Bewertung

Review: #5.01 Unter Verdacht

"Chicago Med" und ich haben in der vierten Staffel eine Hassliebe geführt. Die Serie gehört zum Chicagoverse wie das Amen in der Kirche, so dass es mir im Lebtag nicht eingefallen wäre, die Serie abzubrechen, aber gerade das private Drama zwischen dem medizinischen Personal, was sich nur im Kreis gedreht hat, hat mich doch einige Nerven gekostet. Daher war ich vorsichtig optimistisch, als die letzten beiden Episoden der vergangenen Staffel einen Aufwärtstrend anzeigten, dass man der fünften Staffel wieder zu neuem Glanz verhelfen kann. Da ist der Auftakt zu Staffel 5 wirklich eine herbe Ernüchterung.

Die letzte Staffel endete mit einigen Cliffhangern, von denen der größte natürlich der um Dr. Natalie Manning und Dr. Will Halstead war, deren Auto von Tim Burke seitlich erfasst wurde. Zwar habe ich nie wirklich daran geglaubt, dass einer von beiden sterben könnte, aber ich fand es doch etwas schade, wie wenig Dramatik um die Situation der beiden gemacht wurde. Natalie ist mal schnell behandelt worden und am Ende der Episode sieht schon alles wieder ganz gut aus. Will ignoriert zwar seinen Zustand und geht etwas fahrlässig mit seinem Pneumothorax um, aber letztlich baut sich auch hier keine Dramatik auf. Richtig fatal finde ich aber, dass die übrigen Kollegen fast gänzlich außen vor bleiben. Natalie wird vom Neuling der Serie, Dr. Crockett Marcel, behandelt und ansonsten lässt sich bei ihr, Will natürlich ausgenommen, keiner blicken. Dr. Connor Rhodes bemüht sich zwar mehrfach um Will, aber es ist ausgerechnet Elsa Curry, die an seinem Zustand eigentlich die größte Besorgnis zeigt. Ausgerechnet die also, die bisher wahrlich nicht als empathisch inszeniert wurde. Zwar eilen alle Kollegen ins Krankenhaus, als Sharon Goodwin die schlechte Nachricht verbreitet, aber alle gehen sofort ihrem Arbeitsalltag nach. Hier wäre es definitiv von Vorteil gewesen, wenn man die Fälle der Woche gestrichen hätte und um Natalies Situation mehr Drama erzeugt hätte. Diese Umsetzung ihrer Situation ist schlichtweg eine vertane Chance.

Richtig nervig fand ich aber Phillip Davis. Mit Dr. Ava Bekker hat man bereits eine psychisch abgedrehte Figur im Mittelpunkt, da muss man nicht auch noch Phillip im Wahn agieren lassen. Wie er Natalie vorgaukelt, dass sie seinen Heiratsantrag angenommen hat und so mal eben Will aus dem Spiel nimmt, das hat mich sehr aufgeregt, weil es eben genau das künstlich erzeugte Drama ist, was wir in der letzten Staffel schon zuhauf dargeboten bekommen haben. Ich hoffe sehr, dass Phillips Wirken bald aufgedeckt wird, vielleicht auch durch Marcel, der was zu ahnen scheint und dann muss es heißen "Adieu, Ian Harding!". Er kann diese suspekten Figuren wirklich gut darstellen, aber seine Rolle ist mir einfach zuwider!

Zurück zu Ava: Bereits im April wurde verkündet, dass sie und Connor aus der Serie geschrieben werden. Da dies mit dem letzten Staffelfinale nicht erfolgt ist, war für den Auftakt nun die große Frage, wie wird der Abschied aussehen? Schon recht früh habe ich mich bedauernd darüber ausgedrückt, dass man die selbstbewusste Ava, die durch ihre Liebe zu Connor ihre Menschlichkeit entdeckt hat, so kaputt geschrieben hat, denn irgendwann lag ja auf der Hand, dass die Autoren sie als verrückte Psychopathin inszenieren wollen. In dieser Episode kommt es nun zum (negativen) Höhepunkt, denn nach den gewohnten Streitereien, bei denen sie sich gegenseitig des Mordes an Cornelius Rhodes beschuldigt haben, liegt die wahre Täterin mit Ava auf der Hand. In ihrer Verzweiflung, dass sie Connor endgültig nicht für sich gewinnen kann, schneidet sie sich selbst die Halsschlagader durch. Die Szene sah nicht nur aus wie aus einem billigen Slasher-Movie, sie ist auch das unrühmliche Ende von Ava, was sie nicht verdient hat. Durch ihre Art war sie wohl niemals Fanliebling, aber sie jetzt so stumpf rauszuschreiben, halte ich auch nicht für gerechtfertigt.

