Bewertung

Review: #4.05 Die Konstante

Als ich #3.08 Erinnerungsfetzen das erste Mal gesehen hatte, war ich wohl noch nicht bereit für so viel Mystery in "Lost". Nun haben wir erneut eine Episode, die sich ganz und gar mit Desmond beschäftigt und ähnliche Ausmaße annimmt, wie es damals schon #3.08 Erinnerungsfetzen getan hat. Doch nachdem meine Meinung im Nachhinein schon viel positiver für Desmonds erste "Mystery-Episode" ausgefallen ist, kann ich nun sagen, dass dies die erste Episode der vierten Staffel ist, der ich die volle Punktzahl gebe.

Zwei aus 48

Falls es einige gibt, die sich mit dieser Episode so gar nicht anfreunden können, könnte dies auch daran liegen, dass wir hier das erste Mal eine Episode gesehen haben, in der nur zwei Charaktere von den eigentlichen Überlebenden zu sehen waren. Dies waren Sayid und Jack. Alle anderen begleiten uns erst seit der zweiten, dritten oder sogar vierten Staffel.

Es mag also manche geben, die dies bemängeln werden, da sich die Serie, wie schon seit der dritten Staffel, immer ein wenig mehr von den ursprünglichen Überlebenden distanziert und viele "neue" Charaktere in den Vordergrund treten. Mir selbst gefällt diese Entwicklung allerdings sehr gut. Natürlich gefallen mir auch die alten Charaktere, aber da "Lost" von Beginn an eine Serie war, die Stück für Stück ein riesiges Mysterium aufgebaut hat, war mir immer bewusst, dass wir uns von vielen "alten" Charakteren verabschieden müssen und viele neue begrüßen dürfen. Immerhin haben wir in der jetzigen Staffel einen Cast von insgesamt 16 Hauptdarstellern, von denen "nur noch" zehn Hauptdarsteller zum originalen Cast gehören, während wir sechs weitere Hauptdarsteller haben, die nicht im Flugzeug saßen und ganz andere Wege zu unseren Losties gefunden haben.

Maybe if you talk real slow we'll be able to follow

Von den neuen Hauptdarstellern in der vierten Staffel von "Lost" gefällt mir vor allem Daniel, was wohl nicht zuletzt an dem wunderbaren Jeremy Davies liegt. Der schräge Physiker hat in dieser Episode einmal mehr dafür gesorgt, dass ich gebannt auf den Fernseher gestarrt habe.

Nicht nur, dass er versucht hat Jack und Juliet in einer leicht verständlichen Art und Weise, die natürlich immer noch nicht so ganz einfach war, zu erklären, was es damit auf sich hat, dass der Hubschrauber nun schon einige Zeit spurlos verschwunden ist, man sich deswegen allerdings keinerlei Sorgen machen müsste – hier mal wieder eine Rüge an Charlotte, denn war es wirklich so schlimm, dass Daniel die Wahrheit gesagt hat? – sondern auch die Tatsache, dass er Desmonds Leben durch seine Theorien gerettet hat, machten für mich einmal mehr deutlich, dass Daniel definitiv ein wichtiges Puzzleteil in dem ganzen "Lost"-Universum ist.

Neben der Tatsache, dass Daniel seine radioaktiven Experimente ohne Kopfschutz durchführt, was ein wenig seinen geistigen Zustand erklären könnte, und der wunderbar herrlichen Perücke, die er in Oxford getragen hat, war der spannendste Teil rund um Daniel diesmal der Teil, der uns eigentlich auch Klarheit über die anderen Ereignisse dieser Episode verschafft hat, nämlich: dass Desmond seine Konstante ist, die ihm eventuell das Leben retten kann, wenn es ausweglos erscheint.

Die Konstanten

Wir haben also gelernt, dass man am besten immer eine Person haben sollte, die einem sowohl in der Vergangenheit, als auch in der Zukunft viel bedeutet. Bei Desmond war es ganz klar Penny, die ihm (hoffentlich) letztendlich das Leben gerettet hat. Daniel selbst hat Desmond als seine eigene Konstante gewählt. Nun stellt sich natürlich auch die Frage, wen die anderen Überlebenden wählen würden, sollte ihnen das gleiche Schicksal ereilen.

