Bewertung

Review: #5.12 Tot ist tot

Erkennt ihr das Muster? Es ist ganz einfach:

Ben-zentrische Folge = Bombenfolge.

Nach #3.20 Der Mann hinterm Vorhang und #4.09 Konturen der Zukunft bekommen wir mit #5.12 Tot ist tot endlich wieder eine Episode, die sich nur um Benjamin Linus dreht, und pflichtgemäß ein absolutes Highlight in der bisher eh schon großartigen fünften Staffel von "Lost" darstellt. Neben einigen wichtigen Erkenntnissen über Bens Leben tauchen wir auch tiefer ein in das Mysterium der Insel und stellen wieder einmal fest, dass der große Plan von Darlton ein perfekt durchdachtes, hochkomplexes Puzzle ist, das wir langsam, aber sicher zusammenfügen dürfen.

"One day, you'll be standing where I'm standing now. You'll be the one being banished, and then you'll finally realize that you cannot fight the inevitable. I'll be seeing you, boy."

Die Geschichte dieser Episode lässt sich ganz simpel in zwei große Erzählstränge aufteilen: Einmal haben wir die Gegenwart, in der Locke und Ben sich auf den Weg zum Tempel machen, und zum anderen haben wir die Flashbacks, die uns einige wichtige Momente aus dem Leben von Ben zeigen.

Das erste Flashback führt uns ins Jahr 1977 zurück und knüpft auf geniale Weise an die Geschehnisse aus #5.11 Zurück in die Zukunft an: Sawyer und Kate haben den schwerverletzten Ben den Hostiles übergeben und nach seiner mysteriösen Heilung im Tempel trifft er nun auf Charles Widmore, den damaligen Anführer der Hostiles. Viel interessanter als das Gespräch zwischen Charles und Ben ist eigentlich das zwischen Charles und Richard. Wir erfahren nämlich, dass Ben auf ausdrücklichen Wunsch von Jacob (!) gerettet wurde. Damit wird klar, dass Ben von Anfang an dazu prädestiniert war, der neue Anführer zu werden – ähnlich wie Locke von seiner Geburt an dazu bestimmt war, Ben abzulösen. Und der Mann im Hintergrund: Richard Alpert natürlich. Er ist es, der Ben rettet und er ist es, der Jacobs Willen durchsetzt, sodass nicht einmal Widmore etwas sagen kann. Gebt uns eine Richard-zentrische Episode, bitte!

Wir springen elf Jahre vorwärts, ins Jahr 1989: Der noch junge, unbeholfene Ben soll zusammen mit Ethan Danielle töten, doch als er das Baby sieht, verschont er Danielles Leben und nimmt stattdessen das Kind mit. Endlich erfahren wir, wie Ben dazu kam, Alex großzuziehen, und weiterhin bietet uns dieses Flashback auch die erste Auseinandersetzung zwischen dem jungen Ben und Häuptling Charles, den er nur wenige Jahre später stürzen würde. Damit wird meine Vermutung, die ich seit der vierten Staffel hegte, nun endlich bestätigt: Die Erzfeindschaft zwischen den Männern hat ihren Ursprung in der Entthronung Charles' durch Ben. Und Charles würde auch Jahre später nie aufhören, nach einem Weg zu suchen, um zur Insel zurückzukehren.

Wie Widmore es bereits vorhergesagt hatte, wird auch Ben von der Insel verbannt, doch er ist weitaus erfolgreicher darin, die Insel wieder zu finden. Das letzte Flashback zeigt uns schließlich, wieso Ben in #5.06 316 blutverschmiert in der Ajira-Maschine ankam: Er wollte Penny töten. Allein diese Tatsache genügt, um hier ein immenses Maß an Spannung zu erreichen, die darin gipfelt, dass Ben Desmond eiskalt umschießt und kurz davor ist, auch Penny zu killen. Doch dann taucht Klein-Charlie auf und Ben entscheidet sich um. Wie auch schon bei Alex und Danielle bringt er es nicht übers Herz, dem Kind die Mutter wegzunehmen, er, der niemals eine Mutter hatte und unwahrscheinlich darunter litt. Solche Momente sind es, die die Ambivalenz des Charakters Benjamin Linus ausmachen und dazu beitragen, dass die Faszination für diese Figur selbst nach mehreren Staffeln immer noch ungebrochen ist.

"Well, I just didn't have time to talk you back into hanging yourself."

