Bewertung

Review: #4.02 Für tot erklärt

Foto: Ken Leung, Lost - Copyright: 2007 American Broadcasting Companies, Inc. All rights reserved.
Ken Leung, Lost
© 2007 American Broadcasting Companies, Inc. All rights reserved.

Irgendwie ist es auf eine gewisse Art amüsant, wenn man bedenkt, wie viele Leute sich in "Lost" auf eine kleine Insel im Pazifik verirren. Anfangs dachten wir, es wären "nur" die 48 Überlebenden des Absturzes der Maschine Oceanic 815, die Losties. Dann machten wir Bekanntschaft mit den Anderen (Ben & Co.), den Tailies (Ana-Lucia & Co.), den Hostiles (Richard &. Co.) und nun mit den so genannten Boaties. Und als ob das nicht schon genug Grüppchen wären, haben sich jetzt auch noch die Losties in zwei Gruppen aufgeteilt, damit die Verwirrung perfekt ist.

"I'm here to rescue you."

Für Verwirrung sorgt bereits der Anfang dieser Episode, #4.02 Für tot erklärt, der völlig neuartig ist. Kein Dschungel, kein Strand, keine Personen. Wir verfolgen eine Unterwasserexpedition mithilfe zweier ROVs, die uns schließlich das angebliche Wrack der Maschine zeigen, mit der unsere Losties vor 94 Tagen abgestürzt sind. Meine Meinung? Diese Maschine ist eine Attrappe. Eine Attrappe, die im Sunda Graben nahe Bali platziert wurde, damit keine weiteren Fragen über den Verbleib der 324 Passagiere gestellt werden. Von wem auch immer dieser Attrappe dort hingebracht worden ist, sei es Dharma oder Oceanic oder Jacob höchstpersönlich, fest steht für mich: Das ist nicht das echte Wrack.

Die Aufnahmen der ROVs verfolgt auch ein Mann namens Daniel Faraday im Fernsehen. Und zwar mit sehr großer Anteilnahme. Cut. Wir springen in die Gegenwart zurück, in der Daniel in einem Helikopter sitzt, der in Turbulenzen gerät, sodass er von Miles netterweise hinausgeschubst wird und irgendwo im Dschungel landet, wo er auf Jack und Kate trifft.

Das erste Treffen zwischen Jack und Kate mit Daniel ist eigenartig: Jack und Kate wissen irgendwie nicht so genau, ob sie sich freuen sollen oder nicht und beweisen eine gesunde Portion Skepsis. Daniel ist mit der Situation derweil ein wenig überfordert und erweist sich als unwahrscheinlich schlechter Lügner – was ihn aber irgendwie sympathisch macht. Bei so vielen Lügnern auf der Insel ist es eine schöne Abwechslung, mal jemanden zu sehen, der schlecht lügt. Und dass Faraday Physiker ist (was für eine Namensgebung, Michael Faraday erfand 1831 die (!) elektromagnetische (!!) Induktion (!!!)) gibt seinem Charakter einen weiteren dicken Pluspunkt. Kurzum: in Daniel Faraday steckt großes Potential, um ein äußerst interessanter Charakter zu werden.

"Don't tell him my last name!"

Ähnlich wie Jeremy Davies als Daniel Faraday konnte auch Ken Leung als Miles Straume überzeugen, dessen Charakter das komplette Gegenteil von Faraday darstellt: er ist erfrischend sarkastisch, sehr skeptisch und ziemlich aggressiv.

Und er ist ein (da-da-di-da-da-dum) Ghostbuster!

"Lost", du weißt, ich habe schon viele komplett verrückte Sachen akzeptiert – den Weltrettungsknopf, der alle 108 Minuten gedrückt werden muss, einen ziemlich gutaussehenden Schotten, der in die Zukunft sehen kann, Eisbären im Dschungel, schwarze Rauchmonster – aber ein Ghostbuster? Das setzt meine Toleranzgrenze doch noch mal um ein ziemliches Stück nach oben. Und wieso zum Henker hängen die Bilder an der Treppe in Holzrahmen, als Miles hinaufgeht und in Eisenrahmen, als er wieder hinunterkommt? Und wieso braucht Miles einen Staubsauger? Und wieso stellen wir uns eigentlich all diese Fragen, wenn wir eh nicht von selbst dahinter kommen werden?

"I feel much more comfortable now, thanks."

Einen Haufen Fragen wirft auch das Flashback von Charlotte Lewis auf. Es führt uns nach Tunesien, wo Charlotte sich den Ausgrabungsort eines Eisbärskelettes (!) in der Wüste (!!) ansieht und mal ganz nebenbei noch ein Siegel der Dharma-Initiative mit dem Hydra-Symbol (!!!) ausbuddelt. Interessant ist hierbei, dass Charlotte anscheinend genau wusste nach was sie sucht und nicht im Geringsten erstaunt darüber war, was sie gefunden hatte. Ist sie Dharma schon seit längerem auf der Spur?

