Bewertung

Review: #3.20 Adieu Walt

Der Tod ist ein in Sitcoms nicht einfach umzusetzendes Thema – vor allem wenn es sich bei dem Verstorbenen um eine von den Charakteren wie Zuschauern gleichermaßen liebgewonnene Figur handelt. Auf der einen Seite läuft man Gefahr, durch zu viele Gags unglaubwürdig oder gar respektlos zu wirken, auf der anderen droht der Humor völlig auf der Strecke zu bleiben, wenn man dieses Risiko nicht einzugehen bereit ist. #3.20 The Last Walt findet glücklicherweise nicht nur genau die richtige Balance zwischen rührender Sentimentalität und cleverer Situationskomik, sondern bleibt dabei auch noch durchgängig derart nah am wahren Leben, dass einem der Abschied vom so wunderbar mürrischen Mr. Kleezak leichter fällt als erwartet.

"Our child just got some terrible news and had absolutely no reaction."

Phil und Claire hingegen fällt es alles andere als leicht, Luke vom Ableben seines Freundes zu erzählen. Damit sorgen sie bereits im Teaser für die ersten Lacher, die jedoch trotz der Ernsthaftigkeit der Situation nicht deplatziert wirken, sondern erfreulicherweise unheimlich natürlich rüberkommen. Denn weder Phils herrlicher "break it to him slowly"-Ansatz noch Claires Jokerface erweckt den Anschein, lediglich zur Auflockerung der Lage da zu sein. Vielmehr verdeutlichen diese Reaktionen implizit, was für unterschiedliche Menschen die beiden sind: So versucht Phil, dessen Lebensziel im Grunde darin besteht, seine Familie glücklich zu machen, instinktiv eine Möglichkeit zu finden, wie er den Schmerz seines Sohn dämpfen könnte, wohingegen Kontrollfreak Claire durch Walts Tod plötzlich ein derart ungewohntes Gefühl von Machtlosigkeit überkommt, dass sie in ihrer Ohnmacht nicht einmal mehr ihre Gesichtsmuskeln unter Kontrolle hat. Dass Luke selbst die traurige Nachricht letztendlich deutlich gefasster aufnimmt als erwartet, vermag auf den ersten Blick nicht nur seine Mutter zu irritieren, wenn man bedenkt, wie heftig er doch noch in #2.18 Boys' Night reagiert hatte, als ihm der Umgang mit Walt verboten wurde – und das wohlgemerkt, obwohl er den alten Mann damals bloß flüchtig kannte. Andererseits hat Phil sicher Recht, wenn er meint: "Death is a profound thing to deal with at any age, we all manage it differently." Außerdem scheint sich Luke der Möglichkeit, dass sein Freund bald sterben könnte, durchaus bewusst gewesen zu sein. Mehr noch, hatte er mit Walt offensichtlich auch schon über das Thema gesprochen. Daher ist es also keinesfalls abwegig, dass Luke nach dem Eintreten seines Todes nicht das Gespräch mit seinen Eltern sucht. Gleichzeitig ist aber auch Claires Besorgnis mehr als nachvollziehbar, weshalb es umso bemerkenswerter ist, dass man hier im Endeffekt wirklich auf eine erzwungene Tröst-/Trauer-Szene verzichtet und es stattdessen einfach dabei belässt, dass Luke es vermissen wird, nachts Licht in Mr. Kleezaks Fenster zu sehen. So bleibt diese Storyline nämlich erfrischend schlicht, unsentimental und realistisch.

"You know what I'll never forget? The time my dad spent an entire day trying to create a special memory for me."

