Bewertung

Review: #8.24 Der große Abflug (2)

Es gibt eine Menge Dinge, für die "Grey’s Anatomy" in die Fernsehgeschichte eingehen wird, bzw. schon eingegangen ist: lange Laufzeit, weltweite Popularität, viele Auszeichnungen ... und besonders traumatische Staffelfinals. In der allerletzten Episode einer "Grey's Anatomy"-Staffel muss man inzwischen mit allem rechnen und darf sich nicht über Nebenwirkungen wie verheulte Augen, abgekaute Fingernägel und tief empfundenen Herzschmerz wundern. In diesem achten Staffelfinale müssen wir erleben, wie sechs Hauptcharaktere um ihr nacktes Überleben kämpfen – und einer von ihnen bereits nach kurzer Zeit den Kampf verliert.

Lexie ist tot. Little Grey, Lexipedia, die weibliche Hälfte eines der wichtigsten "Kriegen sie sich oder kriegen sie sich nicht?"-Paare von "Grey's Anatomy", hat sich verabschiedet. Ihr Tod zählt natürlich zu den erschütterndsten Szenen der gesamten Serie und dürfte so einige Zuschauerherzen zerrissen haben. Lexie war ein liebenswerter Charakter, der auch immer viel Humor in die Serie gebracht hat. Es war wirklich schön zu erleben, wie sie und Meredith nach einigen Anfangsschwierigkeiten als Schwestern zueinander gefunden haben. Auch das Verhältnis zwischen Lexie und Derek, das eine Mischung aus geschwisterlicher Beziehung und Lehrer-Schüler-Verbindung war, hat mir gut gefallen. Lexies Romanze mit Mark schließlich hatte ihre Höhen und Tiefen und wusste ganze Diskussionsforen zu füllen. Dass Lexies Tod nun vielen Zuschauern erst einmal den Spaß an der Serie nimmt, verwundert nicht. Es gibt sicherlich nicht wenige Fans, die momentan ein Boykott der neunten Staffel sowie aller möglicherweise noch folgenden Seasons planen.

Fakt ist aber, dass Lexie-Darstellerin Chyler Leigh bereits zu Beginn dieser Staffel in einigen Folgen gar nicht zu sehen war, da sie mehr Zeit für ihre Familie wollte. Der nun endgültige Ausstieg war ihre Entscheidung und auch die Art ihres Abgangs hat sie mit Shonda Rhimes zusammen kreiert, wie letztere in einem Statement bekannt gab. Hätte es trotzdem andere, bessere Wege gegeben, Lexie glaubwürdig aus der Serie zu schreiben? Oder hätte die gesamte Serie vielleicht mit dieser achten Staffel enden sollen, ohne den Flugzeugabsturz? Zwei Fragen, die man in der ersten Erschütterung über Lexies Tod mit Ja beantworten möchte, doch ganz so einfach ist es nicht. Noch steht uns eine neunte Staffel bevor, nach der wir klüger sind.

Lexies Tod hat selbstverständlich große Auswirkungen auf die anderen Charaktere, besonders auf Mark und Meredith. Mark würde Lexie am liebsten sofort ins Jenseits folgen. Ein Hauch von "Romeo & Julia" weht also durch die Episode. Mark bereut es, dass er Lexie nach ihrer Liebeserklärung in der Episode #8.22 nicht gleich geantwortet hat, doch immerhin konnte er ihr jetzt noch sagen, wie sehr er sie liebt, so dass sie mit einem leisen Lächeln auf den Lippen gestorben ist. Die bittere Ironie, dass sich Mark und Lexie zweimal getrennt haben, weil Lexie noch zu jung für das Leben war, dass Mark wollte, und sie nun stirbt, ohne je das Alter erreichen zu dürfen, in welchem sie heiraten und Kinder bekommen will, ist mal wieder klassisches Grey's-Kino. Dass Mark jetzt noch mit Julia zusammenbleibt, halte ich für ziemlich unwahrscheinlich. Im Prinzip ist Julia die personifizierte Erinnerung an Lexies letztes "Ich liebe dich" an Mark. Wenn es für ihn noch ein Liebes-Happy-End gibt, dann wohl eher mit einem Charakter, den wir erst noch kennen lernen müssen.

