Bewertung

Review: #3.08 Unter Beobachtung

Foto: Timothy Olyphant, Justified - Copyright: Sony Pictures Television
Timothy Olyphant, Justified
© Sony Pictures Television

"Justified" bringt Raylan in eine Situation, in der er eigentlich nur noch seinen geliebten Hut an den Nagel hängen könnte. In die Ecke gedrängt von allen Seiten bleibt ihm nämlich nicht mehr viel übrig. Was unseren Cowboy am Ende rettet, ist die Tatsache, dass im Grunde nichts so ist, wie man es vielleicht glauben möchte.

In The Pocket

Bei "Justified" kann man sich niemals bei irgend jemandem sicher sein, wie er genau angelegt ist. Aber zumindest manche Dinge stehen fest und formen die Charaktere, die uns so sehr ans Herz gewachsen sind. Bei Raylan beispielsweise weiß man, dass er schießt, wenn es in seinen Augen notwendig ist und es vermeidet, wenn er es kann. Dass er öfter einmal wegschaut, wenn sich dadurch Schlimmeres vermeiden lässt, und dass er sich öfter einmal in fremde Angelegenheiten einmischt, wenn er es für richtig hält. Dass ihm Dinge näher gehen, als man es für möglich gehalten hat. Dass er seine Gegner immer warnt, aber nie zwei Mal. Dass er seine eigenen Regeln macht, aber an diesen eisern festhält. Dass er die Möglichkeit gehabt hätte, auf der anderen Seite des Gesetzes zu stehen und diese immer noch hat. Und dass er diese Möglichkeit für sich kategorisch ausschlägt.

Wenn jetzt Gerüchte laut werden, dass Raylan bezahlt wird, korrupt wie so viele andere in seiner Geschichte, dann kann man als Zuschauer eigentlich nur darüber lachen. Wenn jemand sich für nichts auf dieser Welt kaufen lassen würde, dann Raylan. Obwohl er ein Givens ist. Oder gerade weil er ein Givens ist. Man kann aber durchaus nachvollziehen, wie Leute, denen Raylans Welt unbekannt ist, auf die Idee kommen, der Marshal könnte sich seinen Silberstern mit Schmiergeldern vergolden. Und die Ironie dahinter ist, dass all das, was Raylan für uns Zuschauer ins rechte Licht rückt, genau das sein muss, was ihn nach außen hin als korrupt erscheinen lässt – sei es die Affinität zu seiner Waffe, die Bereitschaft mit dem kriminellen Netz der Gegend zu kommunizieren, das Spiel außerhalb der Regeln oder auch nur die Tatsache, dass Raylan weder aussieht noch handelt wie jemand, der sich dazu berufen fühlt, Gutes zu tun. Das dürfte unter anderem auch der Grund dafür sein, warum man an Raylan zweifelt, selbst wenn man hinter ihm steht. Denn während seine Leute ihm den Rücken freihalten, scheint niemand sonderlich schockiert zu sein, als Raylan mit Korruptionsvorwürfen zu kämpfen hat, während er gleichzeitig der Hauptverdächtige in einem Mordfall wird.

Message

Das Opfer: Gary Hawkins, den man offensichtlich nur am Leben gelassen hat, um später mit seinem Mord für möglichst viel Ärger für Raylan zu sorgen. Und das hat man auf jeden Fall geschafft. Der Marshal wirkt schon wie ein verletztes Tier, als man ihm unterstellt, er sei geschmiert. Als man ihm dann den Mord an Winonas Noch-Ehemann in die Schuhe schieben will, scheint er dann vollkommen die Contenance zu verlieren. Und das obwohl - das sei an dieser Stelle gesagt - man zu keinem Zeitpunkt das Gefühl hat, Raylan sehe sich selbst in einer ausweglosen Situation. Für uns? Absolut ausweglos. Weil wir wissen, wer dahinter steckt, wer die Fäden in der Hand hält und wie viel Macht dahinter steht. Raylan aber macht einfach weiter. Ein wenig wütender, ein wenig fahriger, ein wenig gehetzter als gewöhnlich, aber niemals wirklich verzweifelt.

Verzweiflung ist eher etwas für die Leute in seiner Umgebung. Art, der sich für seinen Deputy immer schon viel zu weit aus dem Fenster gelehnt hat und das nun ohne große Überwindung wieder tut. Tim, der aus unerfindlichen Gründen seinen Hals für Raylan riskiert und immer viel mehr zu wissen scheint, als es den Anschein macht. Winona, die ein wenig von dem zurückgeben kann, was sie Raylan schuldig ist und das auch tut, obwohl sie eigentlich nichts mehr mit ihm zu tun haben will.

