Bewertung

Review: #4.08 Mein Name ist Kevin Johnson

Zuletzt bei "Lost": Vater erschießt zwei Personen, überlässt drei Personen in der Gewalt einer Gruppe extrem unvertrauenswürdiger Menschen, schnappt sich ein Boot und fährt mit seinem Sohn davon.

Diesmal bei "Lost": Vater schrubbt Böden auf einem Frachter, wird von einem irakisch-schottischen Dreamteam zur Rede gestellt und erzählt uns nicht nur, dass er sich nicht umbringen kann, sondern auch, dass Tom Friendly schwul ist. Oho!

"I'm here to die."

Doch fangen wir von vorne an: Des und Sayid schlafen seelenruhig in ihrer Kajüte, als plötzlich der Alarm losgeht. Beide sprinten aufs Deck, wo Captain Gault aka Gerard Butler 2.0 Crewmitglieder verprügelt, die den Frachter verlassen wollen. Aggressionen? Nein, der Captain meint es nur gut mit seinen Leuten. Er erinnert alle daran, was mit Minkowski passiert ist, der ebenfalls das Schiff verlassen wollte, schlägt noch ein bisschen um sich und lässt die Verprügelten dann behandeln. Weiterhin bleibt es ein Rätsel, was genau der "Lagerkoller" ist, an dem der Großteil der Crew zu leiden scheint, doch ich bin zuversichtlich, dass wir da noch Antworten bekommen werden.

Doch viel interessanter ist, was danach folgt: Michael wird von Desmond und Sayid zur Rede gestellt und endlich bekommen wir tatsächlich ein paar handfeste Antworten. Antworten!

Flashback: Michael sitzt in seiner heruntergekommenen Wohnung und schreibt, wie wir später erfahren, einen Abschiedsbrief an Walt. Er pinnt sich den Zettel klugerweise ans Hemd (das wahrscheinlich nach einer Autoexplosion verkokelt wäre, hätte er sich erfolgreich umgebracht) und fährt mit seiner Schrottkarre los. Es stellt sich heraus, dass Michael denselben Musikgeschmack hat wie brotha Desmond, nämlich Mama Cass. Diese singt fleißig "It's getting better" (diesmal nicht "Make Your Own Kind of Music") und sorgt damit für eine herrliche Ironie in dieser Szene, als Michael schließlich mit Karacho gegen einen Container fährt. It's getting better!

Dampf, Dunkelheit, Piepen, ein Krankenhaus... und dann, Schwester Libby! Definitiv ein Schockmoment. Doch Libby entpuppt sich als Teil eines bösen Traums, ein Traum, der zeigt, dass Michael mit seinen Morden an Libby und Ana-Lucia nicht leben kann. Doch das ist nicht der einzige Grund, wieso er sich umbringen will: Michael haben die Schuldgefühle so sehr zu schaffen gemacht, dass er der einzigen Person davon erzählt hat, der er es erzählen konnte, nämlich Walt. Nein, es war wohl nicht die hellste Idee, seinem zehnjährigen Sohn zu erzählen, dass er zwei unschuldige Frauen getötet hat. Aber berücksichtigt man, dass Michael seit seiner Rückkehr von der Insel unter einer falschen Identität lebte und keiner Menschenseele auch nur irgendetwas von den Geschehnissen sagen konnte, kann man es irgendwie nachvollziehen oder zumindest akzeptieren, dass er Walt dieses Geheimnis aufgebürdet hat.

Nach einem Besuch bei seiner Mutter, sieht Michael schließlich eine Art schlechten Klon von Walt am Fenster stehen – hallo? Wollt ihr uns echt weismachen, dass das Malcolm David Kelley war? Michael jedenfalls sieht danach gar keinen Sinn mehr im Leben, tauscht Jins Uhr gegen eine Waffe, verzieht sich in eine Hintergasse und will gerade abdrücken, als... Tom Friendly vorbeischaut!

"You can't kill yourself, the Island won't let you."

Und damit beginnt der hochinteressante Teil der Folge: a) Ich lag falsch, Michael ist nicht zu blöd, um sich umzubringen, der Arme kann sich gar nicht umbringen; b) Ich lag richtig, M.C. Gainey ist cool; und c) Ich finde es immer wieder toll, wenn verstorbene Charaktere in Flashbacks wieder auftauchen (diesmal: Libby, Tom, Minkowski und Naomi).

Michael kann sich also nicht umbringen, weil die Insel das nicht zulässt - voilà und wieder ein Mysterium in "Lost", das uns schlaflose Nächte bereiten wird. Was bedeutet das? Heißt das, dass man erst stirbt, wenn man seinen Zweck erfüllt hat, wenn man bereit für den Tod ist, wenn das Schicksal (oder die Insel) es erlaubt?

Wenn man sich die anderen bisherigen Todesfälle von Leuten ansieht, die Zeit auf der Insel verbracht haben, so könnte dies durchaus der Fall sein. Boone starb, nachdem er es geschafft hatte, emotional von Shannon loszukommen, die ihn lange Zeit in der Hand gehabt hatte. Eben diese starb nur kurze Zeit später, jedoch erst, nachdem sie eine beachtliche Entwicklung von einer oberflächlichen Blondine hin zu einer reiferen Frau gemacht hatte, die sich dann sogar in einen Iraker verliebte. Dann hätten wir Libby und Ana-Lucia, beides Charaktere, die Michael zum Opfer fielen – hier ist es schwer zu sagen, ob sie ihren Zweck schon erfüllt hatten. Eko starb durch das ominöse Monster, doch zuvor konnte er Frieden mit dem Tod seines Bruders Yemi schließen und Locke den Weg weisen. Dann waren da Paolo und Nikki, die – seien wir mal ehrlich - nicht zählen. Und Charlie opferte sich in der Hoffnung, den anderen auf der Insel zu helfen – er starb erst, dank Desmond, nachdem er dies geschafft hatte.

