Review: #4.07 Ji Yeon
Soll ich euch ein Geständnis machen? Ich bin reingefallen.
Ich langjähriger, treuer, stets mitfiebernder und sehr süchtiger "Lost"-Fan hab's nicht kapiert. So viele Hinweise, so viele eindeutige Hinweise und ich saß nach knapp 42 Minuten da und dachte mir: "Darlton, ihr seid sooo fies. Und verdammt noch mal genial!"
Diese vierte Staffel von "Lost" ist aber auch wirklich eine Achterbahn an literarischen Erzähltechniken: Flashbacks, Flashforwards, Multiple-Flashbacks, Flashtimes und jetzt dieses Flash...irgendwas. Keine Frage, die "Lost"-Macher lassen sich was einfallen, um uns immer wieder aufs Neue zu überraschen. Ich kann nur sagen: die Überraschung ist geglückt. Genauso wie diese Episode.
"Wherever Sun go, I go."
#4.07 Ji Yeon konzentriert sich, wie nicht anders zu erwarten, auf Jin und Sun und die große dunkle Wolke, die über deren Ehe hängt: Suns Affäre mit Jae. Dank Juliet erfährt Jin diesmal von der Sache, doch wie er letztendlich reagiert, zeigt, was für eine großartige und entscheidende Entwicklung Jin durchgemacht hat, seitdem er vor knapp 100 Tagen auf der Insel gestrandet ist.
Erinnern wir uns zurück an den harten, scheinbar gefühllosen Mann, der seiner Frau befahl, bei 40 Grad im Schatten ihre Bluse bis zum Hals zuzuknöpfen und bis zum Absturz auf der Insel in einer korrupten und brutalen Welt gefangen war, durch die seine Ehe zu zerstören drohte. Jetzt haben wir einen fürsorglichen Ehemann vor uns, der seine Fehler eingesehen hat und daher seiner Frau ihren Seitensprung verzeihen kann. Wow! Das tollste an dieser Entwicklung? Man nimmt sie den Drehbuchautoren sofort ab.
Jin und Sun sorgen in dieser Folge für wunderbare Momente. Egal ob sie zusammen über Babynamen sinnieren oder sich schließlich versöhnen und einander die ewige Liebe versprechen, niemals wirken die Szenen zwischen den beiden melodramatisch oder kitschig, sondern einfach nur aufrichtig und emotional. Die Chemie zwischen Yunjin Kim und Daniel Dae Kim passt perfekt und beide verdienen ein Lob für ihre fantastische Arbeit in #4.07.
"I've only been married two months."
Während auf der Insel alle Zeichen auf Versöhnung stehen, geht es in der Zukunft schon weitaus hektischer zu: das scheinbar gemeinsame Flashforward spielt in Korea, wo die hochschwangere Sun dabei ist, ihr Kind auf die Welt zu bringen. Scheinbar zur gleichen Zeit versucht Jin verzweifelt, in einem Geschäft einen Panda als Geschenk für die werdende Mutter zu kaufen. Doch der Panda entschwindet in einem Taxi und Jins Handy, das etwa die Größe einer Mikrowelle hat (Hinweis!), wird von einem Motorrad überrollt. Wutentbrannt schwört Jin dem Taxifahrer, dem Motorradfahrer und dem neuen Taxigast, ihnen die Köpfe abzureißen (Hinweis!!). So kehrt Jin zurück in den Laden, um nochmals einen Panda zu kaufen, doch der Besitzer bietet ihm stattdessen einen Drachen an, da schließlich das Jahr des Drachen ist (Hinweis!!!). Für ein Paar Tausend Won kriegt er aber noch einen Panda.
Und wow, es ist unglaublich, wie Daniel die Zeile "I need the panda" so angsteinflößend rüberbringen kann.
Jin düst schließlich ins Krankenhaus, findet das Zimmer und stellt sich als Vertreter von Paik Automotive vor. Jin erzählt, dass er davon gehört habe, dass der chinesische Botschafter gerade Großvater geworden ist und zu diesem Anlass hat er einen Plüschpanda mitgebracht. Falls ihr euch auch gewundert habt, ob Sun in der Zukunft vielleicht vom chinesischen Botschafter adoptiert worden ist, die frischgebackene Mutter im Zimmer ist nicht Sun. Zufrieden verlässt Jin das Krankenhaus wieder und lässt dabei fallen, dass er erst seit zwei Monaten verheiratet sei.
Ding! So kam die Erkenntnis, dass das scheinbare Flashforward in Wirklichkeit ein Flashback ist. Oh, wie genial! Genial vor allem, weil Flashback, Gegenwart und Flashforward in einem sehr interessanten Verhältnis zueinander stehen: in der Gegenwart begräbt Jin endgültig seine gefühlskalte Seite, sodass das Flashback noch einmal den starken Kontrast zwischen dem alten und neuen Jin deutlich macht. Das Flashforward hingegen wirft ein nahezu ironisches Licht auf Jins Aussage, dass Sun ihn nie verlieren wird, da Jin in naher Zukunft entweder tot oder auf der Insel verschollen ist.
