Review: #5.01 Lebe frei oder stirb
Neun Monate ist es her, seit die wohl gnadenloseste und brisanteste Serie des amerikanischen Fernsehens - "Breaking Bad" - erneut mit einem Knall endete und die Karten neu mischte. Wurde Walter in der ganzen vierten Staffel vom unterkühlt-analytisch-kühnen Gus in die Ecke gedrängt, konnte er sich in der finalen Folge schließlich endgültig befreien und seine Freiheit zurückgewinnen. Das Thema der Freiheit wird wohl auch eine ganz zentrale Konstante in der finalen, alles abschließenden fünften Staffel sein, die aufgeteilt ist in jeweils acht Episoden, die in diesem und nächsten Jahr ausgestrahlt werden und die Reise des Walter White endgültig zu Ende bringen. Und wer die destruktive Sprengkraft von Vince Gilligans Opus Magnum kennt, der weiß, dass sich die Serie alles andere als leise verabschieden wird und es davon auszugehen ist, dass erneut Grenzen gesprengt werden. Aus dem einstigen leicht schwächlichen Chemielehrer ist im Laufe der ersten vier Staffeln ein gnadenloser Soziopath geworden, dem alles zuzutrauen ist und dessen Streben nach Macht und Kontrolle alle mit in den Abgrund reisen könnte. Mögen die finalen Spiele beginnen!
"Free is always good"
Das Vince Gilligan ein Faible für mysteriös-verwirrende Staffelauftakte hat sollte bekannt sein, doch in dieser Folge setzt er diesem noch einmal die Krone auf. Die Staffel beginnt in einem Schnellrestaurant, in dem wir einen sehr kränklich wirkenden Walter White mit Haaren (!) vorfinden, der in seinem Essen herumstochert und aus diesem eine 52 formt und der Bedienung mitteilt, dass heute sein Geburtstag sei. Spätestens dort wird klar, dass wir es hier mit einem flash-forward zu tun haben, einem Blick in die Zukunft. Betrachtet man die zeitliche Abfolge der Serienhistorie so wurde im Serienpiloten der fünfzigste Geburtstag von Walter gefeiert, also sind zu diesem Zeitpunkt zwei Jahre vergangen. Zentral ist erst mal, dass Walt zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch am Leben ist, er über einen New Hampshire-Führerschein verfügt, eine Stadt welche sich über 30 Stunden Fahrzeit von seinem Heimatort befindet und er sich auf der Toilette mit dem Waffenhändler Lawson trifft, der Walt bereits in der vierten Staffel eine Waffe verkauft hat. Walt händigt ihm einen dicken Umschlag aus und Lawson überreicht ihm im Gegenzug einen Schlüsselbund. Die Schlüssel gehören zu einem Auto, in dem Walt ein Maschinengewehr vorfindet. Was erfahren wir noch? Walt wirkt sehr krank und schluckt einige Pillen und er wird von der Bedienung mit dem Namen Mr. Lambert angesprochen. Er ist also hunderte Kilometer von zu Hause entfernt, lebt dort unter falschem Namen und beschafft sich ein Maschinengewehr. Was hat ihm zu diesem Ort geführt und was werden seine nächsten Schritte sein? Die Antworten werden wohl noch eine ganze Weile auf sich warten lassen, was die Spekulationen aber nur noch weiter anheizen wird.
"Oh shit!"
Eine interessante Dialogzeile aus dieser ominösen Anfangsszene ist der Ausspruch "Free is always good", welches eine wunderbare Doppelbödigkeit besitzt. Walt hat gegen Gus gewonnen und ist nun frei. Die neu gewonnene Freiheit löst sich aber schnell in Luft auf, als ihm bewusst wird, dass er die Aufnahmen der Sicherheitskameras aus dem Labor vergessen hat, die sich allesamt gespeichert auf Gus' Laptop befinden, der nun im Besitz der Polizei ist. Walt muss nun schnell handeln und bezieht Jesse und auch Mike in die Lösung des Problems mit ein. Der heimliche Held der vergangenen Staffel war eindeutig der von allem angenervte Mike, der aufgrund seiner Verletzung in den letzten Folgen nicht mitmischen konnte, nun aber wieder gesund ist und sich mitten im Geschehen befindet. Ganz stark sind die Konfrontationsszenen zwischen Mike und Walt. Zwei Individuen, die sich hassen, aber zusammen kooperieren müssen, um ihrer beider Haut zu retten. Diese Konstellation führt zu einigen Spannungen und genialen Sprüchen von Seiten Mikes, der seine grenzenlose Abneigung gegenüber Walt keine Sekunde versteckt. Der thematische Kern der Folge besteht also in der Aufgabe, die Beweise aus Gus' Büro im Schnellrestaurant, die sich nun im Besitz der Polizei befinden, irgendwie zu zerstören. Walt denkt pragmatisch und will die Indizienkammer irgendwie sprengen, was Mike aber für eine wirkungslose Idee hält. Auf die vernünftigste Idee in diesem Kontext kommt schließlich Jesse, der auch in dieser Folge wieder der absolute Sympathieträger ist, indem er den Einsatz von Magneten vorschlägt.
