Bewertung

Review: #13.09 Untergangsstimmung

Foto: Kevin McKidd, Grey's Anatomy - Copyright: 2017 ABC Studios
Kevin McKidd, Grey's Anatomy
© 2017 ABC Studios

Wie so oft lässt sich das Thema dieser Folge, Schuld und Reue, auch auf die Serie selbst beziehen. Avancierte die Serie nämlich mit der letzten Staffel noch zu einer der besten Serien der vergangenen TV-Season, war sie zuletzt nur ein schuldiges Vergnügen, das sogenannte Guilty-Pleasure. Man hat es uns aber auch nicht leicht gemacht – das unnötige Liebesdreieck, die inhaltsleeren Episoden sowie der teilweise kaum existierende und wenn dann träge Handlungsverlauf, ließen kaum Spannung zu. Und jetzt diese Folge, die sich auf die Stärken von "Grey's Anatomy – Die jungen Ärzte" so großartig bezieht, dass ich nicht darum herum kam, die Höchstpunktzahl zu vergeben! Großartige Patientenfälle, berührende Charaktermomente, weitreichende Entwicklungen und als Sahnehäubchen eine wunderbare musikalische Gestaltung! Das ist "Grey's Anatomy" at its best!

Kampf oder Flucht

Im Zentrum dieser Folge steht erneut Alex, dessen Zukunft immer noch auf der Kippe steht. Nachdem er sich sowieso sicher ist, ins Gefängnis zu wandern, will er sich nun schuldig bekennen und die zwei Jahre Gefängnis, die ihm als Ausgleich angeboten wurden, auch annehmen. Ursache dafür ist Jo, denn diese entscheidet sich endlich ihm die Wahrheit zu sagen! Wie lange mussten wir darauf warten? Wie oft habe ich Jos Charakterstagnierung kritisiert und war enttäuscht, wie man ihre Entwicklung auf das Abstellgleis gestellt hat? In dieser Folge macht sie einen gewaltigen Schritt nach vorne und stellt sich ihren Ängsten: Da sie von Alex' Anwalt als Zeugin einberufen wird, sieht sie sich selbst mit einer möglichen Haftstrafe konfrontiert. Würde sie nämlich vor Gericht lügen und ihre Vergangenheit verschweigen, könnte sie alles verlieren, was sie sich aufgebaut hat und selbst ins Gefängnis wandern.

In wirklich bewegenden Szenen sehen wir eine Annäherung von Jo und Alex, auf die man so lange gewartet hat: Alex entschuldigt sich zunächst bei Jo für seine harten Worten ihr gegenüber, woraufhin Jo sich endlich dazu durchringt und ihm die Wahrheit über sich verrät. Auch einleuchtend sind Jos Gründe, nicht Alex von ihrer Vergangenheit zu berichten: Sie wollte ihn davor bewahren, ihren Ehemann zu suchen und in die Probleme zu geraten, in die er nun sowieso gekommen ist. Alex' Verhalten Jo dabei ist auch charakteristisch für seine Entwicklung in den letzten Folgen. Anders als vielleicht erwartet, folgen keine Vorwürfe oder Verständnislosigkeit, sondern ein wahrhaft reifes, erwachsenes Verhalten von Alex, das zeigt, dass sich nichts für ihn verändert hat und er Jo immer noch liebt.

So ist es verständlich, dass Alex nun doch die Haftstrafe antreten will, um Jo vor ihrem Ehemann zu beschützen. Doch hier hat er nicht mit Meredith gerechnet. Die Freundschaft der beiden hat sich zuletzt als absolutes Qualitätsmerkmal dieser Staffel erwiesen und immer für die besten Szenen gesorgt. Auch in dieser Folge wird demonstrativ unterstrichen, warum diese Freundschaft zur zentralen Beziehung der Serie avanciert ist. Beide denken nur an den anderen und stellen dessen Wohlergehen vor ihr eigenes in den Vordergrund: Während Meredith Alex' Fels in der Brandung ist und will, dass er für sich kämpft und sich nicht aufgibt, steht für Alex nur Merediths Wohlergehen im Vordergrund, was sich durch das stetig wiederholte "You're gonna be fine" ausgedrückt wird. Und so ergibt sich die wohl beste Szene, in der Meredith Alex dazu lautstark auffordert, sein Leben nicht zu zerstören und Alex sich von Meredith verabschiedet und beide Schauspieler, Justin Chambers und Ellen Pompeo, einfach zu Hochtouren auffahren. Dass Meredith später Alex noch per Voicemail anfleht, sie nicht allein zu lassen und ihm erklärt, dass er doch stärker und besser als dieses Aufgeben ist, ist demonstrativ für die Liebe, die die beiden einander entgegenbringen. Beide können sich einfach ein Leben ohne den anderen einfach nicht vorstellen.

