Bewertung

Review: #1.03 Die Halskette

"Homeland" hat in seiner kurzen Lebensdauer schon einiges erreicht und präsentiert sich auch in der dritten Episode weiter erstaunlich stark. Aber mich beeindruckt hier besonders, dass man wirklich etwas zu sagen hat und so den Zuschauer nach dem Ende der jeweiligen Folge mit einigem Gedankenfutter zurücklässt. Nach #1.03 Die Halskette beschäftigte mich in erster Linie das Wesen der Geheimdienstarbeit, aber auch die komplizierten Mechanismen von Sex und Intimität werden hier so behandelt, dass sie dem Zuschauer noch lange im Kopf herum schwirren.

Die von Geheimnissen und Lügen geprägte Arbeit der Geheimdienste wird hier in der Geschichte um Carries Informantin Lynne Reed in ein wenig schmeichelhaftes Licht gerückt. Es ist sicher kein Zufall, dass der amerikanische Kulturbetrieb auch Jahre nach dem 11. September und dem danach folgenden Patriot Act vom damaligen Präsidenten George W. Bush, der den Geheimdiensten weitgehende Rechte einräumt, die oftmals im direkten Widerspruch zu den Grundrechten der normalen Bürger stehen, sich immer wieder an solchen Fragen abarbeitet, wie hier auch "Homeland" (weitere Beispiele sind Kinofilme wie "Zero Dark Thirty" und auch Serien wie "The Americans"). Es ist eines der grundlegenden Dilemmas unserer westlichen Zivilisation, das wir als Gesellschaft in den nächsten Jahren klären müssen. Wie weit dürfen die Geheimdienste ohne demokratische Kontrolle gehen, und damit de facto nicht rechtsstaatlich handeln, um diesen Rechtsstaat und die Demokratie zu schützen? "Homeland" wirft hier einen Blick auf derartige Methoden, die aus Prostitution, Menschenhandel und Überwachung bestehen. Das eigentliche Dilemma wird aber vor allem dadurch deutlich, dass mit Lynne Reed uns als Zuschauer eine Figur vorgestellt wurde, die eine recht simple Aufgabe hatte, von der aber niemand wusste, ob diese Aufgabe wirklich einmal von Bedeutung sein wird. Der Verdacht gegen den Prinz von Seiten der CIA war von Anfang an nur eine Theorie, wie das Ende der Episode verdeutlicht, dennoch wurden in sein Umfeld Frauen eingeschleust, die ihre eigene Würde und auch ihr Leben aufs Spiel setzen, um vielleicht irgendwann eine nützliche Information zu gewinnen. Rechtfertigt dieses Ergebnis diese speziellen Mittel?

Es sind eben nicht nur Spielfiguren, die diese Spionagearbeit ausführen, es sind Menschen aus Fleisch und Blut, und Carrie hat hart daran zu arbeiten, ihre Verantwortung in diesem Spiel mit ihrem Gewissen in Einklang zu bringen, als Lynne am Ende stirbt. Dabei liegt die tragische Ironie darin, dass Lynne sogar nur deshalb sterben musste, um die finanzielle Transaktion mittels der Juwelen zu ermöglichen, die ihr der Prinz zuvor in ehrlicher Zuneigung geschenkt hat. Es ist ein fucked-up business wie Carrie erkennt, eines, das die Menschen, die in ihm gefangen sind, verbraucht und dann wieder ausspuckt. Die Frage, ob es das wert ist, diesen Preis zu bezahlen, kann man hier nicht so einfach beantworten und es ist wohl auch zu viel verlangt, diese von der Serie in Gänze geklärt zu bekommen. Aber ich weiß es sehr zu schätzen, dass man trotz allem US-Patriotismus und der Ergebenheit Carries ihrer Arbeit gegenüber vor den dunklen Seiten des Systems nicht die Augen verschließt. Die großartige Szene zwischen Carrie und Saul am Ende der Episode ist der beste Beweis dafür und ist sicher das Highlight dieser Folge.

