Bewertung

Review: #1.10 Green Day für Arme

Foto: Ken Jeong, Community - Copyright: Sony Pictures Television Inc. All Rights Reserved
Ken Jeong, Community
© Sony Pictures Television Inc. All Rights Reserved

Señor Chang kann man getrost als "Communitys" kontroversesten Charakter bezeichnen. Den Spanischlehrer umgibt eine Aura der Aggressivität und er ist zweifellos ein Pauker, dem man nicht nur im Dunkeln nicht gerne begegnen würde. So markant und hervorstechend Ken Jeong ihn auch spielt, mitunter wirkt Chang zu eindimensional. In seiner zehnten Episode verschafft die Serie hier Abhilfe und führt uns hinter die äußere Fassade des Lehrers. Doch auch die anderen Figuren finden diesmal alle ihr Plätzchen und werden gekonnt in die Folge verwebt.

Der Klassenzimmer-Tyrann

Señor Chang kann die Klasse nach Gusto tyrannisieren, weil Greendale seit drei Jahren vergeblich nach einem Ersatz für ihn sucht. Und er tut es auch. Wenn Chang seinen Studenten befiehlt, die Stifte wegzulegen, dann haben sie dieser Anweisung Folge zu leisten und die meisten sind sich dessen bewusst. Wer aber ignoriert in seinem Arbeitseifer den Befehl? Richtig, die stets übereifrige Annie. Kurzerhand schiebt Chang sie daraufhin mitsamt ihrem Pult aus dem Zimmer heraus – Ken Jeongs physikalische Comedy gepaart mit Alison Bries vielsagender Mimik bieten hier Lachmomente vom Feinsten.

Doch wer jetzt dachte, er sei aus dem Schneider, hat die Rechnung ohne den cholerischen Spanischlehrer gemacht, denn der Kurs wird dazu verdonnert, einen Aufsatz über Annies Fehler zu schreiben. Naturgemäß und nur zu verständlich protestieren die Studenten, was in einer vorhersehbaren, aber dennoch amüsanten Klimax zu immer größeren Ausweitungen der Strafe führt. Obwohl Chang ein Tyrann ist, freut man sich insgeheim, als Brittas Schleimaktion sich als Schlag ins eigene Kontor erweist und zur Maximalstrafe führt.

Doch natürlich handelt es sich um eine Herkulesaufgabe, die keiner der Studenten realistisch bis zur Deadline erfüllen kann. Es ist keine Überraschung, dass sich die Gruppe daraufhin an Jeff wendet, um ihn zu bitten, Chang umzustimmen. Gerne lästern sie über Jeff und scheinen ihm in einer Art Hassliebe verbunden zu sein – gleichzeitig führt aber kein Weg an ihm vorbei, wenn eine Problemlösung gesucht wird. Wann immer es darum geht, den Karren aus dem Dreck zu fahren, fällt sein Name als erstes.

Gestatten, Hercule Poirot-Winger

Nach langem Zögern willigt Jeff ein und in Changs Büro angelangt, analysiert der Ex-Anwalt blitzschnell und messerscharf, dass Chang von seiner Frau verlassen wurde. Die Uminterpretation des spanischen Worts für Ehefrau, die selten gewechselten Hemden, das bearbeitete Foto – Jeffs Kombinationsgabe macht Hercule Poirot wahre Konkurrenz und auch wenn er am liebsten den Zyniker markiert, der über allem steht, so liegt die Vermutung nahe, dass kaum eine andere Person auf dem Campus Menschen so exakt analysieren kann wie er.

Jeffs Menschenkenntnis gewinnt Changs Vertrauen, der schnell sein Herz ausschüttet und Jeff die Hausaufgabe erlässt. Der Rest der Gruppe ahnt, dass es Jeff nur für sich selbst gelungen ist, eine Konzession zu erreichen und sie drohen ihm mit dem Ausschluss. Doch obwohl Jeff innerlich enttäuscht über die Drohung zu sein scheint, arbeitet er stillschweigend daran, Chang umzustimmen. Dafür fädelt er dessen Versöhnung mit seiner Ehefrau ein. Die Rechnung geht auf und man muss Jeff in diesem Moment einfach mögen. Obgleich er eigentlich schon aus dem Schneider war, hat er die anderen nicht im Stich gelassen und dafür gesorgt, dass auch sie von der Hausaufgabe befreit werden. Und das Schönste dabei: Er selbst hat kaum eine Silbe darüber verloren und nicht großspurig seinen Altruismus zelebriert. Die Serie mag ihn gerne als egoistischen Zyniker darstellen, aber im Grunde könnte man begründet behaupten, dass Jeff trotz seiner harten Arschloch-Schale unter der Oberfläche der netteste und faszinierendste Charakter der Serie ist.

Auch insgesamt ist dieser Strang gut gelungen, denn man bekommt mehrere Seiten von Chang zu sehen – den aggressiven Lehrer, den geselligen Freund, den rührseligen Verlierer und den feurigen Liebhaber. Der hergestellte Kausalzusammenhang zwischen tyrannischem Pauker und verlassenem Ehemann mutet zugegebenermaßen küchenpsychologisch an und auch die On-Screen-Zusammenführung mit der Ehefrau war zu viel des Guten, aber insgesamt hat man sowohl über Jeff als auch Chang einiges gelernt. Hinzu kommt, dass die Chemie zwischen Joel McHale und Ken Jeong wirklich fantastisch ist – man könnte den beiden stundenlang beim Plausch zuhören.

