Review: #19.15 Die Macht der Gene
Als kürzlich angekündigt wurde, dass Kelly McCrearys aka Maggie aus "Grey's Anatomy - Die jungen Ärzte" aussteigen würde, las ich unter einem der Artikel den Kommentar, dass es doch merkwürdig sei: Maggie sei schon so lange Teil des Casts und doch fühle es sich immer noch so an, als sei sie erst frisch dabei. Dies unterstreicht, wie ich finde, wie zwiegespalten Fans bezüglich der Figur Maggie waren und es wahrscheinlich immer noch sind. Wo sie anfangs Teil großer Storylines war und damit schnell zu einem tollen und potentialvollen Charakter avancierte, verfrachtete man sie meiner Meinung nach ab Staffel 13 in merkwürdige Liebesdreiecke, in denen sie stets den Kürzeren zog. Den größten Unmut der Fans zog die Figur wahrscheinlich auf sich, als man sie beschuldigte, für das Liebesende von Jackson und April verantwortlich zu sein. Erst mit Winston wurde eine Liebesgeschichte für Maggie entwickelt, in der Maggie für die, die sie war, geliebt wurde und mit dem sie eine wirklich schöne Beziehung aufbauen konnte. Doch auch diese Beziehung stand nicht im Zentrum der Aufmerksamkeit, wo sich die Figur Maggie generell in den letzten Staffeln nicht wirklich befand. Es ist schon irgendwo merkwürdig: Ihr erster Auftritt wirbelte so viel auf, präsentierte eine entschlossene und begabte junge Frau, die ihre Wurzeln erkunden und herausfinden wollte, wer sie eigentlich ist. Wurde das Potential dieser Figur aber je wirklich ausgeschöpft?
Gewissermaßen wird diese Frage mit dem inneren Konflikt beantwortet, in dem sich Maggie nach einem weiteren Konflikt mit Winston wiederfindet: Ist sie kalt und empathielos, wenn sie sich für den Job in Chicago entscheidet, und damit genau so wie ihre biologische Mutter Ellis Grey? Das sieht zumindest Winston so, der Maggies Wunsch nach einem gemeinsamen Umzug nach Chicago radikal ablehnt. Für ihn fühlt es sich so an, als habe er bereits den Job in Seattle nur wegen Maggie erhalten, was er nicht ein zweites Mal erleben möchte. In Seattle baut er sich gerade einen eigenen Namen auf, wird nicht nur als Maggies Ehemann gesehen. Er bittet daher Maggie, zu bleiben, ähnlich wie er, der selbst gegen das Erbe seines umtriebigen Vaters ankämpft, die "kalten" Gene der unnahbaren Ellis Grey in ihr zu überwinden. Das ergibt aus Winstons Sicht durchaus Sinn und doch finde ich es wahnsinnig unfair, von Maggie zu verlangen, nicht wie ihre biologische Mutter zu sein, die sie selbst ja nie kennengelernt hat. Da aber Winston und Maggie allerdings im Prinzip den Konflikt spiegeln, der immerhin Ellis und Thatcher Grey einst auseinandertrieb, kann ich das als Parallele und Winstons Frage als Anspielung darauf verbuchen.
Aber was ist es nun, was dominiert, Gene oder Sozialisation? Die eigene Karriere priorisieren oder die Beziehung mit Winston? Erneut muss sich Maggie, wie zu Beginn ihrer Zeit in Seattle damit auseinandersetzen, wer sie eigentlich ist. Am meisten scheint ihr dabei interessanterweise Catherine weiterzuhelfen, die ihr zum einen aufzeigt, wie sehr sie ihrem biologischen Vater Richard ähnelt, zum anderen aber, dass sie ihre eigene Person ist. Dies mündet schließlich in der Realisation, dass beide ihre Mütter, Ellis wie Diane, darunter zu leiden hatten, sich für ihre Familie und gegen die Erfüllung ihrer eigenen Ziele und Bedürfnisse entschieden zu haben. Maggie entscheidet sich daher für den Weg, den ihre Mütter nicht gegangen sind und will ihrem Instinkt folgen. Weder sie noch Winston sind am Beziehungsende verschuldet, es funktioniert einfach nicht mehr, weil ihre Pläne und Wünsche auseinandergehen. Ich fand das Trennungsgespräch mit Winston sehr passend und freue mich, dass die beiden eigentlich im Frieden auseinandergehen. Noch ist für mich hier aber nichts in Stein gemeißelt. Warum eine Fernbeziehung zwischen Chicago und Seattle nicht möglich sein soll, während Richard und Catherine beispielsweise seit Jahren eine erfolgreiche zwischen Boston und Seattle führen, kann ich nicht ganz nachvollzeihen. Vielleicht kommt das ja noch – Kelly McCreary soll ja noch mal im Laufe dieser Staffel vorbeischauen.
