Bewertung

Review: #4.07 Mauerblümchen

Foto: Blair Brown, Fringe - Copyright: Warner Bros. Entertainment Inc.
Blair Brown, Fringe
© Warner Bros. Entertainment Inc.

Mittlerweile dürfte Baseball wohl die verachtenswerteste Sportart für alle "Fringe"-Fans sein. Schließlich sorgten die World Series nicht nur für eine längere Pause zwischen #4.04 Subject 9 und #4.05 Novation, sondern ist letztendlich auch der Grund dafür, dass #4.07 Wallflower die letzte Folge des Jahres 2011 ist und nicht #4.08 Back To Where You’ve Never Been. Somit musste diese Episode hier also als sogenanntes Herbstfinale herhalten, die gar nicht als ein solches geplant war und die eigentlich als Herbstfinale konzipierte Episode #4.08 wird dann der Auftakt für 2012 sein. Und wer bereits die Vorschau zu #4.08 gesehen oder sich ein wenig darüber informiert hat, der wird schnell feststellen, dass #4.08 wohl viel besser als Herbstfinale funktioniert hätte, da es so scheint, als handele es sich bei der Episode um da erste große Highlight dieser Staffel.

Da diese Folge hier also gar nicht als Herbstfinalfolge, die ja gerne mal etwas größer und spektakulärer ausfallen, konzipiert wurde, werde ich sie auch nicht als solche bewerten. Würde ich es tun, wäre meine Meinung wohl deutlich negativer ausgefallen, denn für ein Herbstfinale ist storybetreffend deutlich zu wenig passiert.

"Are you saying that he was scared to death? Walter, that's just an old wives' tale." "Where is your imagination? You must have been a very boring child." "I'm ignoring that."

Wieder einmal steht ein Fall der Woche im Fokus der Episode, was im Übrigen auch im letztjährigen Herbstfinale, #3.09 Marionette, bereits so war. Der damalige Fall um den perfiden Roland Berrett, der eine bereits verstorbene junge Frau wieder zum Leben erwecken wollte, hat bei den "Fringe"-Fans mittlerweile Kultstatus erreicht. Der Fall, mit dem es das Team in dieser Episode zu tun hat, wird einen solchen Status wohl nicht erreichen, bietet aber dennoch gute Momente. Wieder einmal bekommen wir im Zusammenhang mit dem Fall ein interessantes Einzelschicksal vorgelegt. Diesmal lernen wir einen Mann namens Eugene kennen, der an Albinismus litt und fragwürdige Experimente seine Zellstruktur so veränderten, dass er unsichtbar wurde. Aus dieser Ausgangsstory hätte man jetzt eine muntere Rachegeschichte erzählen können, doch stattdessen fuhr "Fringe" mal wieder die emotionalen Geschütze aus. Und auch in dieser Folge hat das Ganze prima funktioniert, denn Eugenes Bemühen, endlich von der Person wahrgenommen zu werden, in der er sich heimlich verliebt hat, konnte wirklich einige Emotionen entlocken. Besonders die letzte Szene, in der er endlich von seiner Liebe erkannt wird und dann tot im Fahrstuhl zusammenbricht, bot, trotz der Vorhersehbarkeit, einen herzzerreißenden Abschluss der Geschichte. Zudem ist es den Autoren hervorragend gelungen, durch das stückweise Aufdecken von Eugenes Schicksal, ihn für uns Zuschauer richtig zu erwärmen, obwohl man ihn selbst, im wahrsten Sinne des Wortes, selten zu Gesicht bekam. Auch mit dieser Folge bewiesen die Autoren wieder einmal ihr Geschick dafür, interessante Fälle zu schreiben, die dem Zuschauer mehr oder weniger nahe gehen. Und mit diesem Fall haben sich die Autoren zwar nicht gerade ein Bein ausgerissen, aber die stellenweise ruhige unauffällige Erzählweise hat fast schon wieder perfekt zu Eugenes Schicksal gepasst.

"I've been investigating Fringe-Events for three years. I never thought I'd become one."