Im Gegensatz zu Faraday und Straume kann man sich für Charlotte nicht wirklich erwärmen. Während Faraday aufgrund seiner Unsicherheit und Unbeholfenheit die Sympathien auf seine Seite zieht und Straume mit seiner ironischen Art und dem Funken Aufrichtigkeit, der noch irgendwo in ihm schlummert, punkten kann, wirkt Charlotte noch sehr eindimensional. Lieber hätte ich Naomi weiterhin gesehen – doch geben wir ihr eine Chance.

"That is not Seth Norris!"

Neuzugang Nummer vier ist Frank Lapidus, ein Alkoholiker und Pilot, der auf den Bahamas lebt und – jetzt kommt's – eigentlich der Pilot der Maschine hätte sein sollen. Völlig genial ist bei seinem Flashback schon mal der erneute Cameo-Auftritt von Greg Grunberg aka Seth Norris aka Eric Weiss aus "Alias" aka Matt Parkman aus "Heroes" aka J.J. Abrams' Kumpel aus Kindergartentagen. Ebenso toll: Lapidus ist überzeugt davon, dass dies nicht der echte Seth Norris bzw. das echte Wrack der Maschine ist. Ja Frank, das sehe ich auch so!

Frank ist schließlich der letzte, den Jack und Kate zusammen mit Sayid, Juliet, Daniel und Miles finden. Und von ihm erfahren sie, dass der Helikopter keinesfalls abgestürzt ist, sondern von Lapidus gelandet werden konnte. Als die Losties die Maschine (natürlich mit einer Kennnummer wie N842M) erblicken, strahlen sie alle wie Honigkuchenpferde, denn noch nie war die Rettung so nah. Doch Vorsicht, Losties – ihr glaubt doch nicht, dass es so einfach sein wird?

"We don't wanna be found."

Während Jack & Co. Bekanntschaft mit Daniel, Miles, Frank und einem Hubschrauber machen, sind Locke & Co. weiterhin auf dem Weg zu den Baracken. Es ist schon interessant, wie unkonventionell Locke als Anführer agiert – ganz anders als Jack. Jack, der "Mann der Wissenschaft", sieht es als oberste Priorität, alle heil von der Insel zu schaffen – Locke, der "Mann des Glaubens", will unter keinen Umständen von der Insel und doch hat er seine Anhänger gefunden. Wie? Locke überzeugt durch seine unglaubliche, unerschütterliche Ruhe und Zuversicht. Zwar mag man manchmal das Gefühl haben, dass er nicht alle Tassen im Schrank hätte, doch dann hebt Locke einfach mal sein Hemd und zeigt dem ungläubigen Sawyer seine von Ben zugefügten Schusswunden.

Ist das nicht eine wunderbare Ironie? Locke konnte Bens Schuss überleben, da sein Vater ihm seine Niere gestohlen hatte. So hat Anthony Cooper, der seinen Sohn töten wollte, ihm letztendlich das Leben gerettet.

Ach ja, Ben. Ist es nicht unglaublich, wie er alle manipuliert? Herrlich. Und sein Sarkasmus? Fabelhaft ("Karl. Now if you're going to sleep with my daughter, I insist you call me Ben."). Ben versteht es, die Schwachstellen jedes einzelnen auszubeuten, so wusste er, dass er Locke mit seinem Vater brechen kann und Sawyer, indem er ihn mit Kate köderte. Und als es schließlich dazu kommt, dass Locke ihm eine Knarre an den Kopf hält, schafft er es, seinen Tod abzuwenden, indem er Locke erneut genau dort packt, wo seine Schwachstelle liegt: seine Neugier. Ben bietet Locke an, ihm die ersehnten Antworten zu geben und was ist das erste, was Locke in den Sinn kommt? "What is the Monster?"

BING! Falsche Frage! Ich bitte dich, Johnny. Da bietet dir Ben schon einmal die Chance deines Lebens, alles über die Insel und die Anderen zu erfahren, was du willst und du fragst nach dem Monster? Wie wär's mit: Wieso kann ich wieder gehen? Wieso sehe ich Walt? Wie hast du meinen Vater auf die Insel verfrachtet? Und wer zum Henker ist eigentlich Jacob?

"There were no survivors of Oceanic 815."

Schließlich entlässt uns #4.02 mit drei wichtigen Informationen: a) Matthew Abaddon aka der Mann, der einem das Blut in den Adern gefrieren lässt, ist derjenige, der Naomi, Daniel, Miles, Charlotte und Frank auf die Mission geschickt hat; b) Die Losties werden von der Außenwelt anscheinend tatsächlich für tot gehalten; und c) Ben sollte immer das letzte Wort haben.

Sawyer: "What do they want?"

Ben: "Me, James. They want me."

Locke: "How do you know all this?"

Ben: "Because I have a man on their boat."

Amen. Nächste Folge bitte.

Maria Gruber - myFanbase

Die Serie "Lost" ansehen:


Vorherige Review:
#4.01 Der Anfang vom Ende
Alle ReviewsNächste Review:
#4.04 Der Deal

Diskussion zu dieser Episode

Du kannst hier oder in unserem Forum mit anderen Fans von "Lost" über die Folge #4.02 Für tot erklärt diskutieren.