Große Abschiede von den anderen Figuren finden neben Catherine mit Richard und Amelia statt. Richard zeigt sich in dieser Folge wieder von seiner besten Seite, nachdem er in der letzten so unglaublich genervt hat. Dafür musste Catherine ihm nicht mal den Kopf waschen – Richard leidet einfach, genau wie Amelia, unter den ganzen Veränderungen im Krankenhaus (weswegen ich mir wünsche, dass die beiden vielleicht sich zusammentun und umeinander kümmern werden). Der Abschied von Maggie mündet in einer süßen Szene, in der er Maggie eine kleine Bank schenkt, als Anspielung an den Moment, in welchem er realisierte, dass Maggie seine Tochter ist. Dieser berührender Abschied wird nur von dem großen tearjerker-Moment im Aufzug übertroffen, in dem sich Maggie erneut mit ihren beiden Müttern konfrontiert und von beiden unterstützt fühlt, den nächsten Schritt zu wagen. Ist somit Maggies Existenzsuche, ihre große Storyline abgeschlossen? Das auf jeden Fall. Für ein rundes Ende fehlt jedoch das Gefühl, dass Maggie alles in Seattle erreicht hat, was ihr möglich war. Schlussendlich bleibt es für mich bei einem sehr plötzlichen Ausstieg und ich habe das Gefühl, dass auf dem Weg einiges an Potential für Maggie liegengeblieben ist.
Eines der schönsten Elemente der vergangenen Staffeln war stets das Gespann der drei Schwestern. Nachdem es bei Merediths Umzug nicht wirklich eine gemeinsame letzte Szene mit Maggie und Amelia gab, gibt es immerhin in dieser Folge ein tolles Gespräch, in dem Amelia und Maggie einfach einander beistehen und sich gegenseitig beraten. So sehr ich die Szenen der Schwestern im Dreiergespann geliebt habe, so sehr mochte ich auch immer die Momente, die Maggie und Amelia alleine geteilt haben. Für mich hatten die beiden stellenweise eine innigere und vertrautere Beziehung als jeweils mit Meredith, weswegen ich ihre Schwesternschaft sehr vermissen werde.
Leider hört Amelia nicht auf Maggie und lässt sich von ihrer Angst, verlassen zu werden, leiten. Amelia klammert, anders kann man es nicht ausdrücken: Sie bezieht Kais Entscheidung radikal auf sich und setzt Kai damit ziemlich unter Druck, indem sie Kais Wünsche wieder und wieder ignoriert, sich passiv-aggressiv zeigt und Kai ihre Unterstützung versagt. Stattdessen sorgt sie für ein Jobangebot in Seattle, das Kai nicht annehmen möchte. Kai wünscht sich nämlich keine festere Beziehung mit Amelia und glaubt, es sei gut, dass Amelia quasi zwei, voneinander strikt getrennte, Leben führt, eines als Mutter von Scout und eines in Partnerschaft mit Kai. Doch auch Kais Verhalten ist meiner Meinung nach egozentrisch, schließlich hat Kai Amelia niemals in den Entscheidungsprozess für oder gegen London involviert, sondern Amelia einfach vor vollendete Tatsachen gestellt.
Beide agieren also ziemlich ichbezogen und so ist es nicht verwunderlich, dass auch diese Beziehung in dieser Folge zerbricht. Das ist schade, gerade, weil man so wenig von Kai in dieser Staffel zu sehen bekommen hat. Dennoch überrascht es mich nicht, da ich schon immer den Eindruck hatte, dass Amelias und Kais Leben nur schwer miteinander kompatibel sind. Trotzdem finde ich diese Storyline sehr spannend. Amelia verhält sich nämlich, wie ich finde, in gewisser Weise wie Link in der Beziehung mit ihr: Er hatte konkrete Vorstellungen von einem gemeinsamen Leben mit Amelia und liebte sie so sehr, dass sich Amelia dadurch in ihrer Freiheit eingeschränkt und unter Druck gesetzt gefühlt hat. Amelia nun in dieser verzweifelten, eigentlich schon abhängigen Position zu sehen, ist schmerzhaft, zeigt jedoch durchaus weitere Entwicklungsmöglichkeiten für sie auf. Es wird sich abzeichnen, wie sie mit den vielen Verlusten, die sie in letzter Zeit erlitten hat, umgehen wird.