Davon einmal abgesehen, macht es für mich erstmals richtig Sinn, dass die Überlebenden des Absturzes alle insgesamt miteinander verbunden sind. In zahlreichen Flashbacks haben wir gesehen, dass sich die einen oder anderen schon mal begegnet sind, die Väter von anderen Überlebenden kennen, sich mit den schwangeren Freundinnen ihres Bettpartners zusammengetan haben usw.

Nun könnten genau diese "Zufälle", von denen wohl kein einziger Zuschauer der Serie jemals geglaubt hat, dass es wirklich nur Zufälle sind, dem ein oder anderen das Leben retten. Ich bin gespannt, ob das alles noch mal genauer thematisiert wird und ob jemals wieder jemand seine Konstante finden muss und in die Zeit zurück reist, um dort auf einen jetzigen Vertrauten zu treffen. Ich wage hier allerdings eine kleine Theorie:

Wenn wir davon ausgehen, dass durch die Implosion des Hatches sehr viel Radioaktivität freigesetzt wurde, von denen eigentlich nur Sayid, Sun, Jin (die sich zur Zeit der Implosion auf dem Boot von Desmond befunden haben) und Jack, Sawyer, Kate und Hurley (die bei den Anderen waren) verschont wurden, dann hätten wir hier einen Grund, warum vier von diesen sieben schon mal sicher zu den Oceanic Six gehören. Sie können die Insel ohne Probleme verlassen, da sie nicht durch das eventuelle Nicht-Vorhandensein einer Konstante ihr Leben in Gefahr bringen würden. Bei den anderen Insel-Bewohnern wird dies nicht so leicht sein.

Zumindest hätten wir durch diese Theorie auch eine Erklärung dafür, warum alle 108 Minuten der Knopf gedrückt werden musste, denn damit wurde die Radioaktivität im Zaum gehalten und die Bewohner der Insel (und demnach auch die damaligen Mitarbeiter von Dharma) wurden so vor eventuellen Zeitreisen bzw. Zeitsprüngen mit anschließendem Tod bewahrt.

I won't call for eight years

Ich mache keinen Hehl daraus, dass Desmond definitiv einer meiner Lieblingscharaktere ist und seine Beziehung und Liebe zu Penny meiner Meinung nach die intensivste, romantischste Verbindung ist, die wir jemals in dieser Serie gesehen haben (was mir auch vollkommen reicht, denn ich will nicht so viel Liebe sehen, dafür gibt es andere Serien). Doch ab und zu ist das vollkommen in Ordnung für mich und wenn es sich so gestaltet wie in dieser Episode, dann stimmt das mein kleines Herz sehr, sehr glücklich.

Das Gespräch zwischen Penny und Desmond am Ende, was nur einige Sekunden gedauert hat, rührte mich so sehr, dass ich das erste Mal in dieser Serie Tränen aus Freude vergießen musste. Diese Intensität des Gesprächs hat mich schlichtweg vom Hocker gehauen!

1996 vs. 2004

Doch gehen wir von diesen rührseligen Szenen über zu den Dingen, die uns wohl noch ein wenig länger zusetzen werden: Die Frage, die im Raum steht, ist natürlich die, ob wir es hier wirklich mit einer Zeitreise zu tun hatten. Es gibt Dinge, die definitiv dafür sprechen und auch wenn Daniel sagte, dass man die Zukunft nicht ändern kann, so scheinen die Dinge, die Desmond diesmal im Jahr 1996 erlebt hat, auch Einfluss auf seine Zukunft, die nun natürlich schon wieder in der Vergangenheit liegt, gehabt zu haben.

So haben wir hier das erste Mal eine Erklärung bekommen, warum Desmond ehrenhaft aus der schottischen Armee entlassen wurde. Allerdings haben alle Theorien, die sich mit Zeitreisen beschäftigen, zur Last, dass sie starke Kopfschmerzen nach sich ziehen, denn eigentlich würde dies immer auch bedeuten, dass sie die Zukunft gleich mit verändern würde und wir müssten uns auch hier fragen, ob Desmond sich nach seinem Besuch bei Penny und Daniel noch an die Dinge erinnert, die er "gleichzeitig" auf dem Frachter erfahren hat oder ob das alles doch nur in seinem Kopf abgelaufen ist, da ja nur sein Verstand und nicht sein Körper diese Reise unternommen hat. Doch damit wir dies wissen, müssen wir wohl erst mal darauf hoffen, dass Desmond sich wieder an die letzten acht Jahre erinnert und nicht mehr überrascht ist, dass er sich zurzeit im Jahr 2004 befindet.