Doch kommen wir noch einmal auf Suns Flashforward zu sprechen: Ji Yeon ist gesund auf die Welt gekommen und auch Sun geht es gut. Als sie während den Wehen nach Jin rief, hat sie wohl unter dem Einfluss der Medikamente halluziniert. Denn Jin ist tot. Oder besser gesagt, er hat einen Grabstein, auf dem sein Name steht, was bei "Lost" nicht zwangsläufig dasselbe bedeutet. Doch ist Jin wirklich unter der Erde oder musste er auf der Insel zurückbleiben? Aus Suns Rede wird das nicht ganz klar: sie sagt nur, dass sie ihn sehr vermisst, aber nie, dass er tot ist.
Und dann wäre da noch Hurleys Besuch bei Sun, zweifellos eine sehr schöne Szene. Doch auch diese wirft wieder eine Menge Fragen auf: Zunächst einmal, wieso ist Hurley da? Um Ji Yeon zu sehen oder wegen Jins "Todestag"? Und wieso findet er es gut, dass außer ihm niemand gekommen ist?
"That is just one of the many reasons we want Benjamin Linus."
Für den Mystery-Anteil sorgten in dieser Folge die Szenen auf der Kahana, die sehr düster und sehr gelungen waren. Unser Dreamteam Sayid/Desmond sitzt weiterhin in der Kajüte fest und mampft Limabohnen, während auf dem Frachter allerhand kuriose Dinge vor sich gehen. Da wären zunächst einmal Keamy und Lapidus, die mitten in der Nacht mit dem Helikopter losfliegen. Dann haben wir Regina, die Lapidus nicht bemerkt, obwohl er neben ihr steht, und nebenbei ihr Buch (Jules Vernes "Der Chancellor") falschrum liest. Gruselig. Noch gruseliger? Kurz danach stürzt sich Regina ins Meer und keiner macht Anstalten, sie zu retten.
Und dann tritt die australische Version von Gerard Butler auf den Plan, Captain Gault. Für ihn ist es nichts Neues, dass seine Crew durchdreht und er beschreibt das Ganze als eine extreme Form von Lagerkoller, der mit der Insel zu tun hat. Doch wieso werden die Leute nahe der Insel verrückt? Erleben sie plötzlich auch die Zeitreisen und drehen durch, so wie Minkowski und beinahe auch Desmond? Wieso aber sind beispielsweise die Losties nicht verrückt geworden? Und wie lässt es sich erklären, dass nicht alle auf der Kahana verrückt sind, da ja zum Beispiel Gault, Keamy und Lapidus noch normal sind? Oder ist das nur eine Frage der Zeit, bis sie auch ihren Verstand verlieren?
Gault ist jedenfalls erstaunlich entgegenkommend und erzählt Sayid und Desmond alles, was sie wissen möchten. Er erklärt ihnen, dass die Kahana das Boot von Charles Widmore ist und dass er weiß, dass Desmond diesen kennt. Er erzählt ihnen davon, dass man eine Attrappe des Flugzeugwracks der Oceanic-Maschine mitsamt 324 Leichen aufgebaut hat (ah, ich wusste es), dass Widmore sich den Flugschreiber der Maschine beschafft hat und dass Ben in der Sache mit drin steckt. Prinzipiell erzählt er ihnen sehr viel und zwar so viel, dass man schon wieder zweifeln sollte, ob der Captain die Wahrheit sagt. Da muss doch was faul sein. Meine Devise deshalb: "Don't trust the Captain".
"Nice to meet you, Kevin."
Nach dem Treffen mit Gault werden Sayid und Desmond von Ray zu ihrer neuen, komfortablen Kajüte geführt, in der sie sogar Haustiere halten dürfen und die mit einem riesengroßen Blutfleck dekoriert ist. Puh, auf diesem Schiff ist wirklich was nicht in Ordnung. Ray ruft Johnson her, der am anderen Ende des Ganges den Boden schrubbt und den Blutfleck wegwischen soll und – Überraschung! – es ist Michael!
Okay, es war nicht wirklich eine Überraschung. Eigentlich gar nicht. Es wäre sicherlich eine tolle Überraschung gewesen, wenn Harold Perrineaus Name nicht schon seit sieben Episoden in den Credits gestanden hätte. Schade. Wenn sich nun noch herausstellt, dass Michael Bens mysteriöser Mann auf der Kahana ist – und davon können wir wohl ausgehen –, dann ist es umso ärgerlicher, dass so eine gute Idee durch solch triviale Dinge wie die Credits vermiest wurde.
Dennoch sorgt Michaels Erscheinen natürlich für einen Haufen Fragen: Wie und vor allem warum ist er auf den Frachter gelangt? Hat er die Gewässer rund um die Insel vielleicht gar nie verlassen? Wenn er Bens Spitzel ist, wieso arbeitet er für ihn? Hat Walt damit zu tun? Wo ist Walt überhaupt?
Viele Fragen, kaum Antworten. Das ist "Lost", wie wir es kennen und lieben. Gleiches gilt für diese Episode, die eine gelungene Mischung aus emotionalen und spannenden Szenen bot und gleichzeitig mit der grandiosen Idee einer Flashback-Flashforward-Kombination auftrumpfte. Ich schwör's euch, Darlton, nächstes Mal werde ich nicht reinfallen.
Maria Gruber - myFanbase
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Informationen zur Episode
Englischer Titel: Ji YeonErstausstrahlung (US): 13.03.2008
Erstausstrahlung (DE): 23.02.2009
Regie: Stephen Semel
Drehbuch: Edward Kitsis & Adam Horowitz
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