Auch in der Gegenwart sorgt Ben für eine phänomenale Szene nach der anderen. Deutlicher denn je wird uns diesmal klargemacht, dass man Bens Wort eigentlich nie vertrauen kann und er die Leute stets zu seinen Gunsten gegeneinander auszuspielen weiß. Ben ist einfach ein unglaublicher Lügner und Michael Emerson ist einfach ein unglaublicher Schauspieler.

Wie immer bilden Ben und Locke ein ganz besonderes, hochinteressantes Gespann. Ben ist mit der unmöglichen Situation konfrontiert, dass sein Mordopfer plötzlich lebendig vor ihm sitzt, und weiß sich geschickt herauszureden: "It's one thing to believe it, John. It's another thing to see it", erklärt Ben und der Satz ist eine großartige Anspielung auf die Geschichte des ungläubigen Thomas, die er in #5.06 316 Jack erzählt hatte. Doch Locke will gar keine Rechtfertigung von Ben, er will eigentlich nur eine Entschuldigung. Es ist einfach unglaublich: Die Ruhe und das Selbstbewusstsein, die Locke seit seiner Wiederauferstehung ausstrahlt, sind fast schon unheimlich. Auch wenn Locke später gegenüber Sun meint, dass er sich nicht verändert hätte – das stimmt nicht. Locke hat sich von der tragischsten Figur der Serie zu demjenigen mit der tiefsten inneren Gelassenheit entwickelt. Und nun scheint er eine Verbindung zur Insel zu haben, die selbst die von Ben übersteigt.

Nachdem Ben ohne mit der Wimper zu zucken Caesar mit der Schrotflinte abknallt (Bamm! Was für ein Schocker!), fährt er mit Locke zur Hauptinsel und sie treffen auf Sun und Frank. Obwohl Ben einen genialen Spruch nach dem anderen vom Stapel lässt, merkt man ihm an, dass er angespannt ist: Er freut sich nicht auf das, was ihn erwartet. Locke erkennt schnell, dass Ben nicht etwa für seine unerlaubte Rückkehr zur Insel, sondern für Alex' Tod gerade stehen will. Überhaupt ist Locke zum allwissenden Superguru mutiert: Er weiß, was zu tun ist und er weiß, wohin sie gehen müssen. Dass Locke nun Ben überlegen ist, ist eine völlig neue, ungewohnte Situation – und daher umso reizvoller.

"So the fact that John Locke is walking around this Island... scares the living hell out of me."

Kommen wir also zum großen Höhepunkt der Episode: Lostzilla aka Smokey aka das Monster. Nicht nur sehen wir, wie Ben das Ding herbeirufen kann, wir sehen sogar, wo es wohnt (unspektakulärerweise in einem Sieb). Smokey scheint auf jeden Fall ein Faible für ägyptische Hieroglyphen zu haben, denn diese sind überall an den Wänden der unterirdischen Kammer aufgemalt. Sie geben viel Zündstoff für die Diskussion, dass die ägyptische Mythologie ein essentieller Bestandteil der "Lost"-Mythologie sein könnte – man erinnere sich nur an die vierzehige Statue, die Symbole auf dem Countdown-Timer der Luke, oder Pauls Ankh-Anhänger. Besonders interessant ist das Bild, das man über dem Lostzilla-Sieb sieht: Es zeigt Anubis, den ägyptischen Gott des Todes, und das Monster!

Doch wir sollten uns eigentlich noch viel mehr fragen, was Lostzilla denn eigentlich ist. Die Essenz der Insel? Eine Art Gottheit, die zu richten vermag? Ben jedenfalls hat einen Heidenrespekt vor Lostzilla, er hat Todesangst. Doch das Monster verschont ihn und nachdem es ihm zeigt, was er für Fehler begangen hat, manifestiert es sich in Form von Alex. Die Reunion von Vater und Tochter ist zu Beginn wunderschön, schlägt jedoch bald knallhart um: Alex/Smokey wirft Ben gegen die Wand und sagt ihm, dass er sich Locke unterwerfen soll, denn sonst würde sie/es ihn töten. Wow! Das bestätigt uns endgültig, dass Locke nun der neue Anführer ist und vielleicht noch viel mehr – eine Art Messias?

"What lies in the shadow of the statue?"

Man kann am Ende also gerechtfertigt resümieren, dass #5.12 Tot ist tot eine absolute Bombenfolge ist. Nach der vergangenen, etwas schwächeren Folge, schafft diese es, sämtliche Stärken der Serie in sich zu vereinen und präsentiert uns neue Erkenntnisse über den mit Abstand genialsten Charakter von "Lost", Benjamin Linus, der natürlich obligatorisch das letzte Wort hat:

"It let me live."

Gott sei Dank.

Maria Gruber - myFanbase

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