Bewertung

Review: #8.24 Der große Abflug (2)

Es spielt keine Rolle, wie sehr man sich dieses Flugzeugabsturz-Szenario im Kopf bereits ausgemalt hat, bevor man das Finale überhaupt zu Gesicht bekam. Dieses Finale ist schockierend, traumatisierend und steht in puncto Intensität dem Amoklauf aus #6.23 Der Tod und seine Freunde (1) und #6.24 Der Tod und seine Freunde (2) in Nichts nach. Wie schon damals sitzt man einfach mit geöffnetem Mund vor dem Bildschirm und versucht irgendwie die Fassung zu bewahren.

"The years we spent as surgical residents will be the best and worst of our lives. We will be pushed to our breaking point. This is the starting line. This is our arena. How will we play? That's up to us."

Was für ein großartiger Anfang für so eine Folge, die im Grunde genommen das Ende der Assistenzzeit für viele Charaktere bedeutet. Die Bilder von 1.01 Nur 48 Stunden zeigten einem, wie viel Zeit vergangen ist, und man erinnerte sich daran, wie turbulent das Leben der Assistenzärzte bisher verlaufen ist. Ausgerechnet am Ende dieser Etappe, die eigentlich Euphorie für die Zukunft wecken sollte, werden Meredith und Cristina mitsamt ihrer Freunde mit einer Katastrophe konfrontiert, die sie ihr Leben lang nicht mehr loslassen wird.

Seit dem Zeitpunkt, wo Meredith am Boden liegend zu sich kommt, ist jede einzelne Szene, die sich am Ort des Absturzes abspielt, intensiv. Man teilt einfach den Schock dieser Charaktere, die sich eine Glasscherbe aus dem Bein ziehen, eine ausgerenkte Schulter wieder eingerenkt bekommen, sich selbst mit einem Stein auf die Hand schlagen und einen offenen Beinbruch behandeln. Momente des Grauens, die aber im Vergleich zu Lexies Verletzungen nicht mal so dramatisch wirken. Diese ist unter einem Teilstück des Flugzeuges begraben und es reichen wenige Sekunden aus, um zu realisieren, dass das das Ende sein könnte. Viel Zeit zum Verschnaufen bleibt da nicht, denn die Folge ist nicht mal halb rum und da erliegt Lexie bereits ihren Verletzungen. Six went down. One will die. Das sagte die Promo zur Folge im voraus und obwohl man informiert war, trifft einen dieser Tod wie ein Schlag. Es ist tatsächlich eine Überraschung. Die ganze achte Staffel über wartete man auf das erneute Zusammenkommen von Lexie und Mark und konnte es kaum abwarten. Nun sind die beiden das tragischste Liebespaar in der Serie überhaupt. Das Paar, was sich letztlich nicht bekommen hat. Ein großes Lob muss hier eindeutig an Chyler Leighs letzten Auftritt in der Serie und an Eric Dane ausgesprochen werden, die diese Szene so unglaublich emotional gestaltet haben. Mark hat man noch nie zuvor in so einer Verfassung gesehen und die Worte an seine große Liebe hätten bewegender nicht sein können.

Lexie Grey ist tot und das dürfte vielen Fans sehr nahe gehen, schließlich gehörte dieser Charakter zu den Lieblingen. Das ist eine drastische Entscheidung und ich muss Shonda Rhimes ihren Mut zugestehen. Am Tag nach der US-Ausstrahlung hat sie in einem Statement erläutert, wie schwierig ihr das Schreiben dieser Folge fiel und dass sie diese Entscheidung gemeinsam mit Chyler Leigh getroffen habe. Anders hätte ich mir so einen Schritt auch gar nicht vorstellen können, denn wäre die Schauspielerin für eine weitere Staffel verfügbar gewesen, dann käme Shonda Rhimes sicherlich nicht auf die Idee, so einen bedeutenden Charakter sterben zu lassen. So gesehen ist es also sinnlos, auf die Autoren einen Groll zu hegen. Grundsätzlich wurde der Flugzeugabsturz voraussichtlich nur inszeniert, weil es noch ungewiss ist, wer denn genau in der nächsten Staffel wieder dabei ist, das bedeutet allerdings nicht, dass diese Situation aus kreativer Sicht unbefriedigend gelöst wurde. Es gibt Drama, aber schließlich schauen wir auch "Grey's Anatomy", was ich genau für die spannende Darstellung von Drama liebe.