"Yeah, bitch! Magnets"
Um an diese Magneten zu gelangen folgt die Rückkehr an den allseits bekannten Schrottplatz, der bereits in der dritten Staffel Ort von brisanten Ereignissen war und wo wir auch diesmal wieder auf den alten Bekannten Old Joe treffen, den kauzigen Schrottplatzbesitzer, der auch erneut bereit ist Jesse und Walt aus der Patsche zu helfen. Es ist schön, dass kleinere Nebenfiguren nicht vergessen werden und immer wieder in kurzen Sequenzen auftauchen. Am Anfang war es der von Jim Beaver gespielte Waffenhändler Lawson und nun ist es zusätzlich auch noch Old Joe. Besonders schön an diesem Testlauf auf dem Schrottplatz ist Jesses kindliche Freude über die funktionierenden Magneten. Es ist schön nach den all den vergangenen Ereignissen, den alten positiver gestimmten Jesse wiederzuhaben, auch wenn man jetzt schon weiß, dass diese Gemütslage wohl nicht allzu lang anhalten wird. Der Plan, mit Hilfe der Magneten vom Parkplatz der Polizeistation aus, die Beweismittel zu zerstören geht auf, wobei Walt es abermals übertreibt und sich selbst nicht unter Kontrolle zu haben scheint, was dazu führt, dass Jesse und Walt den Wagen mitsamt des Magneten auf dem Parkplatz stehen lassen müssen. Walt hat also wieder einmal einen kleinen Sieg davon tragen können und es ist erstaunlich zu sehen, wie sehr man trotz aller vergangenen Ereignisse immer noch mit Walt mitfiebert.
"Scared of What? You"
Eine weitere nicht unbedeutende Nebenhandlung ist die um Ted Beneke, bei dem im letzten Staffelfinale nicht wirklich klar war, ob er seinen unglücklichen Sturz überlebt hat oder nicht. Wie sich jetzt herausstellt, hat er diesen tatsächlich überlebt, liegt aber schwer verletzt und traumatisiert im Krankenhaus, wo ihn Skyler besucht, was in einer schockierend-eindringlichen Szene mündet, in der Skyler die Folgen ihres Handelns auf schonungslose Weise bewusst werden und sie erstmals wirklich realisiert, was sie alles getan hat, um Walt zu beschützen. Dieser Szene wohnt eine ungemeine Tragik inne, die eine Frau zeigt, die einen Mann beschützen will, vor dem sie eigentlich selbst beschützt werden müsste. Das Ted verspricht zu Schweigen ist schlussendlich dann natürlich ein ungemeiner Glücksfall, welcher zeigt, wie viel Ted eigentlich an Skyler liegt und dass Ted, der nie wirklich ein Sympathieträger war, eigentlich ein recht anständiger Mann ist.
"What is it with you two?"
Neben all diesen brisanten Ereignissen, schafft es Vince Gilligan, der das Drehbuch für diese Episode schrieb, wie immer glänzend durch kleine Zwischenmomente herausragende Charakterarbeit zu leisten und die ambivalenten Situationen zwischen den Figuren auf eindringliche Art und Weise herauszuarbeiten. Das Herzstück dieser Serie ist und bleibt das Verhältnis zwischen Walt und Jesse und ist es wirklich ungeheuer tragisch, wie sehr sich Jesse weiterhin für Walt einsetzt, wie sehr er ihn vor Mike verteidigt, wie er sogar bereit wäre sein Leben für Walt einzusetzen und Walt ihm hinter seinem Rücken immer nur als Spielball für seine eigenen egoistischen Zwecke benutzt. Walt lies Jesses Freundin einfach sterben und Walt vergiftete einen kleinen Jungen, der Jesse sehr viel bedeutete und das alles fast ohne jegliche Skrupel. Walt ist Jesse gegenüber nur noch ein Heuchler und Lügner und Jesse sieht in diesem Mann immer noch einen Freund, vielleicht sogar ein Vorbild, eine Vaterfigur. Diese verfahrene Situation wird wohl der Kernkonflikt des Endspiels sein, denn irgendwann wird Jesse die Wahrheit erfahren und dies wird alles verändern.
"I forgive you!"
Die Besprechung dieser Folge ist jetzt schon viel zu lang geraten und es ist immer noch nicht alles gesagt, was nur für die Qualität dieser Serie spricht. Als letztes muss hier aber noch auf die letzten drei Worte der Folge eingegangen werden, die in Sachen Eindringlichkeit neue Maßstäbe setzt und in der Bryan Cranston schauspielerisch einen erneut vor Ehrfurcht erstarren lässt. Walt nimmt seine Frau in den Arm, die so viel für einen Mann aufs Spiel gesetzt hat, der sie und ihre Familie so oft in Gefahr gebracht hat und sagt ihr auf eine Art und Weise, die einem das Blut in den Adern gefrieren lässt: "I forgive you!". Drei kleine Wörter, die aber mehr über den Menschen Walter White sagen, als alles andere. Mehr, als Walts ebenfalls verstörender Wutausbruch in Sauls Büro. Dieser Mann ist gefährlich. "I'm the danger!"
Fazit
"Breaking Bad" ist zurück und leitet mit dieser auf so vielen Ebenen funktionierenden Folge das große Finale ein, in der der einstige Protagonist endgültig die Wandlung zum Antagonisten vollzogen hat. Eine Folge, die nicht nur durch den kryptischen Einstieg fasziniert, sondern auch durch enorme gelungene Charakterarbeit, den typischen Humor und brisante Storyentwicklungen einen auf eine Art und Weise vor dem Bildschirm fesselt, wie es nur ganze wenige Serienproduktionen können. Das Motto der finalen Staffel: Live Free or Die! Es werden Menschen sterben und es werden Menschen überleben. "Breaking Bad" ist zurück und der Countdown läuft!
Moritz Stock - myFanbase
Die Serie "Breaking Bad" ansehen:
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Informationen zur Episode
Englischer Titel: Live Free or DieErstausstrahlung (US): 15.07.2012
Erstausstrahlung (DE): 06.12.2013
Regie: Michael Slovis
Drehbuch: Vince Gilligan
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