Bewertung

Review: #4.06 Tabula Rasa

Bisher gab es keine Folge des Volumes, die Titel und Inhalt so gut vereint wie diese: #4.06 Tabula Rasa macht wirklich tabula rasa (auf gut Deutsch: reinen Tisch) und gibt den Charakteren die Chance zum Neuanfang – oder besser gesagt zur "Wiedergutmachung", um auf den Titel des Volumes ("Redemption") zurückzukommen. Während dieser Neustart einigen Charakteren tatsächlich gelingt, so werden andere von ihrer Vergangenheit eingeholt und müssen erkennen, dass es sehr schwer, wenn nicht gar manchmal unmöglich ist, neu zu beginnen.

"What shall we call you? Gabriel? Sylar? Take a deep breath: What is the first name that pops into your head?" – "Call me Nathan."

Der Versuch, sich neu zu erfinden und reinen Tisch zu machen, ist leider symptomatisch für "Heroes". Nach dem einsetzenden Abwärtstrend in Volume 2 und 3 versuchte man mit dem Beginn von Volume 4 (#3.14) und Volume 5 (#4.01) eine neue Richtung einzuschlagen und sich wieder aus dem selbst geschaufelten Loch zu retten, doch vergebens: Die Serie trauert seit über zwei Staffeln ihren Glanzzeiten nach. Nun schickt man diese Episode ins Rennen und versucht, einige der Charaktere neu zu positionieren, um neue Storylines in Gang zu bringen – und erstaunlicherweise funktioniert das stellenweise ziemlich gut.

Mal wieder erweist sich die Sylar/Sylathan-Storyline als die interessanteste, vor allem, da sie nun mit der des Karnevals gekoppelt wurde. Samuel hat also einen Massenmörder in sein trautes Heim geholt und versucht nun, den alten Sylar wieder hervorzukitzeln. Womit wir erneut vor der zentralen Frage stehen, was denn der Karneval nun eigentlich ist und nach welchen Auswahlkriterien Samuel seine Familienmitglieder aussucht (Massenmörder [x], Psychopath [x], Vaterkomplexe [x], mindestens ein Versuch, New York in die Luft zu jagen [x] ...). Nach mittlerweile sechs Folgen wäre eine Antwort auf diese Frage nicht unerheblich, da wir bislang reichlich ratlos bezüglich des Zwecks des Karnevals sind.

Doch zum Glück gibt es den großartigen Robert Knepper und den stets brillanten Zachary Quinto. Ein geniales Duo. Knepper verleiht Samuel die nötige Mischung aus Kaltblütigkeit und Sympathie, während Quinto als Mann ohne Identität eine Gefühlspalette von blankem Entsetzen über absolute Panik bis hin zu tiefgründigen Selbstzweifeln bieten kann. Die Szene im Spiegelkabinett? Großes Kino. Der Dialog zwischen Sylar und Samuel? Fesselnd. Nur leider muss sich jeder intelligente Zuschauer fragen, inwiefern es Sinn macht, einfach mal einen Polizisten auf seinem eigenen Karneval töten zu lassen, während a) dessen Familie gerade Karussell fährt und b) man davor auch noch eine schriftliche Einladung an besagten Polizisten geschickt hat, um ihn zum Karneval zu locken. Äh, Logik?

Sylar jedenfalls ist nun ein Mitglied des Karnevals. Das ist zwar einerseits ein Neubeginn für diese Figur, andererseits haben wir schon gesehen, dass Sylar von seiner Vergangenheit nicht loskommen wird. Vor allem, da in seinem Kopf auch noch Nathan ist. Das Potential für spannende Geschichten ist aber auf jeden Fall da: Sylars Identitätssuche, die Feindschaft zwischen Edgar und Sylar, und Samuels undurchsichtige Machenschaften dürften uns noch in den kommenden Episoden beschäftigen.

"My power is understanding people like you. That's what I do. What happened to your parents never has to happen again. You can control it. You can heal him."

Die Chance zum Neuanfang und zur Wiedergutmachung hat diesmal auch Hornbrille. Hiros Krankheit bringt ihn wieder mit Peter zusammen und gemeinsam versuchen sie, einen Heiler zu finden, um Hiro zu retten. Ein für die Serie ungewohnt konsequenter und logischer Schritt, der aber nicht über die etwas fadenscheinige Erklärung hinwegtrösten kann, dass Claires Blut Hiros Tumor angeblich nicht heilen könne. Nun gut, wenigstens wurde diese Möglichkeit überhaupt erwähnt.

Noah und Peter bilden weiterhin ein richtig gutes Team und es macht Spaß, Jack Coleman und Milo Ventimiglia zusammen auf dem Bildschirm zu sehen. Die Entwicklung der Story um Jeremy (gespielt von einem fabelhaften Mark L. Young, der schon in "Dexter" zu beeindrucken wusste) ist dann allerdings hundertprozentig vorhersehbar. Der vermeintliche Spannungshöhepunkt, dass Peter angeschossen wird und Jeremy ihn heilen soll, ist absolut unspektakulär – denn wir wissen sowohl, dass Peter nicht stirbt, als auch, dass das alles nur dazu dient, um Jeremy dazu zu bewegen, seine Fähigkeit zum Heilen einzusetzen. Der Schuss-der-nicht-tötet ist ein Trick, den "Heroes" schon viel zu oft benutzt hat, sodass er seine Wirkung schon lange verloren hat. Aufgewertet wird die Szene aber durch Peters herrlich bizarres Erleichterungslachen, als er merkt, dass er dem Tod gerade knapp entkommen ist.

Will Noah nun also seine Fehler wiedergutmachen und den Leuten wirklich helfen? Es ist noch nicht ganz klar, schließlich sahen wir Noah letztes Mal noch mit Akten über den Kompass und den Karneval. Wünschenswert wäre es allerdings wenn Noah endlich einen Schritt vorwärts machen würde und nicht wieder in alte Verhaltensmuster fällt.

"And now, to assist Hiro the Magnificent, please welcome to the stage: Emma, the Also Magnificent."

Wer in dieser Episode endlich ein wenig aus seinen Verhaltensmustern ausbricht, ist Hiro. Während Peter versucht, einen Heiler für ihn zu finden, lernen sich Hiro und Emma kennen, und letztere wertet Hiros Storyline gehörig auf. Vergessen sind die horrenden Momente von "Dial-A-Hero" und dem Mann, der sich 47 Mal den Hintern kopiert. Stattdessen versucht Hiro, Emma dabei zu helfen, ihre Fähigkeiten zu akzeptieren und die Szene, in der Hiro als Zauberer auftritt und schließlich für Emma die Zeit anhält, ist einfach schön. Ist da womöglich ein Licht am Ende des dunklen Tunnels, den Hiro seit zwei Staffeln durchschreitet? Das kommende Wiedertreffen mit Charlie lässt darauf hoffen.

Vielleicht ist das ja die Episode. Vielleicht ist #4.06 Tabula Rasa ja tatsächlich die Episode, die die Serie wieder rausholen kann aus der Unterdurchschnittlichkeit, reinen Tisch macht und zu einem kleinen Neuanfang verhelfen kann. Zumindest ist sie überraschend gut: Alle Storylines waren mehr oder weniger interessant, teilweise gab es grandiose Dialoge, die Schauspieler waren wie immer gut aufgelegt und die Logiklöcher hielten sich einigermaßen in Grenzen. Vor allem aber hatte man diesmal nicht das Gefühl, dass die Geschichten belanglos sind. Ein Neustart für die Serie? Wer weiß.

Maria Gruber - myFanbase

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