Werfen wir einen Blick auf die Überlebenden, so scheint es auch hier womöglich ein Muster zu geben: diejenigen, die noch ihr Schicksal erfüllen müssen, scheinen einfach nicht zu sterben. Locke etwa überlebte Bens Schuss, Ben wiederum hatte einen Tumor in der Wirbelsäule, doch da fiel ein Wirbelsäulenchirurg vom Himmel, und Sawyer, der so ziemlich alle sieben Episoden sterben müsste, lebt immer noch, da die Insel vielleicht noch etwas wichtiges mit ihm vorhat. Wer weiß. Es ist nur eine Theorie, doch je mehr man darüber nachdenkt, desto plausibler erscheint sie einem. Denn ihr wisst ja: bei "Lost" ist nichts Zufall.

"Prove that this guy, Widmore, did what you say he did. Prove it."

Nachdem ich zweifelte und zweifelte und zweifelte, gebe ich mich geschlagen: Charles Widmore ist also tatsächlich der Auftraggeber der Kahana. Okay. Somit hatte Ben also ausnahmsweise mal nicht gelogen und auch Gerard Butler 2.0 sagte Desmond und Sayid die Wahrheit. Alan Dale hat wohl einfach ein Faible dafür, böse Männer darzustellen. Diesmal spielt er einen reichen Geschäftsmann, der 324 Leichen in Thailand ausgrub, um ein abgestürztes Flugzeugwrack zu inszenieren, damit er als erster eine Insel findet.

Um dies zu verhindern, soll Michael sich auf Widmores Frachter einschleusen und Böden schrubben. Tom verkauft ihm das Ganze als eine Art Wiedergutmachung für das, was er Libby und Ana-Lucia getan hat, nur dass dieser Job wiederum das Opfern von Menschen beinhaltet. Doch ein Mann wie Michael, der nichts mehr zu verlieren hat und sich bereits vier Mal umbringen wollte, ist wie ein gefundenes Fressen für die Anderen, die fleißig Psychospielchen mit ihm treiben: so bringen sie ihn dazu, die Bombe zu zünden, die nach Ablauf des Countdowns – plopp! – einen Zettel mit "Not Yet" produziert. Herrlich.

Genauso herrlich ist Bens folgender Anruf bei Michael. Mal wieder zeigt Ben, was für ein unglaubliches psychologisches Feingefühl er hat. Er stellt sich geschickt als einen Bösewicht mit Gewissen dar, im Gegensatz dazu Widmore als einen ohne Gewissen. Ganz klar wird hierbei, dass Ben und die Anderen ihre eigene, subjektive Vorstellung davon haben, wer unschuldig ist und wer nicht. Immerhin meint Ben, dass er keine unschuldigen Leute töten würde – wie war das noch mal mit dem Dharma-Massaker?

Michael beendet schließlich seine Erzählung und erzielt bei seinen zwei Befragern dabei zwei komplett unterschiedliche Reaktionen: Superschotte Desmond scheint erstmal zu verarbeiten, dass Michael auch Mama Cass hört und Supersoldat Sayid verpfeift Michael beim Captain – doch bin ich hier die Einzige, die das Gefühl hatte, dass Gault kein bisschen erstaunt darüber war, dass Michael ein Verräter sein soll?

"I have a bad feeling about this."

Werfen wir einen Blick in die gemütliche Nachbarschaft Old Dharma: Ben und eine Handvoll unserer Losties warten auf Diktator Locke, der beschlossen hat, wieder ein wenig Demokratie einziehen zu lassen. Nach einem kleinen Vortrag von Miles und der allgemeinen Erkenntnis, dass Michael Bens ominöser Mann auf dem Boot ist, will Ben noch ein Wörtchen mit seiner Tochter und Karl reden. Er schickt die beiden zum Tempel, zusammen mit Rousseau, damit sie sicher sind und er selbst nicht bestochen werden kann, für den Fall, dass die Leute vom Frachter ihn finden.

Alex, Karl und Rousseau machen sich somit auf zum Tempel und plötzlich – flapp! – fällt Karl tot um und – flapp! – Rousseau liegt neben ihm. Brotha!

Aber Leute – Rousseau tot? Nie im Leben. Diese Frau wird nicht einfach so von einem Pfeil niedergeschossen. Bei Karl hingegen würde ich davon ausgehen, dass dieser das Zeitliche gesegnet hat. Und Alex? Die reagiert schnell und packt erstmal damit aus, dass sie Bens Tochter ist. Wie klug es war, diese Informationen zu diesem Zeitpunkt preiszugeben, wird sich noch herausstellen.

Und nun stellt sich selbstverständlich die große 1-Millionen-Euro-Frage: Hat Ben die drei in eine Falle geschickt? Um den Lover seiner Tochter als auch deren neue Bezugsperson loszuwerden?

Die Antwort und noch viel mehr will ich in der nächsten Folge von "Lost".

Maria Gruber - myFanbase

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