Ganz penibel betrachtet, lassen sich wieder einmal Parallele zwischen dem Fall der Woche und der Handlung um Peter ziehen. Denn sowohl Eugene als auch Peter haben damit zu kämpfen, dass deren Existenz niemand so recht wahrhaben will. Und die, von denen Peter erkannt wird, sind nicht jene, von denen er erkannt werden möchte. Daher liegt es nahe, dass Peter wieder dort hin will, wo jeder seine Existenz kennt. Welch katastrophalen Auswirkungen das auf meine Wertschätzung gegenüber "Fringe" haben könnte, hatte ich bereits in meiner letzten Review geschildert. Doch halten wir noch einmal fest: ich bin besorgt. Dankenswerterweise wurde meine Besorgnis nach dieser Episode nicht auf ein neues Level befördert, was auch einfach daran lag, dass die Handlung um Peter kaum bis gar nicht thematisiert wurde.

Stattdessen fand sich in dieser Episode erstaunlich viel Platz für die Charaktere und bot so manch gelungene Szene. Insbesondere die sich wohl langsam entwickelnde Männerfreundschaft zwischen Lincoln und Peter war schön mit anzusehen und wird in den kommenden Folgen hoffentlich noch ein wenig intensiviert. Nach wie vor fehlen mir jedoch Szenen zwischen Walter und Peter, von denen es in dieser Episode keine einzige gab. Nach den ganzen Vorbereitungen in den ersten Folgen der Staffel hätte ich durchaus erwartet, dass Peters Rückkehr auf Walter einen stärkeren Effekt haben wird. Für manche wurde dieser Part durch Walters Stellungnahme am Ende von #4.05 zwar abgeschlossen, für mich hingegen steckt aber noch einiges an Potential in der ganzen Sache, weshalb ich es nicht so ganz wahr haben möchte, dass man sich so komplett von der Beziehung zwischen Walter und Peter distanziert.

"I guess we can put this case on the list of things that makes it hard for you to sleep." "That list is getting longer."

Mit das Beste an #4.07 war der Fokus auf Olivia, sowie deren Beziehung zu Lincoln. Es gefällt mir, wie man in dieser Realität an die Geschichte rund um die Cortexiphan-Experimente an Olivia herangeht. In den Staffeln zuvor war uns Zuschauern zwar schon bewusst, dass die Experimente mitverantwortlich dafür sind, dass Olivia so ein introvertierter Mensch geworden ist, aber dass Olivia selbst zu dieser Erkenntnis erlangt, macht deutlich, dass die Experimente in dieser Realität wohl einige stärkere emotionale Auswirkungen auf Olivia hatten. Natürlich wurden die Auswirkungen von Walters Experimenten bereits in zahlreichen anderen Episoden reichlich thematisiert, aber bisher konzentrierte man sich meistens auf die Auswirkungen auf die anderen Testsubjekte, statt auf Olivia selbst. Daher war es schön, endlich mal eine Olivia zu sehen, die sich wirklich um sich selbst sorgt, statt immer nur um ihre Umwelt besorgt zu sein. Sehr interessant waren außerdem ihre Szenen mit Astrid und Lincoln, in denen Olivia und wir Zuschauer erfuhren, dass die Arbeit bei der Fringe-Devision offenbar negative Folgen für die beiden hat – so besucht Astrid wöchentlich einen Psychiater, während Lincoln aufgrund der Dinge, die er während seiner Arbeit erlebt, nachts kaum noch ein Auge zu bekommt. Bisher war es nämlich doch immer verwunderlich, dass es den Charakteren in der anderen Realität nicht wirklich etwas auszumachen schien, einen zum Werwolf mutierten Mann (#1.13 Conrad), ein zum Greis gealtertes Baby (#1.02 Das Experiment), zusammengewachsene Menschen (#2.15 Jacksonville) und geschmolzene Gehirne (#1.12 Hirnfresser) zu sehen. Dass man nun eben anspricht, dass das Ganze doch seine Spuren hinterlässt und für den ein oder anderen Charakter alles andere als einfach zu verdauen ist, ist ein Punkt, der bisher nie wirklich thematisiert wurde und die Charaktere ein wenig menschlicher macht.

