Bewertung

Review: #11.06 Überleben

Als mir der Teaser für die aktuelle Episode bereits verraten hat, dass es zentral um Hank Voight gehen würde, da war die Vorfreude schon was gedämpft, denn ich habe zuletzt keinen Hehl daraus gemacht, dass "Chicago P.D." mir in Bezug auf ihn zu einfallslos erscheint. Dennoch bin ich nach dieser Episode erleichtert, dass ich offensichtlich dennoch immer noch neutral genug eingestellt bin, denn von dieser Folge bin ich einigen Aspekten positiv überrascht worden.

Wenn man bedenkt, dass der Abschied von Justin Voight Ende von Staffel 3 war, dann ist das schon eine verdammt lange Zeit her, nämlich bald acht Staffeln. Hank ist aber für mich ohnehin die Figur, die die persönlichen Verluste am deutlichsten mit sich trägt. Anfangs war es seine verstorbene Frau, dann irgendwann der Sohn und schließlich auch Alvin Olinsky. Die Figuren sind immer wieder präsent gehalten worden, was mir immer zugesagt hat, weil sie nun mal auch einen großen Einfluss auf die Serie selbst hatten, aber auch auf Hank als Person. Diesmal ist es also wieder Justin, der ins Bewusstsein geholt wird, in dem in der Bar, wo er einst gejobbt hat, mal das Lager aufgeräumt wurde und ein altes Polaroid aufgetaucht ist, das einen extrem glücklichen jungen Mann zeigt. Ja, die Zeiten, bevor alles gewaltig den Bach runterging. Bevor Hank Gesetze ohne Ende gebrochen hat, um Justin irgendwie vor seinem Schicksal zu bewahren. Und genau dann stolpert Noah in sein Leben, auch wenn er zunächst nur ein junger Mann auf einem wackeligen Bild einer Überwachungskamera ist. Es war aber dennoch von Anfang an offensichtlich, dass Hank sofort in ihm seinen Sohn gesehen hat. Es wäre jetzt müßig zu diskutieren, ob das immer genau so passiert wäre, oder nur weil Hank eben gerade Justin bildlich präsent bekommen hat. Die emotionale Schwere war aber sofort da.

Ein wichtiges Urteil über diese Episode ist ganz klar auch, dass sie gut und spannend konstruiert ist und das auch durchgängig. Auch, wo es noch ausschließlich um den Dealer Zach Jones ging, da war auch schon deutlich, der Kerl ist brutal, er ist überlegen, er ist gewieft und ein echter Gegner. Die Beschreibungen, was er mit den nicht zahlenden Kunden macht, grausig. Es lag also von Anfang an über der Episode etwas, wo klar wurde, wir blicken in die Abgründe des Menschen. Genauso entsetzlich war es dann aber auch, als wir Noah das erste Mal selbst kennenlernen. Dass er da im Auto sitzen würde, da habe ich nicht mit gerechnet und dann auch noch in diesem Zustand. Es war kaum möglich, ihn angucken, weil es so gruselig aussah, wie seine Augenlider festgepinnt waren. Gleichzeitig war es aber auch ein effektives Bild, um die Brutalität des Täters zu verdeutlichen. Man hat danach gut nachvollziehen können, warum Noah so traumatisiert ist und das wiederum hat Hank an seinen eigenen Sohn erinnert. Das war die nächste Stufe, die dann die emotionale Bindung verstärkt hat und erklärt hat, warum er ihn begleitet hat. Dazu dann auch die tiefe Erschütterung angesichts der Verletzungen und was Noah erlitten haben muss. Und schließlich auch noch der Anruf mit der Familie, die wegen der Homosexualität des Sohnes es fast schon als gerechte Strafe ansieht. Wer die Menschen in seinem Leben, egal wie sie sehr von der eigenen Lebensvorstellung abweichen, liebt, der kann angesichts einer solchen Botschaft nur entsetzt sein. Dann vor allem auch ein Hank, der alles dafür geben würde, seinen Sohn überhaupt nochmal für etwas kritisieren zu können. Ich fand in dem ganzen Zusammenhang die Spielart, die Jason Beghe seiner Rolle diesmal mitgegeben hat, sehr passend.