Der Überwachungseffekt schwingt aber auch weiterhin als ständiger Beobachter in der Geschichte mit. Hier wird dies besonders deutlich, als Carrie eine weitere intime Szene zwischen Brody und Jessica beobachtet, die damit sowohl für das Paar als auch Carrie eine nächste Bedeutungsebene einnimmt. Ich bin dabei besonders beeindruckt davon, wie sehr die Serie mit dem Voyeurismus-Effekt auf allen Ebenen spielt. Indem wir als Zuschauer nicht nur Brody und Jessica bei ihrem alles andere als normalem Sex beobachten, sondern auch Carrie, die den beiden zusieht, werden wir mit unserem eigenen Spannertum als Zuschauer konfrontiert und es entsteht eine ganz eigene Mischung an Gefühlen, die dies in einem auslöst. Dazu kommt, dass diese Sex-Szene, wie es so selten im Fernsehen ist, uns etwas über die Intimität der Charaktere erzählt, und nicht über irgendwelche wilden Sexfantasien der TV-Macher (und indirekt auch Zuschauer). Hier nutzt Showtime die Freiheiten, die man als Kabelsender zur Verfügung hat, voll aus und in einer Art und Weise, die sich wunderbar vom bloßen Titten- und Po-Zur-Schau-Stellen unterscheidet. Die Nacktheit in dieser Szene führt zu Verletzlichkeit und bietet tiefe Einblicke in Brodys gestörtes Verhältnis zu anderen Menschen, auch wenn er Jessica offensichtlich sehr liebt. Und sie macht uns klar, wie verwirrend und verunsichernd dies alles auf Jessica wirken muss.

Dass Brodys Gefühle seiner Frau gegenüber zwar sicher kompliziert sind, aber eben dennoch vorhanden, zeigt besonders sein späteres Gespräch mit Dana. Dieser Dialog für sich genommen ist ein wunderbarer Moment, der auch von der beeindruckend guten jungen Schauspielerin Morgan Saylor getragen wird, aber die Vorarbeit dazu ist für mich doch einer der wenigen Kritikpunkte dieser Episode. Der Kleinkrieg zwischen Dana und Jessica, rund um Jessicas Verhältnis zu Mike, passt für mich irgendwo immer weniger ins Gesamtgeschehen. Es ist zwar sicher eine interessante Frage, ob Brody nicht ebenso wie die meisten anderen auch schon davon weiß und er es mehr oder weniger toleriert, um den fragilen Frieden in seiner Familie nicht zu gefährden. Aber irgendwie lenkt dieses doch eher gewöhnliche Melodrama manchmal auch vom eigentlichen wichtigen Geschehen ab. Aber vielleicht ist dies auch der Sinn und Zweck der Sache? Sollen wir als Zuschauer uns ebenso durch das Dickicht und undurchsichtigen Informationen und Emotionen kämpfen, wie es auch Carrie und ihr kleines Team tun müssen? Carries Reaktion auf Virgils Beobachtungen zur Affäre lassen diesen Schluss jedenfalls zu.

Es ist schwer für mich persönlich, die Entwicklung der Beziehung zwischen Vater und Tochter von einem neutralen Standpunkt aus zu betrachten, wenn diese irgendwie darüber aufgebaut wird, dass sie sich gemeinsam gegen Jessica verbünden. Brody findet hier den Zugang zu seiner Teenagertochter in der Rebellenphase in meinen Augen viel zu leicht und viel zu lange auf Kosten von Jessica, die komplett außen vor gelassen wird, die aber nun mal diejenige ist, die die gesamte Erziehungsarbeit in den letzten acht Jahren geleistet hat. Das hat für sie Vor- und Nachteile, wie das nun einmal bei Eltern so ist, aber ich würde mir wünschen, Brody könnte Jessica besser klarmachen, dass er sie nicht als Mittel zum Zweck nutzt, um bei Dana gut dazustehen. Vielleicht bin ich als Mutter bei einer solchen Dynamik viel zu sensibel, erinnert einen das doch an unzählige Alltagssituationen, in denen man als Erziehungsberichtigte einfach immer die Böse ist. Vielleicht ist das Geschehene ja gerade deshalb gelungen, weil es realistisch ist. Zum jetzigen Zeitpunkt ist das für mich noch schwer einzuschätzen. Ich hoffe nun darauf, dass Dana und Jessica einen Weg zueinander finden, denn eigentlich haben beide mit ganz ähnlichen Problemen der Umstellung nach Brodys Rückkehr zu kämpfen.

Cindy Scholz - myFanbase

Die Serie "Homeland" ansehen:


Vorherige Review:
#1.02 Die Garage
Alle ReviewsNächste Review:
#1.04 Allein im Regen

Diskussion zu dieser Episode

Du kannst hier oder in unserem Forum mit anderen Fans von "Homeland" über die Folge #1.03 Die Halskette diskutieren.