Ein besonderes Augenmerk hatten die Szenen zwischen Lincoln und Olivia verdient. Nachdem ich nach der vorletzten Episode noch so sicher war, dass man Olivia und Lincoln nur Partner bleiben lässt, muss ich mich jetzt wohl verbessern. Denn die Szenen zwischen den beiden, die im Übrigen überraschend stimmig ausfielen und teilweise richtigen Spaß machten, lassen erahnen, dass es die Autoren doch nicht bei einer rein freundschaftlichen Beziehung belassen werden. Mittlerweile müsste man dieser Entwicklung aber gar nicht mehr so kritisch gegenüberstehen, denn nachdem Peter in dieser Episode erneut betont hat, dass er nur für "seine" Olivia in "seiner" Realität etwas empfinde und "diese" Olivia ihn völlig kalt lasse, muss man also keine Angst vor einem nervigen Liebesdreieck haben. Und somit ist "Fringe" wohl die einzige Serie, die bestenfalls wirklich jeden Zuschauer glücklich machen könnte: In Realität 2.0 könnten Lincoln und Olivia zusammenkommen, in Realität 1.0 Peter und Olivia und in Universum 2.0 könnten in beiden Realitäten Bolivia und Alt-Lincoln ihr Glück finden. Da könnte selbst das "Traumschiff" einpacken.

Mit einem regelrechten Paukenschlag verabschiedete sich "Fringe" dann aus diesem Jahr, den ich persönlich keinesfalls vorhergesehen hatte: Olivia wird in ihrem Appartement betäubt und bekommt eine unbekannte Flüssigkeit injiziert – unter Anleitung von Nina Sharp. BAM.

Es ist doch wirklich ironisch: In Realität 1.0 misstraut Olivia Nina seit Beginn der Serie und auch wir Zuschauer bekommen einfach das Gefühl nicht los, dass Nina nie mit offenen Karten spielt. Und trotzdem stehen Ninas wahre Intentionen nach wie vor in den Sternen und man kann auch nach drei Staffeln noch nicht wirklich sagen, ob sie letztendlich zu den Guten oder zu den Bösen gehört. In Realität 2.0 hingegen ist Nina Olivias einzige Vertrauensperson und auch wir Zuschauer wurden nahezu hintergangen, indem wir dauernd das Gefühl vermittelt bekamen, dass diese Nina niemals irgendetwas Böses im Schilde führt. Und ausgerechnet dann bekommen wir mit dieser Schlussszene einen Moment geliefert, auf den man seit Jahren wartet und uns offenbart wird, dass Nina definitiv ein böses Spielchen treibt – aber eben in einer anderen Realität.

Das Ende hatte es wirklich in sich und wirft doch so manch interessante Fragen auf. Was genau wurde Olivia injiziert? Und wieso? Werden an ihr, ohne ihr Wissen, schon seit Jahren weitere Mittel getestet? Steckt hinter Nina Sharp eine rücksichtslos Wissenschaftlerin, oder hat ihr Verhalten gar etwas mit dem roten Faden der Serie zu tun? Hoffentlich verwirft man diese ganzen Fragen nicht, wie schon so oft in der Serie. Denn das Ende war wirklich überraschend und bietet Unmengen an Potential. Allein schon die Tatsache, Nina vielleicht wirklich endlich in der Rolle einer möglichen Antagonistin zu sehen, lässt für mich fast schon einen Traum wahr werden.

Fazit

Für ein Herbstfinale fiel #4.07 Wallflower natürlich ein wenig zu unspektakulär aus, doch bereits #3.09 Marionette hatte eigentlich bewiesen, dass das gar nicht so schlimm sein muss. An diese Qualität kam #4.07 zwar nicht heran, aber der Fall der Woche bot einige sehr schöne Momente und auch den Charakteren wurden interessante Szenen gewidmet. Zudem schnitt man in dieser Episode einige Aspekte an, die mir bislang in der Serie fehlten, wozu auch der Cliffhanger zählt, der die Folge ein wenig aus der Belanglosigkeit rettete. Insgesamt ist #4.07 also eine sehr solide Episode mit der "Fringe" das Jahr ruhig ausklingen ließ. Daher ist es zu verkraften, dass man auf #4.08 Back To Where You’ve Never Been noch ein wenig länger warten muss, mit der Hoffnung natürlich, das sich das Warten auch lohnen wird – und dass die Autoren so einige gute Vorsätze, was "Fringe" betrifft, für 2012 parat haben.

"Hey Walter, why did we just get a bill for 818 Dollars? You know I'm going to be the one to take the blame for this." "

"Tell Agent Broyles that science has no price tag!"

"I'm sure he'll be very pleased to hear that."

Manuel H. - myFanbase

Die Serie "Fringe - Grenzfälle des FBI" ansehen:


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