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Review: #3.06 Die Waffen sprechen

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Man war ja schon geneigt zu fragen, wie lange "Justified" denn noch ohne seinen Helden auskommen will. Dieses Mal bekommt man ein wenig mehr von Raylan zu sehen, auch wenn dieser immer noch weit davon entfernt ist, der aktive Protagonist der Serie zu sein, der er einmal war.

Louisville

Die Bombe ist geplatzt und das gleich mit mehreren Sprengsätzen. Nicht nur, dass Winona Raylan wirklich verlassen hat, nein, es wird auch klar, dass sie das bereits vorhatte, als dieser angeschossen wurde. Was das genau bedeutet, muss einem erst einmal bewusst werden. Denn während Raylan die ganze Zeit gezeigt hat, wie glücklich er ist, wieder mit Winona zusammen zu sein und wie sehr er sich auf das gemeinsame Kind freut, hat die Frau an seiner Seite bereits die ganze Zeit nur auf die richtige Gelegenheit gewartet, um ihn zu verlassen.

Winona dafür zu verurteilen liegt irgendwie nahe und doch ist die Lage verzwickt genug, um die Motivation der werdenden Mutter nachvollziehen zu können. Natürlich, sie hätte fair genug sein und mit offenen Karten spielen können, aber wenn man bedenkt, dass sie Raylan trotz allem noch liebt und auch weiß, dass sie ihn auf gewisse Art und Weise immer lieben wird, dann wird klar, warum sie die Variante gewählt hat, in der sie Raylan nicht noch einmal in die Augen sehen muss.

Der Marshal seinerseits wird vollkommen aus der Bahn geworfen und zwar in eine Richtung, die ich so nicht erwartet habe. Ich bin fest davon ausgegangen, dass wir Raylan wütend sehen werden, dass er der Typ ist, der den Abschiedsbrief seiner Frau in den Müll wirft und sich auf seine Arbeit stürzt. Stattdessen scheint Raylan kaum mehr zu funktionieren. Die Suche nach seiner Ex-Frau ist eher resigniert als verzweifelt.

In dem Gespräch, das letztendlich zwischen Winona und Raylan stattfindet, wird klar, dass die beiden wohl wirklich keine Zukunft mehr miteinander haben. Raylan, der ganz offensichtlich so sehr an seiner Partnerin zweifelt, dass er sofort vermutet, sie hätte Geld gestohlen, muss das ebenso einsehen wie Winona, die trotz aller Versuche nicht mit dem Leben des Marshals klar kommt. Was diese Storyline in Zukunft für uns Zuschauer bereit hält, wird sich zeigen. Ich habe ja so meine Zweifel, ob das wirklich ein dramaturgisch notwendiger Schritt war, nachdem Winona ohnehin bei den Zuschauern nicht allzu beliebt war und sich die Beziehung der beiden gerade ein wenig eingependelt hatte. Ob man Raylan wirklich von hinten und vorne und oben und unten und überhaupt allen Seiten belagern muss, um ihn in Schach zu halten und in Bedrängnis zu bringen, wird sich zeigen.

Oxy

Der Fall der Woche könnte kaum weniger spannend sein. Das mag daran liegen, dass ich langsam aber sicher genervt von den vielen Leuten bin, die offensichtlich drogensüchtig und verrückt sind und als Gastdarsteller durch Folgen geschleift werden, in denen man eigentlich etwas anderes sehen möchte. Nach der letzten Folge noch bin ich davon ausgegangen, dass Trixie eine wichtigere Rolle für Limehouse und dessen Handlungsstrang spielen wird, aber da habe ich mich wohl getäuscht. Selbiges gilt für den Arzt, der bereits innerhalb der ersten fünf Minuten das Zeitliche segnet.

Natürlich befindet sich Harlan im Krieg mit sich selbst. Natürlich müssen Bauernopfer fallen, um uns Zuschauern klar zu machen, dass alles furchtbar schlimm ist. Natürlich ist alles ganz bewusst ein ewiges Hin und Her. Aber was tatsächlich passiert, ist dass man die Verbindung zu den Charakteren verliert. Und das ist etwas, was sich eine Serie wie "Justified" nicht leisten darf. Die Hauptcharaktere leisten hervorragende Arbeit und bauen in den von ihnen getragenen Szenen Spannung auf, die dann aber wieder in nichtssagenden Mini-Auftritten ertränkt wird. Mein Unmut hält sich dennoch in Grenzen und zwar, weil ich noch die Hoffnung habe, dass am Ende alles ineinander spielen und einen Sinn ergeben wird. Auch, wenn ich ihn bislang noch nicht sehen.