Eine wichtige Spielfigur dieser Episode ist auch Nina Chapman. Auch wenn ich es manchmal schade finde, weil solche aufgebauten Beziehungen sehr einseitig wirken, wenn immer nur dieselben zwei Akteure in einen Kontext gebracht werden, so wurde hier seit Staffel 10 langsam etwas aufgebaut, was hier auch eine neue Ebene bekommt. Diesmal ist die Zusammenarbeit eher zufällig. Chapman hatte selbst schon Bekanntschaft mit Jones und sie war darüber natürlich trotz ihres Aktenberges zu packen. Sicherlich auch vor dem Hintergrund, dass die Intelligence Unit Ergebnisse liefert und es so winkt, den Dealer und Gewalttäter endlich hinter Gitter zu bringen. Doch dann tut sich ein großer Disput auf, weil Chapman so heiß auf Jones wird, dass sie keine andere Perspektive zugelassen hat. Dennoch habe ich sie auch gut nachvollziehen können, denn Jones ist so oder so ein Verbrecher, ob er es nun bei Noah gewesen wäre oder nicht, er hätte das Gefängnis verdient. Dennoch hat sie Hank auch nicht vertraut, der einen Instinkt hatte, den man nach so langer Berufserfahrung auch einfach als Goldwert betrachten kann. Am Ende war ich dann auch überrascht, wie sich Hank ihr gegenüber verhalten hat, wenn ich auch nicht sicher bin, ob es nur den Umständen geschuldet war, denn Hank hat bei der finalen Szene Noah im Haus, was ihm durchaus unangenehm gewesen sein könnte, weswegen er Chapman mit seinem Schweigen vielleicht auch verscheuchen wollte. Vielleicht aber auch nicht und er war wirklich persönlich so von ihr vertraut. Dennoch war es in der Analyse von Chapman richtig, dass Hank wahnsinnig gut darin ist, Menschen wegzustoßen, wenn es emotional wird. Das ist schließlich der Hank, den wir elf Staffeln lang kennen.

Nun begibt sich Hank umgekehrt aber diesmal in eine emotional freiwillige Beziehung mit Noah, was ich sehr interessant finde. Auch wenn es auf eine Art an Kim Burgess mit Makayla erinnert, nur dass Noah natürlich nicht mehr minderjährig ist. Dennoch ist privat aufnehmen eben ein großer Schritt. Generell musste ich in dieser Episode mehrfach daran denken, dass erfolgreich unterstrichen wurde, dass Hank auch von anderen lernen kann. Wie er alle nach Hause geschickt hat, um dann selbst Nachtschicht an Nachtschicht zu reihen und wirklich intensive Ermittlerarbeit betrieben hat, das war Hailey Upton pur. Dazu dann das Dasein für Noah und ihm am Ende eine unerwartete Lösung anbieten, das war dann wieder Kim. Während er sonst die Führungskraft ist, die delegiert, war er diesmal der Aktivposten, der von den anderen Eigenschaften adaptiert. Es stand ihm überraschend gut. Wahrscheinlich ist es auch genau richtig, Hank in einen fortführenden Handlungsbogen einzubinden, denn den Folterer von Noah kennen wir mit dem Ende der Episode nicht. Ich bin extrem gespannt, was sich da noch entwickelt. War Noah nur ein Zufallsopfer? Obwohl die Brutalität eine andere Sprache spricht. Oder ist da etwas zu Noah, was wir bzw. die Unit bislang übersehen hat und was dann auch zur Gefahr für Hank wird? Hier steckt viel drin und die Mischung stimmt hier sowohl in dem, was bereits präsentiert wurde, und was noch kommen könnte.

Fazit

Ich bin absolut positiv überrascht, dass ich bei einer Episode mit Hank Voight im Zentrum zu einem so zufriedenen Eindruck komme. Es war aber wirklich sehr mitreißend inszeniert, ein interessanter Faktor von Brutalität, der Thrill reinbringt und dazu über Noah eine sehr persönliche Verbindung zum verstorbenen Sohn. Dazu ist es auch eine Geschichte für die Zukunft, die gerne sofort kommen dürfte. Also eindeutig Daumen hoch!

Lena Donth – myFanbase

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