Review: #11.05 Im Bruchteil einer Sekunde
Das ist die erste Episode für Kevin Atwater in dieser Staffel 11 und ich musste sofort daran denken, dass sie dramaturgisch die ideale Ergänzung zu #10.06 Reflexbewegung ist. Dort war Kevin von seiner Unschuld überzeugt und obwohl er kaum Unterstützung und großen Druck gegen sich verspürte, hat er für sich durchgezogen. Doch diesmal hat er die größten Zweifel, obwohl niemand an ihm zweifelt.
Zunächst beginnt die Episode aber mit einem Thema, das erfreulicherweise fortgesetzt wird und das ist die Vater-Sohn-Beziehung der Atwaters. Man sieht eine deutliche Veränderung, denn es geht viel entspannter zwischen den beiden Männern zu. Zwar sind sie noch weit von heiler Familie entfernt, weil beispielsweise sich Jordan dem Treffen weiterhin verweigert, aber es wird Vertrauen aufgebaut, denn Lew ist da, er ist präsent und vor allem tut er etwas für seine Zukunft, indem er sich eine solide Grundlage schafft. Zudem wurde durch eine Szene im späteren Verlauf auch deutlich, wie sehr er sich in die Gemeinschaften im Gebäude seines Sohnes integriert und dass dort oft Aktivitäten zusammen unternommen werden. Das hilft Lew insgesamt sicher alles sehr, dass er die alten Kreise nicht mehr braucht und dass er vor allem aber auch auf einer menschlichen Ebene wieder lernt, wie man sich öffnet und dadurch profitiert. Vor allem lernt er nach und nach aber auch, was es heißt, Vater zu sein. Ich fand es nämlich mit Abstand die beste Szene, als Lew nach Kevin schaut, der ein Treffen im Haus verpasst hat und um den er sich daher Sorgen gemacht hat. Auch wenn wir wissen, dass Lew dem Job seines Sohnes nicht unbedingt positiv gegenüber steht, man hat doch gemerkt, dass er es inzwischen mitträgt, weswegen die Ablenkung auch wirklich rein emotionaler Natur war. Es war schön, wie er Kevin einfach zugehört hat, um ihm dann eine Ansprache zu geben, die so wahr war. Auch wenn Lew viel verpasst hat, aber er hat seinen Sohn auf den Punkt analysiert. Ich sehe es sehr positiv, wie es bis hierher entwickelt wurde und auch wenn ich gerne irgendwann mal die gesamte Atwater-Familiendynamik ergründen wollen würde, bis hierher wird alles genau richtig gemacht.
Kommen wir aber mal zum Fall an sich und ich muss sagen, es war eine Episode mit sehr starken Momenten, wo leider nicht in aller Konsequenz die Spannung aufrecht erhalten werden konnte. Insgesamt war es aber eines der besseren Gesamtkonzeptionen. Der Beginn der Episode ist jedenfalls 9 Punkte wert, denn nach dem gemeinsamen Frühstück mit dem Vater war die ganze Sequenz mit dem Juweliergeschäft große Action, große Spannung und große Emotionalität. Es ist immer schwer abzuschätzen, wie sich solche Fälle entwickeln und hier waren auch gar nicht so sehr die Täter letztlich entscheidend, sondern das Dilemma, in das Kevin gelangt, indem er sich zwischen zwei Opfern entscheiden muss und wie er dabei die wohl falsche Entscheidung trifft. Aus einer objektiven Nachbetrachtung heraus ist es die falsche Entscheidung, wo glaube ich niemand dran rütteln kann, denn der Ladenbesitzer war tot, nichts mehr zu machen. Aber für Corey hätte Kevin sehr wohl etwas tun können, so gab es in der Konsequenz zwei Tote statt nur einen. Dann wiederum steckte aber niemand von uns in Kevins Schuhen. Er ist auch nicht als Rettungssanitäter ausgebildet, der es gewohnt ist, eine Triage-Einteilung vorzunehmen. Damit hatte er zwei Opfer, bei keinem von beiden kannte er den exakten medizinischen Zustand und vor allem wusste er auch nicht, dass die Systematik für die Schleusentür kaputt gegangen ist. Demnach bleibt unterm Strich das, was die allermeisten Figuren Kevin in dieser Episode auch vermitteln: In der Nachbetrachtung lagst du falsch, aber im Moment gab es kein richtig oder falsch, also trägst du keine Schuld. Jedoch gibt es eben eine Figur, die das ganz anders sieht, nämlich Teresa, die hilflos mitansehen musste, wie ihr Mann vor ihren Augen verblutet. Für sie gab es natürlich einen klaren Schuldigen und so richtig konnte man das auch ihr nicht vorwerfen, vor allem die Polizei als dein Freund und Helfer und es wurde nicht eingehalten.
