Bewertung

Review: #4.05 In den Hügeln

Foto: Walton Goggins, Timothy Olyphant, Justified - Copyright: Prashant Gupta/FX
Walton Goggins, Timothy Olyphant, Justified
© Prashant Gupta/FX

Eingesperrt mit Raylan in einem Kabuff irgendwo in den Appalachen sagt Boyd einmal während dieser Episode: "All the world's a tree. I'm just a squirrel trying to get a nut." Diese Metapher bringt die Quintessenz nicht nur dieser Folge, sondern eigentlich der gesamten Serie hervorragend auf den Punkt: Alle Protagonisten sind auf der Suche nach irgendetwas, das ihr Leben in irgendeiner Hinsicht verbessert oder zumindest nicht noch weiter verschlechtert. Raylan und Boyd suchen Drew Thompson, Colt sucht Ellen May, Shelby sucht die Unabhängigkeit von Boyd und Duffy sucht das große Geschäft. Das Problem ist nur, dass es nicht genug Nüsse für alle gibt.

Schon zu Beginn der im Original sehr treffend benannten Episode #4.05 Kin hat Raylan mit eben jener kin, seiner Verwandtschaft, zu tun. Winona wieder zu sehen ist nicht nur willkommen, sondern absolut nötig, um Raylans aktuelle Privatsituation wieder greifbarer zu machen und um in Erinnerung zu rufen, dass dieser Mann bald Vater wird. Das kurze Zusammentreffen zwischen Raylan und Winona macht zudem wieder perfekt deutlich, warum diese Beziehung einfach nicht funktionieren kann und warum Raylan nicht der Mann ist und sein kann, den Winona braucht. Raylan bemüht sich zwar, er versucht pünktlich zu sein, er bringt Kaffee, er will Geld für Winona und das Baby zur Seite legen. Doch dann ist er in Wirklichkeit eine halbe Stunde zu spät, denkt nicht an den entkoffeinierten Kaffee und hat eigentlich gar keine Geldreserven. Und bevor irgendwas davon zur Sprache kommt, ruft die Arbeit und Winona kann nur resignierend akzeptieren, dass Raylan nicht zum Ultraschall bleiben wird. Wie sagt Raylan doch so treffend? "The job is still the job, you know?"

Und dieser Job bringt Raylan immer wieder in die Bredouille. Nun da der Drew-Thompson-Fall endlich den U.S. Marshals übergeben wurde, will man Arlo dazu bringen, Thompsons Aufenthaltsort preiszugeben als Gegenleistung für seine Freiheit – etwas, das Raylan nicht zulassen will. So macht er sich eigenständig auf die Suche nach Thompson, trifft dabei wieder auf Constable Bob und die freche Roz und erfährt schließlich dank einer einfachen, aber sehr effektiven Befragungsmethode von Josiah Cairn, dass Thompson sich in den Appalachen verstecken soll. Dass Raylan dort dann ausgerechnet auf seinen liebsten Freundfeind Boyd trifft, ist natürlich großartig. Diese beiden Persönlichkeiten sollte man noch viel öfters aufeinanderprallen lassen, gerade in solch haarsträubenden Situationen wie dieser, wo die zwei gezwungen werden zusammenzuarbeiten, um zu überleben. Boyds trockenes Fazit des Vorfalls ist dann natürlich wieder herrlich: "I've come to a conclusion: I don't like you, Raylan."

Dass Mary ihnen letztlich nur sagen kann, dass Thompson sie mal vor zehn Jahren auf einem Bluegrass-Festival sitzen gelassen hat, ist dann aber enttäuschend. Die Thompson-Sache kommt einfach nicht richtig voran, auch wenn wir mit Nick Augustine jetzt womöglich einen interessanten neuen Spieler auf dem Feld haben. Augustine erschießt seinen ach so guten Freund und korrupten FBI-Agenten Barkley eiskalt und setzt Duffy, der daneben sitzt und keine Miene verzieht, auf Thompson an. Duffy verschwört sich daraufhin mit Boyd, gleichzeitig hat er aber auch einen Deal mit Johnny, der Boyd erschießen will. Die Sache wird also immer verstrickter, die Gefahr immer größer, der Einsatz geht ans Limit. Sehr gut.

An anderer Stelle haben wir Colt, der auf der Suche nach Ellen May ist und dabei der Wahrheit gefährlich nahe kommt. Colt ist mittlerweile zu einer richtig interessanten Figur geworden, denn seine irrsinnige Mischung aus potentieller Gewalt und aufrichtiger Sympathie ist explosiv. So weiß man nie, was von ihm zu erwarten ist, ob er den Tankwart etwa erschießt oder nicht, ob er die Waffe gegen Tim hebt oder nicht (vielsagende Gegenüberstellung übrigens zwischen den zwei Ex-Soldaten Tim und Colt, die nur ein schmaler Grat trennt). Dass Colt nun einerseits Boyd bezüglich Ellen May anlügen musste und andererseits Shelby das arme Mädchen in der Hand hat, könnte spannend werden. Shelby hat mit Ellen May eine wichtige Zeugin, durch die er sich aus Boyds Zange befreien und ihn zur Strecke bringen könnte.

Mit einigen starken Szenen – darunter vor allem das Aufeinandertreffen von Raylan und Boyd –, der konstant latenten Spannung, dem gelungenen Zusammenspiel der verschiedenen Protagonisten und der Aussicht auf ein paar interessante Wendungen hinterlässt diese Episode einen insgesamt guten Eindruck. Etwas komisch ist es, dass die St.-Cyr-Angelegenheit weiterhin völlig unter den Tisch fallen gelassen wird; zudem wäre es schön, wieder mehr von Art, Rachel und Tim im Team mit Raylan zu sehen. Doch langsam erhöht sich der Einsatz, die Dramaturgie wird endlich wieder kompakter und auch die Spannung zieht an, und das ist genau die richtige Richtung, die die Serie gehen muss. Weiter so.

Maria Gruber - myFanbase

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