Vorausgesetzt natürlich, Mark überlebt. Noch ist ja gar nicht gesagt, dass Lexie das einzige Todesopfer bleibt. Meredith, Derek, Cristina, Arizona und Mark (plus Jerry, der Pilot) sitzen nach wie vor im Wald fest, allesamt verletzt, ohne Nahrung und frierend. Wenn ich einen Tipp abgeben müsste, wer die schlechtesten Überlebenschancen hat, würde ich Arizona nennen. Tatsächlich scheinen viele Details der vorangegangenen und dieser Episode anzudeuten, dass sie sterben wird. Zum einen wäre da der Umstand, dass eigentlich Alex in dem Flugzeug hätte sitzen sollen, nicht sie selbst, und zum anderen hat sie Callie kurz vor ihrer Abreise gebeten, sie nie zu verlassen. Das sind schon mal zwei sehr besorgniserregende Vorzeichen. Davon kommen in dieser Folge gleich noch weitere zum Vorschein, denn die ahnungslose Callie erwähnt daheim in Seattle mehrmals, wie glücklich sie mit Arizona ist. Oh-oh! Alex spricht Arizona auf die Mailbox, dass er ihr alles zu verdanken hat, es nun aber ohne sie schaffen will. Noch ein Oh-oh! Arizona spuckt Blut und ist somit schwer verletzt, verschweigt dies aber vor ihren Leidensgenossen. Das dritte Oh-oh! In Katastrophendramen gibt es sehr häufig einen Charakter, der die Schwere seiner Verletzungen verbirgt, um die anderen nicht noch mehr zu belasten, und dann letztlich das Zeitliche segnet. Wer noch ein viertes Oh-oh braucht, bitte schön: Arizona schärft Mark ein, dass er nicht sterben darf, denn Callie und Sofia brauchen ihn noch.

So oder so werden die fünf Ärzte schwer gezeichnet sein, physisch wie psychisch. Dereks Hand ist kaputt, so dass er sicher eine ganze Weile nicht mehr operieren kann, vielleicht nie wieder. Arizonas Bein wird auch nicht von heute auf morgen heilen, ebenso wenig wie Marks innere Verletzungen. Ob Meredith, Cristina, Alex und Jackson unter diesen Umständen tatsächlich an andere Krankenhäuser wechseln werden, ist zweifelhaft. Sie werden mehr den je gebraucht. April hat nun auch gute Chancen, weiter beschäftigt zu werden, indem sie gewissermaßen Lexies Platz einnimmt.

Diese Episode als Ganzes zu bewerten, fällt nicht gerade leicht. Sie ist schockierend und bewegend, aber in meinen Augen nicht optimal inszeniert. Da Lexie schon ziemlich früh in der Folge stirbt und damit der Höhepunkt lange vor dem eigentlichen Cliffhanger erreicht wird, nehmen die Spannung und die Emotionalität immer weiter ab. Nichts anderes, was in der Episode noch passiert, reicht an den Höhepunkt heran. Vieles interessiert einen gar nicht mehr wirklich, wie Bens und Baileys Glück oder Teddys Abschied. Ich verspüre auch keinerlei Bedürfnis, über diese Ereignisse zu schreiben.

Hinzukommt, dass der ganze Absturz einige Fragen aufwirft. Warum funktioniert in dem Flugzeug wirklich gar nichts, nicht einmal die Leuchtpistole? Sogar vor 100 Jahren auf der Titanic, bekanntlich nicht gerade das Musterbeispiel für gute Notfallorganisation, gab es funktionierende Leuchtpistolen. Und warum dauert es solange, bis die Nachricht vom Verschwinden seiner Leute Owen erreicht? Wieso wundert es niemanden, dass Meredith und Co. nicht kontaktierbar sind? Wenn die halbe chirurgische Belegschaft außer Haus geschickt wird, sollte man doch meinen, dass das Heimatkrankenhaus eine gewisse Form von Kontakt aufrechterhält, und dass das Ausbleiben eines solchen Kontakts Verdacht erregt. Das ganze Szenario wirkt einfach nicht stimmig genug.

Maret Hosemann - myFanbase

Die Serie "Grey's Anatomy - Die jungen Ärzte" ansehen:


Vorherige Review:
#8.23 Der große Abflug (1)
Alle ReviewsNächste Review:
#9.01 30 Tage

Diskussion zu dieser Episode

Du kannst hier oder in unserem Forum mit anderen Fans von "Grey's Anatomy" über die Folge #8.24 Der große Abflug (2) diskutieren.