Der Abschied von Connor wurde zum Glück emotionaler und würdiger gestaltet. Zwar ist mir nicht deutlich geworden, warum man keine Geschichten mehr für ihn parat hatte, aber wenigstens ist sein Abschiedsgrund logisch. In den letzten Jahren und Monaten ist sehr viel in Connors Leben passiert. Die Trennung von Dr. Robin Charles, das Hin und Her mit Ava und dann eben der Verlust seines Vaters, ausgerechnet als die Zeichen auf Versöhnung standen, da kann man verstehen, dass ein Neuanfang gewünscht ist. Mir hat sehr gut gefallen, dass Dr. Isidore Latham in seinen Abschied involviert war. Die beiden haben in dieser Serie eine ungewöhnliche Beziehung gehabt, die definitiv anrühren konnte. Leider konnte Ato Essandoh in der letzten Staffel nicht für viele Gastauftritte gewonnen werden, so dass ihre Beziehung nicht weiter ergründet werden konnte. Daher ist es perfekt, dass er nun ausgerechnet für diese Episode gewonnen werden konnte, denn als er Connor als seinen Freund bezeichnete, den er vermissen wird, ist mir das Herz aufgegangen. Es ist schade, dass der Abschied von den übrigen Kollegen ausfällt, aber das wäre in dieser vollgestopften Episode auch nicht sinnvoll umzusetzen gewesen. Aber als Connor und damit Colin Donnell mit Tränen auf das Chicago Med blickt, da waren auch meine Augen nicht trocken.

Ein weiterer Tiefpunkt dieser Episode ist für mich die doch-nicht-Schwangerschaft von April Sexton. Diese habe ich eigentlich als echten Hoffnungsschimmer für Staffel 5 empfunden, um so auch ihr und Dr. Ethan Choi als Paar Stabilität zu geben und nun wird das mal so eben wieder ausgehebelt. Ich bin überzeugt, dass die Autoren ursprünglich mit einer Schwangerschaft geplant haben, doch aus irgendeinem nicht nachvollziehbaren Grund haben sie sich wieder dagegen entschieden. Das passt hervorragend zu einer Folge, in der einiges an Potenzial vertan wurde. Sooft hat man April mit Mutterinstinkten bedacht und ihr sogar ein Baby genommen. Zwar waren sie und Ethan gerade erst wieder versöhnt, also wahrlich nicht die ideale Situation für ein Kind, aber als Handlung wäre es wirklich ein Coup gewesen, man hätte sich nur darauf einlassen müssen.

Ein bisschen Resthoffnung für die Staffel geben mir nun zwei Aspekte: Marcel und die Krankheit von Maggie Lockwood. Neue Figuren bringen immer frischen Wind in eine Serie, von daher kann man Neuzugang Dominic Rains als neuen Traumachirurgen nur mit offenen Armen empfangen. Er ist auch gleich mit einigen Figuren involviert, so dass vielleicht auch übliche Paarungen im Krankenhausalltag aufgebrochen werden. Charakterlich ist er noch schwer zu fassen. Er wirkt sehr selbstbewusst, raffiniert, schonungslos und empathisch, ich bin gespannt, wohin die Reise mit ihm geht.

Maggies Brustkrebserkrankung habe ich schon im Staffelfinale als Hoffnung bezeichnet, der Eindruck bestätigt sich nun auch mit der neuen Staffel. Marlyne Barrett trägt diesen Schock schauspielerisch wirklich überzeugend und emotional einnehmend. Ich bin jetzt schon mit ihr mittendrin und fiebere, wie es für sie weitergeht. Ich hoffe nur, dass man ihren Zustand nicht irgendwann wie nebenbei abhandelt. Genau das sind die Storylines, die man einfach nur konsequent aufbauen und zu Ende bringen muss, der Rest kommt da von ganz alleine.

Fazit

"Chicago Med" verschenkt zum Einstieg in Staffel 5 unheimlich viel Potenzial, da man aus der lebensbedrohlichen Situation von Will und Natalie nichts herausholt. Auch die bestätigte Nicht-Schwangerschaft von April reiht sich dort ein. Das Ende von Ava war unrühmlich, aber wenigstens gelingt der Abschied von Connor, der mich in leiser Hochstimmung dann auch andere Hoffnungsschimmer sehen lässt. Die Serie muss sich aber dennoch neu erfinden, denn Staffel 4 kann nicht mehr wiederholt werden, ohne dabei einige Fans zu verlieren.

Lena Donth – myFanbase

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