Als deutlich gefühlsduseliger, aber natürlich auf äußerst charmante und liebenswerte Art, erweist sich die Geschichte um Phil, der Walts Tod als Anlass sieht, mit Alex mehr Zeit zu verbringen, weil er die denkwürdigsten Momente in seinem Leben als Vater stets mit Luke oder Haley erlebt hat. Dass ihr gemeinsamer Roadtrip letztlich nicht so verläuft wie geplant, weil in einer herrlich trockenen Szene eine Seemöwe dazwischenfunkt, sollte niemanden verwundern; die unwahrscheinlich starke Chemie zwischen Ty Burrell und Ariel Winter schon eher. Das eigentlich Beeindruckende an diesem Handlungsstrang ist aber vielmehr die Tatsache, dass hier zwar Schlag auf Schlag urkomische Momente aufeinanderfolgen, diese jedoch niemals konstruiert, sondern stets unheimlich authentisch wirken, weil sie tief in den Charakteren verwurzelt sind und die Ernsthaftigkeit der Ausgangslage zudem auch keine Minute aus den Augen verloren wird. So kratzt Phils Übereifrigkeit, mit seiner Tochter eine denkwürdige Erinnerung zu kreieren, zwar schon ein wenig an der Fremdscham-Grenze, als er völlig besessen versucht, bei ihrer hochschwangeren Kellnerin die Wehen auszulösen, ist aber andererseits einfach so typisch Phil und solch liebenswert naiven Absichten geschuldet, dass man trotzdem einfach nicht anders kann, als sich köstlich darüber zu amüsieren. Die Szene, in der er Alex erklärt, weshalb alle Väter auf der Welt den letzten Mann auf dem Mond so hassen, hätte wiederum mit keinem seiner anderen Kinder funktioniert, weil natürlich nur die clevere Alex sofort versteht, was es eigentlich bedeutet, auf dem Mond etwas in den Sand zu schreiben. So wird hier wirklich ein ganz herzerweichender Moment zwischen den beiden geschaffen, der natürlich prompt durch einen Brechanfall durchbrochen wird, der wohl bei so manch einem Zuschauer für hysterisches Gelächter sorgt. Denn es ist einfach wahnsinnig witzig zu beobachten, wie Phil seiner Tochter so liebevoll Servietten zuwirft, während er sich selbst verzweifelt zurückzuhalten versucht, es ihr gleichzutun und gleichzeitig auch noch einen Spruch loslässt, der ohne Frage in die Annalen der besten Dunphy-isms eingehen wird: "I already yawned a little in my mouth." Als sich diese Dynamik (rührender Moment, gefolgt von großartigem Humor) wenig später im Auto sogar noch einmal wiederholt, setzt sich das fette Grinsen im Gesicht nicht nur bei Phil und Alex so sehr fest, das es noch lange nachwirkt.

"He treats my son like the wife in the relationship."

Zu den geschickt gehandhabten Storylines der Dunphys gesellt sich zudem noch der vielleicht beste "Modern Family"-Handlungsstrang um Cameron und Mitchell seit #3.07 Treehouse. Dies hat jedoch weniger mit den beiden per se zu tun, auch wenn es eine sehr willkommene Abwechslung ist, die beiden den Großteil der Folge über so liebevoll und harmonisch miteinander umgehen zu sehen, als vielmehr mit der äußerst gelungenen Art und Weise, wie ihre beiden Vater hier porträtiert werden. Denn mit Merle und Jay treffen zwei stolze, taffe Familienväter aufeinander, die sich beide nicht leiden können, obwohl (bzw. gerade weil) sie so viel gemeinsam haben. Dabei wird die so präsente Frage nach der Frau in der Beziehung von Cameron und Mitchell hier glücklicherweise mit deutlich mehr Fingerspitzengefühl thematisiert als noch in #2.21 Mother's Day. Am Ende geht es nämlich gar nicht darum, wer von den beiden schriller lacht (im Übrigen eine von Barry Corbin und Ed O'Neill umwerfend gespielte Szene), besser kocht oder das schmalere Handgelenk hat, sondern vielmehr um das einfach nicht abzuschüttelnde Gefühl des Unwohlseins ihrer Väter, zweier Männer aus einer sehr konservativen Generation, die selbst nach so vielen Jahren immer noch nicht genau wissen, wie sie mit der Homosexualität ihrer Söhne umgehen sollen. Es ist eine wirklich wundervolle und sehr realistische, wenn auch im Kern irgendwie traurige kleine Szene, in der Merle und Jay sich nach einem Abend voller unterschwelliger Konflikte schließlich aussprechen. Und sie sagt auf so wunderbar subtile Weise so viel mehr über die Beziehung von Jay zu Mitchell aus als viele der Vater-Sohn-Storylines der vergangenen Episoden zusammengenommen. Toll.

"Two birds with one bullet."

Nicht ganz so gelungen ist leider die Geschichte um Haleys Party und Anstandswauwau "Onkel" Manny, was angesichts der Tatsache, wie sehr sie in den Hintergrund der Folge gedrängt wird, nicht wirklich verwunderlich ist. Denn wenn die große Schlusspointe einer ohnehin schon recht mageren, da eben viel zu marginalen Storyline erst dann erfolgt, als bereits der Abspann läuft, kann nicht einmal die famose Gloria wirklich retten, was bei der zeitlichen Aufteilung der einzelnen Handlungsstränge ganz eindeutig schief gelaufen ist. So wird eine prinzipiell vielversprechende Grundidee für eine Folge verpulvert, die diese eigentlich schlicht nicht gebraucht hätte.

Abgesehen von dieser unnötigen kleinen Enttäuschung am Rande spart #3.20 The Last Walt jedoch weder am Humor, noch an den Emotionen und ist noch dazu unheimlich wirklichkeits- und charaktergetreu. Man kann also nur hoffen, dass die insgesamt recht unausgeglichene dritte Staffel auf der Zielgeraden an dieser Qualität festhalten kann.

Paulina Banaszek - myFanbase

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