Nach diesem Schock war ich emotional so mitgenommen, dass ich für den Rest der Folge nicht mal ansatzweise daran denken konnte, die Fassung zu bewahren. Die Szene, als Meredith bei Lexie weinend zusammenbricht, Mark fast schon apathisch drein blickt und Cristina stillschweigend vor sich hin weint, untermalt das Horror-Szenario perfekt. Es ist herausragend gelungen darzustellen, in welchem Schockzustand sich die Ärzte befinden. Arizonas unermüdliches Schreien mitsamt späterem Lachen darüber, dass sie mit einer orthopädischen Chirurgin verheiratet ist und auf ihren Knochen schaut, oder Cristina, die einfach ihren Schuh vermisst, zeigen diese traumatischen Auswirkungen. Trotz dieses Leides gibt sich Cristina nicht geschlagen und sie ist die treibende Kraft, die alle dazu animiert, weiter zu machen und nicht aufzugeben. Ihre Rede darüber ist wirklich beeindruckend, weil sie zudem zusammenfasst, was diese Ärzte alles schon durchmachen mussten: "If there is one thing that I learned with all the bombs and guns to my head and the buses running down my friends is that I am not interested in dying." Das sagt einfach alles aus.

Die zwischenzeitlichen Wechsel ins Seattle Grace/ Mercy West oder sollte ich lieber Mercy Death sagen, nahmen ein wenig den Schwung heraus, doch auf der anderen Seite hatte man somit Zeit zum Durchatmen. Auch dort stehen zukunftsweisende Veränderungen an, denn es ist Zeit, von noch einem Charakter Abschied zu nehmen. Teddy Altman verlässt das Krankenhaus, um im Army Medical Comand (MEDCOM) die Stelle als Chief einzunehmen. Ich gebe zu, dass ich länger brauchte, um mit ihr warm zu werden, doch im Laufe der Staffel hat sie sich zu einem bedeutenden Charakter entwickelt und ihr Abschied hat mich sehr berührt. Lange Zeit musste man die Freundschaft zwischen Teddy und Owen missen, allerdings wurde diese noch nie so bewegend dargestellt wie jetzt. Sie möchte nur wegen ihm nicht gehen, obwohl sie das Krankenhaus so sehr an Henry erinnert. Dass er daraufhin die Kündigung ausspricht, um sie dennoch zum Gehen zu verleiten, ist ein selbstloser Akt von Owen und gibt Teddy ein würdiges Ende. Neben dieser Handlung hat mich April wieder emotional mitreißen können. Ja, sie ist für ihre Lage selbst verantwortlich, trotzdem wünscht man ihr eine positive Wendung, denn sie hat was besseres verdient. Währenddessen haben sich Bailey und Ben verlobt und Webber wartet geduldig auf Meredith und Cristina, um gemeinsam mit allen übrig gebliebenen Assistenzärzten zu feiern. Das ist eine sehr liebe Geste, hat Webber doch so eine Art Vaterrolle für die Ärzte eingenommen.

"Life changes in an instant. Turns on a dime. One minute you are miserable and next..."”

Genau. Was passiert als nächstes? Meredith und Co. kämpfen nach wie vor ums Überleben. Besonders Arizonas und Marks Zustand wirkt dabei kritisch. In einem herzzerreißendem Moment war er sogar bereit dazu zu sterben, da er unbedingt Lexie wieder sehen möchte, und für eine Sekunde dachte ich wirklich, dass er sterben wird. Irgendwie kann ich mir ein Leben für ihn ohne Lexie gar nicht vorstellen. Arizonas heimliches Blutspucken könnte auch noch eine böse Überraschung bereit halten. Wie noch nie zuvor ist der weitere Verlauf der Serie ungewiss. Eigentlich wollten so viele Charaktere das Krankenhaus verlassen, doch vermutlich hat man mit Lexies Tod einen trifftigen Grund gefunden, der dem entgegenwirkt. Meredith wird trauern und Derek kann mit nur einer gesunden Hand nicht sofort wieder ins Berufsleben einsteigen. Damit wird aus Boston nichts. Wenn Alex erst mal erfährt, was überhaupt passiert ist, wird er sich bestimmt nicht sofort vom Acker machen. Er hätte an Arizonas Stelle sein können und noch weiß man nicht, ob diese überhaupt lebend zurückkommt. Cristina will zwar unbedingt gehen, doch sie könnte wegen Meredith bleiben und vielleicht sogar, weil Owen um sie kämpfen möchte. April könnte vielleicht wieder im Krankenhaus arbeiten, jetzt wo das Personal dezimiert ist. Jackson könnte wegen ihr bleiben und/oder weil er für Mark da sein möchte. Lexies Tod wird auch an ihm nicht spurlos vorübergehen. Noch können so viele Variablen die Zukunft bestimmen und das Warten auf Antworten wird wie immer kein Vergnügen sein. Auch ohne einen Cliffhanger will man immer wissen, wie es weiter geht, doch mit dieser angestauten Ungewissheit ist es noch sehr viel schlimmer. Komme was wolle, die neunte Staffel wird noch einiges zu erzählen haben.

Lukas Ostrowski - myFanbase

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