Das Umfeld des Marshals ist weit davon entfernt, Raylan für seine Lebensweise auf die Schulter zu klopfen, und trotzdem stehen alle hinter ihm und zwar geschlossen. Und selbst die Leute, die gegen ihn ermitteln, sei es nun Vasquez oder der leitende Ermittler in Garys Mordfall, können nicht wirklich umhin zu sehen, dass Raylan nicht so viel Dreck am Stecken hat, wie es vielleicht den Anschein macht. Und niemand kann wirklich sagen, warum das so ist. Genau das macht aber den Reiz der Folge und vielleicht sogar der ganzen Serie aus. Dass man eben manchmal seine Grenzen nach Bauchgefühl zieht und nicht nach harten Fakten. Dass man manchmal einen aufrichtigen und aufrechten Menschen erkennt, wenn man ihn vor sich hat. Dass man manchmal einsieht, dass es einen Grund haben muss, wenn mehrere Leute ohne zu zögern für jemanden bürgen, der so schwer belastet wird wie Raylan in dieser Folge.

Justified

Und ist das nicht in Wahrheit die Grundregel, mit denen er sein eigenes Verhalten immer wieder aufs Neue rechtfertigt? Wenn er seinen Job macht und Leute nach dem beurteilt, was er gerade in diesem Moment sieht und durchschaut, geht er da nicht genau diesen Weg? Und könnte unter Umständen das der Grund dafür sein, dass er nicht daran zweifelt, dass Art an ihn glaubt? Oder daran, dass Winona die Tatwaffe für ihn besorgen wird? Winona verwendet in der Grandiosen Szene mit ihrem Ex-Mann dessen Leitspruch gegen ihn. Wenn man nichts getan hat, dann muss man sich auch um nichts Sorgen machen. Ist Raylan sich deshalb so sicher, dass am Ende, selbst wenn die Kollateralschäden einen schmerzen, die richtige Seite gewinnen wird?

Winning Side

Am Ende wird es genau darum gehen – um die richtige Seite. Die Seite des Gewinners. Noch scheint jeder zu glauben, er könne ein Stück vom Kuchen haben. Jeder spielt gegen den anderen, Karten werden ausgeteilt und neu gemischt. Immer wieder tauchen neue Spieler auf und nichts scheint in Stein gemeißelt. Raylans Konflikt mit Quarles und Duffy ist derzeit mit Sicherheit der spannendste Kampf der Serie, doch Limehouse steht jetzt schon in den Startlöchern, um aus dem Hintergrund zu treten und für alle und niemanden gleichzeitig aktiv zu werden. Und während Tanner mit Napier seine private kleine Schmutzkübelkampagne inszeniert, ist Boyd einfach weiterhin er selbst, kriminell in seinem Genie und genial in seiner Kriminalität, und plant seinen Wahlkampf, um Shelby zum Sheriff zu machen.

Wie die Sache weitergehen wird, jetzt wo Raylan weiß, womit er es zu tun hat, Quarles von seinen Leuten ausgeschlossen wurde, Boyd seine Reputation ein Stück weit einbüßen musste und Limehouse nach wie vor nicht die Position einnehmen kann, die er als Weißer mit Sicherheit einnehmen könnte, das weiß niemand außer den Schreibern. Sicher ist nur, dass der Handlungsbogen so komplex und verwoben ist wie nie zuvor. Jede andere Serie wäre vermutlich mit der eigenen Dichte überfordert, aber "Justified" jongliert so perfekt mit seinen Charakteren, dass man nicht einmal im Ansatz an so etwas wie Reizüberflutung denkt. Selbst, wenn einem manchmal die Worte fehlen, um das Ganze wirklich zu beschreiben.

Fazit

Die goldene Regel bei "Justified" ist, dass einen alles einholt. Und eher früher als später. Im Moment gibt es Bauernopfer, die sicherlich weh tun, im Endeffekt aber zu verschmerzen sind, während die Hauptcharaktere versuchen, der offenen Schlacht so gut wie möglich aus dem Weg zu gehen. Zermürbung der Gegner ist das Schlagwort dieser Staffel. Die wirklich wichtige Entwicklung ist die, die geradewegs in eine Zukunft führt, bei der alles offen steht. Man kann sich bei niemandem sicher sein, dass er es das nächste Mal schaffen wird, seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Und sollte das irgendwann nicht mehr möglich sein – und der Moment wird kommen – dann ist es durchaus möglich, dass wir als Zuschauer eine Kettenreaktion zu sehen bekommen, die wir nicht so schnell vergessen werden.

Eva Kügerl – myFanbase

Die Serie "Justified" ansehen:


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