Bermuda

Durchaus Sinn machen unsere großen Widersacher. Sowohl Limehouse als auch Quarles schaffen es nach wie vor mit Leichtigkeit, einem einen Schauer über den Rücken laufen zu lassen, und obwohl die beiden Männer unterschiedlicher kaum sein könnten, haben sie doch gemeinsam, dass sie bislang eher aus dem Hintergrund agiert haben. Allerdings werden beide langsam aus ihrer Deckung gelockt, sei es durch Gespräche mit konkurrierenden Parteien oder durch die Aussicht auf eine geschäftliche Partnerschaft mit diesen. Was auch immer sich in dem Bermuda-Dreieck Quarles-Limehouse-Crowder zusammenbraut, man kann fast sicher sein, dass es kein gutes Ende nehmen wird.

Womit wir auch bei der Wildcard der Runde sind. Arlo Givens könnte unter Umständen zu einer Schlüsselfigur in der Zukunft seines Sohnes werden. Arlo mutiert immer mehr zu einem verschrobenen alten Witwer, der sich seine Zeit damit vertreibt, Raylan das Leben zur Hölle zu machen und gleichzeitig ist er das Bindeglied zwischen den Antagonisten dieser Staffel. Er arbeitet für Boyd, hat eine gemeinsame Vergangenheit mit Limehouse und nun ist schließlich auch Quarles auf ihn aufmerksam geworden. Welche Rolle genau Raylan in der Konstellation zukommt, ist fraglich, denn für mich ist nicht ganz klar, ob er seinem Vater überhaupt noch einmal aus der Patsche helfen wird und schon gar nicht, wenn er selbst so viele Probleme am Hals hat, dass er nicht klar denken kann.

Tanz

Höhepunkt der Folge war – wieder einmal – das Zusammentreffen zwischen Boyd und Raylan. Wann auch immer die beiden Pole der Serie aufeinandertreffen, kann man sich sicher sein, dass man näher zum Bildschirm rückt, weil man nichts verpassen will. Wie die beiden sich bewegen, wie sie miteinander reden, wie sie ständig versuchen, den anderen zu durchschauen, ohne selbst zu viel preiszugeben – der Tanz der beiden, wie Raylan es so schön ausgedrückt hat, ist Herz und Seele dieser Geschichte.

Beide wissen, dass ein einziger Fehltritt sie das Leben kosten könnte und obwohl sie alles andere als beste Freunde sind, scheint keiner der beiden Männer den jeweils anderen straucheln sehen zu wollen. Es ist ein praktikabler Waffenstillstand, bei dem man nie so genau weiß, ob nicht doch einer der beiden Männer die lenkende Oberhand hat, selbst wenn Raylan und Boyd sich immer wieder relativ gleichrangig präsentieren. Was auch immer die Beziehung zwischen Raylan und Boyd so besonders macht, es bleibt zu hoffen, dass diese Dynamik erhalten bleibt, denn sie trägt einen sehr großen Teil der Geschichte und ist de facto nicht mehr wegzudenken.

Fazit

Die Folge befindet sich wie die Serie insgesamt in einem ewigen Auf und Ab. Die Geschichte ist schnelllebig und gehetzt und dennoch kommt alles recht langsam ins Rollen. Als Zuschauer muss man sich wie Raylan ständig umsehen, um nichts Wichtiges zu verpassen. Noch funktioniert dieses Konzept so halbwegs, weil die Hauptcharaktere genug Stärke mitbringen, um die einzelnen Episoden zu tragen, aber trotzdem muss man uns Zuschauer langsam aus dem Gefühl herausführen, dass wir uns verzetteln mit dem, was wir denken. Die Fronten ein klein wenig klarer zu ziehen, würde vielleicht nicht schaden.

Eva Kügerl – myFanbase

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