Bewertung

Review: #6.11 Casablanca in Tree Hill

Dass die Schauspieler einer Serie sich gern einmal bei einer Folge als Regisseur versuchen, ist mittlerweile fast schon selbstverständlich geworden. Auch bei "One Tree Hill" haben Moira Kelly und vor allem Paul Johansson ihr Talent hinter der Kamera eindrucksvoll bewiesen und auch Bethany Joy Galeotti wird sich demnächst daran versuchen. Um einiges ungewöhnlicher ist da doch der Weg, den Chad Michael Murray eingeschlagen hat, indem er das Drehbuch für eine komplette Folge geschrieben und dafür die Handlung in das Tree Hill der 1940er-Jahre verlegt hat.

Sam, remember 1941 in Casablanca...

Um diesen besonderen Mix einigermaßen in die Serie einzubinden, bekommt die Folge eine Rahmenhandlung: Lucas sitzt spätabends noch immer an seinem Drehbuch und erzählt Peyton am Telefon, wie sehr er sich dadurch an die alten Zeiten erinnert, an die Anfänge der Beziehung von Nathan und Haley, an seine Mutter und das Café, an Keith und seine Zeit mit Brooke. Nebenbei läuft im Fernsehen der Film "Casablanca" und als Lucas erschöpft auf seinem Bett eine kurze Pause machen will, schläft er ein und in seinem Traum vermischen sich Film und Vergangenheit zu einem ganz besonderen Film Noir.

Die Charaktere haben die gleichen Eigenschaften wie in der Realität, aber müssen sich natürlich in das Film-Setting einfügen. So wird Lucas zum Inhaber des Clubs "Karen’s Café", Nathan wird sein Barkeeper und Skills der Klavierspieler. Haley ist der Star auf der Bühne des Clubs und Brooke die charmante, aber erfolglose Modedesignerin, die aufgrund ihrer Geldprobleme in Schwierigkeiten ist. Die Paraderolle bekommt Dan als fieser Mafiaboss, dessen Schützling Peyton ist. Auch wenn ein bisschen mehr Varianz in der Darstellung der Charaktere spannend gewesen wäre, wenn es schon eine Folge gibt, die aus der Seriennormalität ausbricht (warum nicht mal Peyton oder Haley als Fiesling und Dan als liebevoller Familienvater), muss es doch zwangsläufig was die Charaktereigenschaften und Beziehungen angeht ein Abbild der Realität sein, weil sich alles in Lucas’ Traum abspielt.

Doch dieser kleine Wermutstropfen wird durch die tolle 40er Jahre-Atmosphäre ausgemerzt, die durch die wunderschönen Kostüme, Kulissen und einen großartigen Soundtrack, insbesondere den atemberaubenden Auftritt von Haley, entsteht. Außerdem hat es mir gut gefallen, dass es ähnlich wie in #2.20 Was wäre wenn eine ganze Reihe von Anspielungen an die Anfänge der Serie gibt, die sich besonders in der Story um Nathan und Haley finden.

I'll wait for you, always and forever!

Die beiden hatten meiner Meinung nach die schönste Geschichte, die sich ohne Weiteres sofort als Film umsetzen lassen würde: der einfache Barkeeper und die schöne Sängerin, die einen wundervollen Tag miteinander verbringen, bevor er seinem Einberufungsbefehl folgen und in den Krieg ziehen muss. Vom Plot her bietet dieser Handlungsstrang am meisten, sodass ich mir zeitweise fast gewünscht habe, die Folge hätte sich nur auf die beiden konzentriert. Doch auch so gab es viel Positives, wie die angesprochenen Anspielungen: sowohl die überstürzte Hochzeit als auch die Zukunft mit einem Sohn namens Jamie wurde sehr schön untergebracht und ein absolutes Muss war natürlich die Einbindung des Catch-Phrase schlechthin – always and forever! Dass hier Haley diejenige ist, die ihn sagen darf, war eine sowohl süße, als auch dramatische Abwandlung bei Nathans Abschied und hat mir sehr gut gefallen. Auch die anderen Szenen der beiden wie der Tanz in "Karen’s Café" oder die Unterhaltung im Park waren wunderschön und eine liebevolle Erinnerung an die Romantik der Beziehung, die nach sechs Jahren Ehe zwar noch vorhanden ist, aber in der laufenden Handlung nur noch in kleinen Highlights und nicht in dieser Wucht vorkommt.

