Bewertung

Review: #4.18 Die Mauer

Es gab mal eine Zeit, in der Noah Bennet gemeinsam mit Sylar die unangefochtene Nummer 1 unter den "Heroes"-Charakteren war. Es gab auch mal eine Zeit, in der die Menschen glaubten, die Erde sei eine Scheibe. Tatsächlich muss man wirklich lange überlegen, um sich daran zu erinnern, wann Hornbrille das letzte Mal eine interessante Storyline hatte (von Sylars charakterlicher Entwicklung ganz zu schweigen). Das dramaturgische Desaster, welches spätestens seit Ende der letzten Staffel bei "Heroes" herrscht, hat vor allem bei den Figuren seine Spuren hinterlassen. Einstige Lieblinge sind zu Unsympathen geworden und letztlich ist keiner der Charaktere mehr wirklich reizvoll. Das wird besonders in dieser Episode klar: #4.18 Die Mauer ist ganz offensichtlich auf Charakterarbeit ausgelegt und die Drehbuchautoren versuchen ihr Bestes, um diese irgendwie glaubhaft umzusetzen. Doch schließlich muss man feststellen: Dieser Zug ist schon lange abgefahren.

"You want to know something weird? Every time you pick that thing up, I think you're gonna hit me with it really hard."

Dabei hat diese Episode einen richtig guten Ansatz, das muss man ihr lassen. Die Idee, dass Sylar seit Jahren in einem Albtraum feststeckt und glaubt, er sei mutterseelenallein auf der Welt, ist nicht nur interessant, sondern bietet auch einen guten Nährboden für Sylars Entwicklung. Nach den gefühlten 4329718 Malen, in denen Sylar bereits die Seiten gewechselt hat, ist dies der erste Sinneswandel, der wirklich logisch ist und den man als Zuschauer wirklich nachvollziehen kann. Während man Sylars ständiges Hin und Her bislang eigentlich nur deshalb akzeptierte, weil Zachary Quinto so dermaßen überzeugend spielt, so wirkt Sylars Umkehr nun erstmals authentisch und sinnvoll. Die Jahre der Isolation haben aus ihm einen schuldbewussten Mann gemacht, der seine brutalen Taten aufrichtig reut. Man mag es kaum glauben, dass dies den Drehbuchautoren in der vorletzten Episode der Serie noch gelungen ist.

Daher ist es schade, dass für eine richtige Ausarbeitung der Idee eigentlich kaum Zeit bleibt. Es wäre ideal gewesen, hätte man Sylars Gefangenschaft in seinem Albtraum über mehr als nur eine Episode gezogen, um so der Entwicklung mehr Zeit zu geben. So aber wirkt alles sehr gehetzt. Die "Jahre", welche im Traum vergehen, werden zwar geschickt mit regietechnischen Mitteln inszeniert, doch das ändert nichts an der Tatsache, dass das Publikum viel zu abrupt mit dem neuen Sylar konfrontiert wird.

Die Interaktion zwischen Sylar und Peter jedoch tröstet ganz gut darüber hinweg. Stellenweise ist das Gekabbel zwischen den beiden richtig witzig und die Hassliebe hat definitiv ihren Reiz. Gerade Peter wird durch diese Situation viel abverlangt, schließlich muss er mit dem Mörder seines Bruders zusammenarbeiten und das über Jahre hinweg. Dass es letztlich einer (wenn auch reichlich kitschigen) Versöhnung zwischen Sylar und Peter bedarf, um die Mauer niederreißen zu können, ist eine schöne Idee, besonders in Hinblick auf das Oberthema des Volumes, Wiedergutmachung ("Redemption").

"I stink at this job, I have no killer instinct."

Um Versöhnung und Wiedergutmachung geht es gewissermaßen auch in der zweiten großen Storyline der Episode, die sich um Claire und Noah dreht. Allerdings gibt es hier eine Vielzahl von Problemen. Zunächst einmal ist Claires urteilende Art un-glaub-lich anstrengend. Dass sich Hornbrille nun vor seiner eigenen Tochter verantworten muss, nimmt dem Charakter sämtliche Würde. Während die Flashbackepisoden #1.17 Die Firma und #3.17 Kalter Krieg Noahs Zwielichtigkeit noch sehr gut darzustellen vermochten, wird nun Schwarz-Weiß-Malerei betrieben und Noah wird in die langweilige, altbekannte Schublade des Rächers gesteckt, der ja eigentlich ein gutes Herz hat und nur böse geworden ist, weil ihm etwas Böses angetan wurde. Damit versetzt man der Figur des Noah Bennet den Todesstoß.

Die Klischeehaftigkeit der ganzen Geschichte ist enttäuschend. Noah war also ein Autoverkäufer, der Ray-Ban-Brillen trug und – oh mein Gott! – mit einer anderen Frau verheiratet war, die – Überraschung! – schwanger war. Natürlich stirbt diese bei einem tragischen Vorfall durch die Hand eines Hero, natürlich startet Noah daraufhin einen Rachefeldzug, und natürlich tötet er dann in seiner Unerfahrenheit einen Unschuldigen. Alles 0815-Material, das von Anfang bis Ende schrecklich vorhersehbar ist.

Richtig entsetzlich wird es jedoch in dem Flashback-Segment, in dem wir Noah und Thompson gemeinsam beim Abendessen sehen. Wir erfahren, dass Thompson Noah quasi befohlen hat, Sandra zu ehelichen, damit er nicht mehr so viele Leute umschießt. Na, das ist ja mal sehr romantisch. Sandras und Noahs Ehe erscheint damit in einem völlig anderen Licht und wird durch diese absurde Story prinzipiell kaputt gemacht. Sehr, sehr schade.

"We're going to New York City […] Then we show them how powerful we are."

Das Ende stellt schließlich alle in die Ausgangsposition für das Serienfinale. Eli und seine Doppelgänger stellen sich Peter und Sylar in die Quere, Noah und Claire werden unter der Erde verschüttet und Samuel will den gesamten Karneval nach New York bringen, um seine Macht zu demonstrieren. Dass in #4.19 Der letzte Vorhang viel passieren wird, ist somit zu erwarten. Doch das heißt nicht unbedingt etwas gutes, wie diese Episode zeigt: Denn #4.18 Die Mauer will viel zu viel in zu wenig Zeit. Aus dem Versuch, zwei zentrale Charaktere – Sylar und Hornbrille – näher zu beleuchten, sind letztlich zwei halbscharige Charakterstudien geworden, eine zu gehetzt und die andere zu klischeelastig. So kann die Folge zwar solide Unterhaltung liefern, den Qualitätssturz der Serie aber auch nicht mehr abfedern.

Maria Gruber - myFanbase

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