Der Coach

Doch nicht nur Chang bricht diesmal aus dem Käfig seiner Eindimensionalität heraus – auch Pierce erkundet neues Terrain. Ja, auch in dieser Episode versucht er krampfhaft cool zu sein und okkupiert Jeffs Stuhl in der Hoffnung, dadurch dessen Lässigkeit eintanken zu können. Ja, auch hier kann er sich seine sexistischen Sprüche nicht komplett verkneifen. Aber insgesamt zeigt er sich von einer sehr nützlichen und durchaus hilfreichen Seite. Davon darf Shirley profitieren. Für ihren Marketing-Kurs muss sie eine Präsentation halten und gibt dabei ein sehr unsicheres Bild ab – sie klammert sich an Kärtchen, fügt viele Füllwörter ein und fühlt sich allem Anschein nach nicht sehr wohl in ihrer Haut.

Im Probelauf agiert Pierce als ihr Coach und versucht ihr mithilfe eines Sandwichs sicherere Gestik einzuflößen und unnötige Floskeln auszutreiben. Doch die Mission misslingt und brüsk erklärt Shirley, zu ihrer alten Methode greifen zu wollen. Bei ihrem realen Vortrag vor dem Kurs erweist sich das allerdings als schlechte Strategie und unter Anleitung von Pierce, der ihr von hinten mitsamt einem Sandwich zur Hilfe steht, steigt sie erfolgreich auf seine Methode um.

Man mag von Pierces Tipps halten, was man will – im echten Leben hätten sie wohl nicht funktioniert und man fragt sich, wie er es zu einem erfolgreichen Geschäftsmann gebracht hat. Aber Shirley haben sie aus der Patsche geholfen. Pierce kann also durchaus mehr sein als nur der geschmacklose, verzweifelte Rentner, der in der Lerngruppe wie ein Fremdkörper wirkt.

Irgendwo dort draußen…

Auch auf Troy wartet eine Gelegenheit, sich zu entwickeln und zu wachsen. Im Laborpraktikum an der Seite von Abed muss er mit Mäusen arbeiten, verhält sich dabei allerdings wie ein schreckhaftes Kind. Donald Glover ist entweder ein verdammt guter Schauspieler oder hat selbst Angst vor Ratten - die schiere Panik steht Troy ins Gesicht geschrieben und es ist ein wahrer Anblick für die Götter. Doch das entflohene Tier stellt ein Problem dar, denn ohne Ratte können Abed und Troy ihren Praktikumstag nicht fortsetzen.

Abed bittet seinen Praktikumspartner deswegen, ihm bei der Suche nach Feivel (benannt nach dem Mäusejungen aus dem Film "Feivel, der Mäusewanderer") behilflich zu sein. Doch damit beißt er bei Troy auf Granit, denn nicht nur ist dieser es nicht gewöhnt, anderen zu helfen – er fürchtet sich auch immer noch vor dem Tier. Resigniert sucht Abed alleine den Schacht auf, in den Feivel verschwunden ist, und versucht, die Ratte mit dem Song "Somewhere Out There" (ebenfalls aus "Feivel, der Mäusewanderer) herauszulocken. Nicht lange und er erhält Gesellschaft: Troy scheint an der Freundschaft mit Abed doch etwas zu liegen und so überwindet er seine Ängste, um in den Gesang seines Freundes einzustimmen. Tatsächlich kommt das Tier wieder aus dem Schacht heraus und kriecht ausgerechnet in Troys Hose, als wolle es ihn für sein Zögern bestrafen. Ein bisschen kann er einem Leid tun in diesem Moment.

Highlights und Kuriositäten

  • Liegt es nur an mir oder ist Changs Büro tatsächlich super gemütlich?
  • Immer diese Minoritäten:

    "What? First we get a month of black history, now we're blowing seven days on the Irish."

  • Nicht ich fürchte mich vor ihnen. SIE fürchten sich vor mir:

    "I'm not afraid. I choose not be around rats because they are unpopular. Same goes for centipedes and lakes."

  • Wir lieben Jeff auch:

    "I like you, Winger."

  • Brustmuskeln zum Ausheulen:

    "Let me rest gently on your pecs."

  • Leckeres Kopfkino:"You make no mistake about this, Winger. I pleasured that woman greatly."

Fazit

"Community" hat hier dem Zuschauer eine sehr gute, kurzweilige Folge serviert. Das gesamte Hauptensemble bekam etwas zu tun und wurde gezielt wie effektiv eingesetzt. Charakterlich vernachlässigte Figuren wie Troy, Pierce und Chang unternahmen einen kräftigen Schritt vorwärts und zwischendurch durfte auch der Dekan mit seiner "Green Day"-Aktion die Stimmung auflockern.

Was die Folge besonders überdurchschnittlich macht ist die Verblendung der einzelnen Erzählstränge, die kurz vor Schluss noch einmal durch die Montage zu Abeds "Somewhere Out There"-Gesang deutlich gemacht wird.

Eva T. - myFanbase

Die Serie "Community" ansehen:


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