Was mir ebenfalls an dieser Folge auffällt, ist, wie sehr sie mich an eine meine absolute Lieblingsfolge erinnert, nämlich #10.24 Abschied. War es damals Cristina, die im Vordergrund stand und deren Zukunft in den Fokus rückte, ist es nun Alex. Dafür sorgen auch die ähnlich emotionalen Szenen zwischen Alex und Meredith, die mich stark an Merediths damaliges "There is no end point" erinnerten sowie die Abschiedsszene von Alex mit Bailey und vor allem die großartige musikalische Gestaltung. Diese packt nämlich die großen "Grey's Anatomy"-Klassiker aus und vertont sie neu – so wie sie auch in Cristinas Abschiedsfolge erklangen. Diese Parallelen haben mich sehr gefreut, da damit Alex' Wichtigkeit in der Serie unterstrichen wird: Stand Cristina in der 10. Staffel im Vordergrund, ist es nun Alex' Storyline, die die Staffel vorantreibt. Es bleibt also weiterhin spannend in Alex' Storyline, obwohl ich mir ziemlich sicher bin, dass wir nicht auf Justin Chambers verzichten müssen.

Allianz für Webber

Bailey hat wieder meinen Respekt verloren. Anstatt mit offenen Karten zu spielen und Webber von vornherein in die, zugegeben, benötigten Änderungen am Ausbildungsprogramm einzuweihen, ist sie zweitgleisig gefahren und hat den armen Richard im Glauben gelassen, dass er immer noch seine Position innehat. So allerehrenwert ihr Versuch, professionell und unemotional zu agieren, auch ist: Webber hat Recht, Arzt zu sein hat überhaupt nichts unpersönliches an sich (wie schon in der letzten Folge deutlich wurde), Lebensrettung ist immer etwas Persönliches! Denn dumm gelaufen, Bailey: Ausgerechnet jetzt ereilt eine weitere Katastrophe Seattle und Eliza Minnick ist eine so hilfsbereite Ärztin, dass sie ihren künftigen Kollegen unter die Arme greifen will! So erfahren Webber und Maggie durch Eliza von Webbers verlorener Position, was insbesondere Maggie erzürnt. Während Webber resigniert und sich bereits gefeuert sieht, gründet Maggie stattdessen mit der Unterstützung von Arizona, Jackson und April quasi eine Webber-Allianz, die sich nun für die Erhaltung des alten Programms starkmachen will. Was für ein wunderschönes berührendes Bild es doch war, wie all diese Ärzte, die Webber ausgebildet hat, dastehen und ihm ihre Loyalität demonstrieren! Die wird Webber sicherlich in Zukunft noch brauchen und ich gespannt, wie seine Zukunft im Krankenhaus aussehen wird und inwieweit die Allianz für Webber Erfolge haben wird.

Obwohl es meiner Meinung nach fragwürdig ist, das Ausbildungsprogramm von Minnick komplett in Frage zu stellen, gefällt mir dieser Handlungsstrang in dieser Folge sehr gut: Neben der sehr starken Szene von Bailey und Webber, in der ein deutlicher Bruch zwischen den beiden zu erkennen ist, sind es vor allem die Szenen zwischen Maggie und Webber, die mich sehr gefreut haben. Diese Vater-Tochter-Szenen tauchen viel zu selten auf und dieses wunderbar starke Band zwischen den beiden ist einfach nur sehr schön mit anzusehen. Mehr davon, bitte!

Bromance: McKiwi und Eyeore

Manchmal werden Gebete erhört. Wie lange habe ich mir gewünscht, dass Owen endlich einen großen Schritt auf Nathan zumacht, von seinem hohen Ross herunterkommt und den Moralapostel irgendwo in der Ecke liegen lässt? Endlich sehen wir, wie eine Freundschaft von Owen und Nathan funktionieren kann und wie sie vermutlich auch früher funktioniert hat. Auslöser ist natürlich ausgerechnet ein Fall, in dem der Patient zwei Freundinnen hat. Stellt man sich schon mal auf ein Angezicke von Owen und Nathan an, werden wir schnell eines Besseren belehrt: Während Nathan Owen gegenüber seine Schuld zugibt und ihm erklärt, sich jeden Tag Vorwürfe wegen Megan zu machen (weswegen ich immer mehr für eine Flashback-Folge bin, in der Nathans und Megans Probleme gezeigt werden!), gibt Owen zu, auch seine Frau einst betrogen zu haben, nämlich Cristina. So sieht Nathan ein, dass Owen nicht dieser perfekte Mensch ist, für den er ihn gehalten hat und Owen ist sich immer mehr seinem Dilemma bewusst. Denn scheinbar ist er wieder in einer Ehe, in der sein Kinderwunsch nicht erfüllt werden kann, gefangen, was ihm deutlich an der Seele nagt. Es war schön zu sehen, wie Nathan Owen versucht hat aufzubauen und ihn von seinen Problemen ablenken wollte. Zwar sind die Parallelen zur Freundschaft von Derek und Mark unverkennbar, doch es ist trotzdem eine tolle Entwicklung, die viel von Owens charakterlicher Fehlentwicklung in der letzten Staffel gutmacht.