Was sonst noch geschah
Neben den großen Entwicklungen um Maggies Abschied und den Umwälzungen in Amelias Leben passiert in dieser Folge nicht sonderlich viel. Der tolle Patientenfall um Grayson geht weiter und präsentiert Levi einmal mehr als empathischen, tollen Arzt, der genau weiß, wie er zu seinen Patient*innen durchdringen kann. Dies zementiert, wie auch Richard bemerkt, immer mehr Levis Karriere als Kinderchirurg. Die Bar Mitzva sowie ihre Planungen stellen dazu eines der Highlights dieser Folge und sorgen nach langer Zeit erstmals wieder für eine wirklich aufgelöste Stimmung im Krankenhaus, wobei ich nicht weiß, was ich süßer fand: Graysons Urgroßvater, der mit Grayson seine Bar Mitzva feiern darf, oder die kleine Prue, die mit Blue und Lucas zwei hingebungsvolle Babysitter und Tanzpartner an die Seite gestellt bekommen hat. Bailey kommandiert nämlich zum zweiten Mal in Folge die Anfänger*innen mit nicht-chirurgischen Aufgaben ab und betreut Lucas mit Prues Pflege, nachdem sie diese nach den Ereignissen der letzten Folge nicht mehr ohne Daueraufsicht lassen möchte. Prue ist und bleibt ein Scene Stealer und auch Bailey kann in ihren wenigen Szenen überzeugen (der Dialog mit Lucas, warum er als Shepherd ein großartiger Babysitter ist, war zum Schreien), obwohl ich es schade fand, dass sie keine letzte gemeinsame Szene mit Maggie bekommen hat.
Darüber hinaus nimmt Mikas Dauerbelastung langsam Überhand und so verschläft sie eine Operation mit Amelia und Owen, worauf letzterer ihr eine ziemlich klare Ansage macht. Noch ist nicht abzusehen, ob Mika rechtzeitig einsehen wird, dass sie als Ärztin nicht zwei Jobs gleichzeitig haben kann, oder ob sie tatsächlich auf ein Burn-Out zurast. Jules und Simone hingegen dürfen tatsächlich etwas lernen und bauen mit Winston bzw. Maggie Mentor*innen-Schülerinnen-Beziehungen auf, wobei ich im Falle von Jules und Winston irgendwie befürchte, dass das Ganze eine weitere Ebene erhalten wird. Irgendwie hatte ich den Eindruck, dass hier irgendwie ein Flirt in der Luft lag – bestimmt habe ich mir das nur in der völligen Ermüdung, in der ich diese Folge gesehen habe, eingebildet. Simone nervt nach der letzten Folge zum Glück nicht mehr, sondern zeigt sich als gute Ärztin, die mit Maggies Hilfe die gleichaltrige Tobey bei ihrer Brustkrebsdiagnose unterstützt.
Eines der wenigen Mankos dieser Folge stellen für mich überraschenderweise Jo und Link bzw. Jos Verhalten dar. Lunas Hördefizite wurden nun diagnostiziert und sie verliert tatsächlich mehr und mehr ihren Hörsinn. Jos Verzweiflung darüber, dass ihre Tochter wieder solche gravierenden gesundheitliche Probleme hat, ist sehr verständlich, doch gewissermaßen hatte ich den Eindruck, dass man hier einen Schritt zu weit ging. Wie Link deutlich gemacht hat, gibt es heutzutage einige Mittel, höreingeschränkten Menschen zu helfen, doch Jos heftige und überforderte Reaktion lässt Lunas Diagnose wie ein unglaublich schweres Schicksal wirken. Das halte ich für etwas problematisch, da so Lunas Behinderung als gravierende Einschränkung dargestellt wird und nicht als etwas, mit dem sie und Jo leben lernen könnten. Dazu fand ich Jo ziemlich unfair gegenüber Link, der wieder einmal super süß und unterstützend war und ihre harschen Worte nicht verdient hat. Meine Enttäuschung über Jo schränkt jedoch nicht mein Interesse an dieser Storyline ein, die ich weiter spannend finde.
Fazit
Ein schöner Abschied ohne rundes Ende, zwei schmerzhafte, aber nicht aufzuhaltende Trennungen und lauter kleine tolle Momente, gerade aufgrund von Prue und Levi. Der zweite Teil von Maggies Ausstiegsfolge ist um einiges stärker als der erste und sorgt für kleine emotionale Highlights dieser Staffel. Werde ich Maggie vermissen? Vermutlich nicht, um ehrlich zu sein. Doch es wird interessant, zu sehen wie ihre Abwesenheit die Dinge in der Serie verändern wird.
Lux H. - myFanbase
Die Serie "Grey's Anatomy - Die jungen Ärzte" ansehen:
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Diskussion zu dieser Episode
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Informationen zur Episode
Englischer Titel: Mama Who Bore MeErstausstrahlung (US): 13.04.2023
Erstausstrahlung (DE): 31.07.2023
Regie: Linda Klein
Drehbuch: Alyssa Margarite Jacobson
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