Ein weiter Punkt, der die Theorie unterstützt, dass Desmond wirklich in der Zeit gereist ist, ist natürlich der offensichtliche, dass Desmond Daniels Konstante ist. Er hat Desmond demnach in der Vergangenheit schon getroffen und wusste durch Desmonds Aussagen, dass er ihm auch in der Zukunft begegnen wird. Dies ist also eigentlich ein eindeutiger Indikator dafür, dass Desmonds Verstand eine Zeitreise unternommen hat und er somit die Ereignisse aus 1996 beeinflusst hat.

Randnotizen

Ich muss hier leider eine kleine Rüge erteilen: Wie wir alle wissen, gab es vier Körper an Bord des Helikopters – Desmond, Frank, Sayid und Naomi. Nun, da der Helikopter endlich gelandet ist, scheint es allerdings, als würde Naomi irgendwo in Mitten des Ozeans abgeworfen worden sein...

Die Tatsache, dass die Anrufe von Penny nicht angenommen werden durften, könnten verheißen, dass Charles Widmore, der in dieser Episode das Logbuch der Black Rock ersteigert hat, etwas mit dem Frachter zu tun hat und seiner Tochter nicht helfen will, Desmond zu finden. Dass Charles Widmore mehr mit der Sache zu tun hat, als wir bisher wissen, lassen schon alleine die Hinweise der "Lost Experience" vermuten.

George Minkowski hat anscheinend sein Leben in dieser Episode gelassen (was meiner Meinung viel zu früh geschehen ist). Doch dass Leben und Tod auf der Insel eng beieinander liegen, ist uns schon seit Langem bewusst. Hier also wieder einmal eine gewagte Theorie: George ist nicht wirklich tot, da sein Verstand in einer anderen Zeit ist, weswegen er auch sagte "I can't go back". Doch es könnte theoretisch so sein, dass er noch mal in die jetzige Zeit wechselt, zumindest auf der Insel. Dies würde eventuell auch erklären, warum wir Walt, der natürlich nicht tot ist, immer mal wieder auf der Insel gesehen haben oder auch warum Mikhail eigentlich immer wieder aufersteht und Richard nicht wirklich altert.

Davon abgesehen, könnte die Krankheit, von der Danielle Rousseau schon seit der ersten Staffel spricht, auf die Begebenheiten dieser Episode anspielen. Vielleicht waren auch ihre alten Teammitglieder von der Zeitreise ihres Verstandes betroffen, was für Unwissende als eine enorme geistige Krankheit erscheinen könnte.

Fast untergegangen ist in dieser Episode natürlich Bens Spitzel auf dem Boot. Auch wenn wir ihn sehr wahrscheinlich noch nicht gesehen haben (ich habe immer noch das Gefühl, dass es Michael sein könnte und er so in die vierte Staffel eingeführt wird), so scheint es eindeutig zu sein, dass genau dieser Spitzel derjenige war, der Sayid und Desmond die Tür geöffnet hat und somit der "Freund" war, von dem George gesprochen hat. Gleichzeitig ist es wohl auch der Spitzel gewesen, der das Equipment zerstört hat, damit kein Kontakt zur Außenwelt mehr besteht – scheint auf jeden Fall ganz Bens Art zu sein.

Fazit

Auch wenn diese Review wieder einmal den Rahmen sprengt, kommt es mir vor, als hätte ich nur die Hälfte wirklich zur Sprache gebracht. Eins ist jedoch klar: Dies ist die erste Episode der vierten Staffel, der ich die volle Punktzahl gebe. Nicht nur, weil ich die ganze Zeit gebannt vor dem Fernseher saß, sondern vor allem, weil ich stundenlang über Theorien nachdenke, die mir die Ereignisse dieser Episode ein Stück weit erklären und damit ein paar weitere Puzzleteile darstellen, die mir am Ende die Lösung des Rätsels "Lost" geben.

Annika Leichner - myFanbase

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