Amelias Sekundenauftritt lässt sich ohne Frage Caterina Scorsones Schwangerschaft zuschreiben, dennoch bin ich, trotz etwas Frust, mittlerweile vom Cliffhanger überzeugt. Anders als damals zu Izzie passt es zu Amelia alles stehen und liegen zu lassen und abzuhauen, wenn es ihr zu viel wird und ihr Konflikt mit Owen und ihre Ängste vor dem Kinderkriegen sind Gründe genug für diesen Abschiedsbrief. Während Cristina damals große Probleme hatte, Owen loszulassen und Owen damit in seinem Dilemma beließ, agiert Amelia selbstloser und gibt die Ehe für Owens Glück quasi auf. Ich bin mir immer noch sicher, dass hier noch nicht das letzte Wort gesprochen wurde und dass eine Wiedervereinigung von Amelia und Owen nur eine Frage von Folgen ist – schließlich hat Amelia, nicht wie Cristina einst, Kinder kategorisch ausgeschlossen, sondern ist nur in ihrem Trauma gefangen und kann diesem nur schwer entkommen.

Kurze Eindrücke

  • Das Voice-Over war in dieser Folge wunderbar geraten! Wie Amelia, Maggie und Meredith ihre jeweiligen Gedanken zu ihren eigenen Storylines beziehen und somit die drei Schwestern wieder mehr in den Vordergrund rücken, fand ich einfach nur großartig. Ich hoffe wieder auf mehr Szenen der drei!
  • Die Patientenfälle müssen, anders als zuletzt, zurücktreten. Die Katastrophe an sich erinnerte mich an vielen Stellen tatsächlich an vergangene Katastrophenepisoden, war jedoch durch die Einstiegsszene als Untergangsszenario ziemlich gelungen inszeniert. Die Schuldgefühle des Vermieters, der Ben um Absolution erbittet, obwohl er sein Bestes gegeben hatte, sowie der Mordversuch der trauernden Mutter wurden auf zurückhaltende, aber damit auch viel berührendere Weise in Szene gesetzt. So konnte man sich mit beiden Seiten, dem Mob der Hausbewohner und dem Vermieter, identifizieren.
  • Andrew übernimmt in dieser Folge die Rolle, die Alex einst während der Fährenkatastrophe innehatte: Der Fotograf, der die Bilder der Opfer zur Identifizierung ablichtet. Ansonsten ist Andrews Rolle in der Serie generell für mich ziemlich fragwürdig: Die Beziehung zu Maggie wurde aufgegeben, seine Rolle im Konflikt mit Alex wurde kaum beleuchtet, die Annäherung zu Jo scheint nach den Entwicklungen dieser Folge der Vergangenheit anzugehören. Ich bin gespannt, wie Andrew aus dem Prozess herausgehen wird und ob man ihn besser kennenlernen wird.
  • Warum durfte Tessa Ferrer eigentlich zurückkehren? Eine wirkliche Funktion in der Serie hat Leah keine und so offensiv wie Eliza an Arizona rumbaggert, kann Leah da wirklich nicht mehr dazwischen funken. Doch wer weiß, was noch auf sie zukommt, bis jetzt will ich sie noch nicht ganz abschreiben.
  • Apropos Arizona und Eliza: Hiervon werden wir sicherlich noch viel sehen. Die Chemie der beiden ist bereits jetzt um einiges besser als es die zwischen Penny und Callie jemals war. Dazu finde ich es wunderbar, wie Arizona Eliza noch auf Abstand hält und ihr Machoverhalten nicht wirklich gutheißt, sich gleichzeitig aber sehr geschmeichelt von Elizas Flirtattacken fühlt. Arizonas Rolle im Konflikt um Webber wird daher sehr interessant sein, ist sie doch in der letzten Staffel zu einer der besten Freundinnen Webbers avanciert.
  • Ben hat mir in dieser Folge als "Priester" gut gefallen, wodurch auch gute humorvolle Momente entstanden sind. Doch irgendwie scheint Ben auch gleichzeitig darauf abgerichtet zu sein, immer im falschen Augenblick zu verschwinden: Ließ er schon Meredith in der letzten Staffel alleine bei ihrem späteren Angreifer, ist es nun seine Nachlässigkeit, die zur Attacke auf den Vermieter führt.
  • Auch wenn es mich eigentlich enttäuscht, bin ich mittlerweile froh, dass uns die Wiedervereinigung von Jackson und April beziehungsweise eine weitere Annäherung von Meredith und Nathan erspart wurden. Ein Hereinquetschen dieser beiden Cliffhanger hätte der Folge nur geschadet. Aber ich bin guter Dinge, dass wir beide Storylines in der zweiten Staffelhälfte auf ihre gebührende und richtige Weise fortgesetzt sehen können und freue mich darauf.

Fazit

Eine Folge, die eigentlich nicht besser sein könnte und deren einziger Kritikpunkt ist, dass sie schon viel früher hätte kommen können. Gekonnt entschädigt man uns für die lauen Spannungsabbau davor und liefert eine hochemotionale, spannende und dramatische Folge, die Vorfreude auf die Rückkehr der Serie im Januar macht.

Lux H. - myFanbase

Die Serie "Grey's Anatomy - Die jungen Ärzte" ansehen:


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