Earlier you asked me if you're pretty. You are, but it's your heart that makes you more than that. It makes you beautiful.

Dagegen war die Story von Lucas und Peyton doch um einiges schwächer, vor allem deshalb, weil Peytons Charakter zu komplex angelegt war, um in der kurzen Zeit ausführlich dargestellt zu werden. Der Anfang hat mir gut gefallen, eine klassische Anziehung auf den ersten Blick, die Peyton nicht ruhen lässt, bis sie mit Lucas noch einmal gesprochen hat. Auch der Spaziergang über die Brücke war toll inszeniert, doch in dieser Szene wurden auch die diversen Schwächen dieser Story deutlich, die wie schon gesagt vor allem in Peytons zu undeutlich gezeichnetem Charakter, aber auch in den sehr pathetischen Dialogen lagen. Auch die Liebesgeschichte blieb für mich zu oberflächlich, vor allem im Gegensatz zu Nathan und Haley, was aber vermutlich auch daran liegt, dass Lucas und Peyton auch noch in die dritte Geschichte mit eingebunden waren.

Well, well, Miss Brooke Davis. Do you have the money you borrowed from me?

Diese Geschichte hatte auch wieder das Potential zum Kinofilm, allerdings nicht als Zweiter-Weltkrieg-Drama, sondern als Mafiathriller, und im Mittelpunkt steht – wie könnte es anders sein – Dan! Allein um Paul Johannson mal wieder als Fiesling zu sehen hat sich diese Story gelohnt, aber dazu hat er in Sophia Bush auch noch eine kongeniale Gegenspielerin, die ihm an Präsenz in nichts nachsteht und der Folge als Femme fatale das typische Film Noir-Flair verschafft. Beide Charaktere behalten die Komplexität, die sie auch in der Realität haben: Dan bekommt erst zum Schluss beim Tod von Peyton ähnlich wie durch Keiths Tod eine mitleiderregende Seite, während Brooke kurz zuvor demonstriert, dass sie nie ihr eigenes Glück über das anderer stellen würde, indem sie sich weigert Lucas oder Peyton zu töten.

Peyton, don't ever leave me, okay?

Das Finale des Traums nimmt in seiner dramatischen Zuspitzung das Finale der Folge vorweg, was mir sehr gut gefallen hat. Die Tragik der Traumszenen, sowohl Haleys Abschied von Nathan, als auch Peytons Tod waren eindrucksvoll inszeniert und gefilmt, sodass bei mir das Kinogefühl, das die ganze Folge schon ausgelöst hatte, noch verstärkt wurde. Die Intensität dieser Szenen wurde durch das Klingeln von Lucas Handy rüde unterbrochen, allerdings nur um den Zuschauer trügerisch in Sicherheit zu wiegen, dass diese Szenen nicht real sind, bevor in der letzten Sekunde Peyton als Parallele zu Lucas’ Traum mit schmerzverzerrtem Gesicht zu Boden sinkt und damit einen netten Cliffhanger zur nächsten Folge bildet.

Fazit

Eine großartige Idee, deren Umsetzung vor allem aufgrund der kurzen Zeit nicht ganz perfekt gelingt. Dialogtechnisch eher schwächer überzeugt die Folge durch die liebevolle Ausstattung des 40er Jahre-Settings und die schönen Anspielungen auf frühere Folgen – insgesamt eine gelungene Hommage an den Film Noir und an die Anfänge von "One Tree Hill", die eine nette Abwechslung zum Serienalltag war.

Lena Stadelmann - myFanbase

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