Teresa ist damit das personifizierte schlechte Gewissen geworden, das Kevin die ganze Zeit über im Nacken sitzt. Ich fand es wirklich emotional einnehmend, wie er immer wieder gelitten hat und wie es ihn einfach nicht losgelassen hat. Es hat mich da auch an die erste Episode mit Lews Rückkehr erinnert, wo er sich auch nicht eingestehen wollte, was er deswegen fühlt und alles als normal hingestellt hat. Adam Ruzek hat es mehrfach versucht, lief aber auch auf. Dennoch haben alle Kollegen gesehen, was los war, weswegen sie ihm dann deutlich oder weniger deutlich gemacht haben, dass alles okay ist. Aber es hat Kevin verändert. Gegenüber dem Pfandleiher hat er den Adam oder vielleicht auch Hank Voight gemacht, die Rollen wurden dramatisch verdreht. Dazu dann auch der nächste Raub, wo Kevin schon wieder vor einer Entscheidung steht und sie diesmal ganz eindeutig auf der Grundlage seiner jüngsten Erfahrungen trifft, aber nicht auf der Basis seiner jahrelangen Berufserfahrung. Am Ende der Episode steht er dann noch einmal vor einer Wahl und diesmal trifft er die absolut ideale, die auch in der Nachbetrachtung noch Sinn ergibt. Ende gut, alles gut – könnte man jetzt meinen. Ist es aber nicht, denn Kevin wird von dieser einen Entscheidung noch lange gejagt werden. Deswegen fand ich die Abschlusssequenz in dem Juweliergeschäft auch emotional belastend. Ich kenne mich mit Schuldfragen und dem berühmten 'Was wäre, wenn…?' gut genug aus, um zu wissen, wie es einen in den Wahnsinn treiben kann, wenn man nicht irgendwann den Schnitt schafft. Kevin hat ihn eindeutig nicht gefunden und als er dann in den Scherben den Schlüssel fand, das hat mir das Herz für ihn gebrochen. Denn das hat gezeigt, dass es sogar noch eine Zwischenlösung gegeben hätte. Hätte er den Schlüssel gefunden, er hätte zu Corey kommen können. Das Schicksal hat damit 75:25 gegen ihn entschieden.
Der Schwerpunkt lag wie gesagt nicht auf den Tätern und das hat man deutlich gemerkt, denn die tatsächliche Suche nach ihnen war eher einfallslos und es kamen viele Zufälle zusammen, damit passieren konnte, was letztlich passiert ist, wie beispielsweise der Anruf von Morrison an Aiden und dass ausgerechnet dann keine Streife bei den Westbrooks ist, wenn Aiden dort auftaucht? Und war es nicht möglich, für wenige Tage ins Hotel zu gehen? Für mich kamen da viele kleine Aspekte zusammen, die leider ein insgesamt sehr gutes Gesamtbild gestört haben. Emotional tiefschichtige Episoden müssen dann auch mit der richtigen Handhabe präsentiert werden.
Fazit
"Chicago P.D." macht eigentlich vieles richtig, denn es gibt für Kevin Atwater auf privater Ebene weiter wichtige Fortschritte und er bekommt einen Fall, der nicht typisch für ihn ist und dadurch emotional einnehmend ist. Jedoch war die Ermittlung selbst dann zu lieblos gestaltet. Insgesamt aber von Anfang bis Ende unterhaltsam.
Lena Donth – myFanbase
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Informationen zur Episode
Englischer Titel: Split SecondErstausstrahlung (US): 21.02.2024
Erstausstrahlung (DE): kein Termin
Regie: Eric Laneuville
Drehbuch: Tiffany Bratcher
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