why did you stop? Why did you stop?"

Es gab schlichtweg keinen anderen Ausweg. Nachdem Walter aufgrund Skylers Alleingang mit Ted nicht das nötige Geld für ein schnelles Verschwinden aufbringen konnte, muss er nun Gus töten. Nicht dass er das nicht bereits seit knapp einer Staffel eher schlecht als recht planen würde. Aber jetzt bleibt ihm gar keine andere Möglichkeit, als Gus möglichst schnell aus dem Weg zu räumen. Dessen halbherzigen Beteuerungen Jesse gegenüber, Walter am Leben zu lassen, können unmöglich ernst genommen werden. Da Jesse nun endlich wieder auf seiner Seite ist, ist auch schnell der gemeinsame Plan gefasst, wie man Gus töten möchte – durch eine Autobombe. Mittlerweile mutet er schon recht merkwürdig an, der Gus'sche "spider sense". Wie um alles in der Welt konnte er ahnen, dass mit seinem Auto etwas nicht stimmt? Einfach nur ein Gefühl, das ihn beschleicht, nachdem er von der Vergiftung Brocks Wind bekommen hat und Jesse sich etwas merkwürdig verhält, um Gus ins Krankenhaus zu bekommen? Walter auf dem Dach des Gebäudes gegenüber zur Parkgarage scheint er ja nicht gesehen zu haben, auch wenn man als Zuschauer unweigerlich auch erwartete, dass Gus mit Adlersaugen ausgestattet ist und Walters kahlrasierten Schädel entdecken könnte. Was auch immer Gus dazu veranlasst hat, eben nicht wieder in das Auto zu steigen, er ist dadurch bedingt immer noch nicht tot und wird Walter und evtl. auch Jesse nun mehr denn je nach deren Leben trachten. Vielleicht hätte Jesse Walter einfach mal ein Videospiel namens "Sniper" zeigen müssen...

Fazit

Jesse ist nun wieder voll auf Walters Seite, nachdem ihm vor Augen geführt wurde, mit wem er sich da eigentlich die letzten Tage und Wochen zusehends eingelassen hat. Gus ist gerissen genug, um zu wissen, wer da nach seinem Leben trachtet und wird seinerseits entsprechend was in die Wege leiten, damit es bei diesem einen Tötungsversuch bleibt. Hank ist unterdessen immer für einen überraschenden Geniestreich gut und wird die unbekannte Variable im Staffelfinale sein. Gelingt es Walter und Jesse, Gus zu töten? Welchen Schaden richtet Gus im Leben von Walter und Jesse noch an (denn seien wir mal ehrlich: Gus ist dem Tode geweiht, schon allein weil selbst "Breaking Bad" weder Walter noch Jesse im Finale der vorletzten Staffel killen wird)? Welche Rolle spielt Hank dabei? Wenn es keinen plötzlichen und unerwarteten Einbruch bei der Qualität der Serie geben wird, wird das bevorstehende Staffelfinale Maßstäbe setzen.

Andreas K. - myFanbase

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