Bewertung

Review: #1.07 Die Hochzeit

So schnell kann es also gehen, und nachdem der Gedanke an eine Hochzeit zwischen Jamie und Claire gerade einmal in den letzten Minuten der vergangenen Folge geäußert wurde, sind sie nun verheiratet und der Verlauf der Hochzeitsnacht macht klar, dass dies wahrlich mehr als eine arrangierte Ehe ist. Genau diese Hochzeitsnacht und die Folge, die sich dieser nahezu komplett widmet, ermöglicht es mir, über ein paar grundsätzliche Dinge zu sprechen, die "Outlander" als Serie begleiten. Besonders wenn man den Stoff als TV-Zuschauerin kennengelernt hat und die Vorlage nicht kennt.

"Outlander" ist eine Romanze bzw. eine Schmonzette

Es ist putzig, wie Liebesgeschichten - seien sie noch so klischeehaft und noch so sehr nach einem altbekannten Muster aufgebaut -, die aus der Männerperspektive erzählt werden und vor allem die von einem Mann verfasst werden, gerne als universell und tiefschürfend gelten. Wie oft habe ich mich schon in einem sogenannten Klassiker der Weltliteratur in der Gedankenwelt eines alternden Mannes wiedergefunden, der sich in eine junge Schönheit verliebt und im Zuge dessen sein Leben überdenkt, seine Männlichkeit hinterfragt und aufgrund seiner Gefühle all seine Entscheidungen in einem neuen Licht sieht. Diese Romane werden nie als Romanzen oder Liebesgeschichten bezeichnet, sie beinhalten nur die Liebe als einen wichtigen Bestandteil. Von daher war ich schon ein wenig überrascht, wie wenig die Liebe in Claires Geschichte bisher eine Rolle gespielt hat. Natürlich war die Chemie und damit auch die unweigerliche Richtung der Beziehung zwischen Claire und Jamie spürbar, aber bis zu diesem Moment wurde dies doch sehr im Hintergrund gehalten. Nun ist sie aber ins Scheinwerferlicht geworfen wurden, und es gelingt "Outlander" wunderbar, es nachvollziehbar zu gestalten, wie sich Claire spätestens hier in Jamie verliebt. Dass Jamie hoffnungslos in Claire verliebt ist, sollte eigentlich für jeden klar sein.

Aber Claires Gefühle sind kompliziert (Stichwort: Frank), und die Frage, wie sie mit diesen umgeht, ist nicht weniger universell, als die all der Männer der Literatur- und TV-Geschichte, die sich ihrer eigenen Emotionen klar werden mussten. Wenn es einen Vorwurf gibt, den man "Outlander" bis dato machen kann, dann ist es der, dass Jamie schon fast zu perfekt erscheint. Er ist attraktiv, wortgewandt, bedacht, voller Mitgefühl und dazu ist er noch genau die richtige Mischung aus schüchtern und unerfahren, die es Claire ermöglicht, die Oberhand in ihrer Beziehung zu erhalten. Um es kurz zu sagen, er ist der Traum von einem Mann, aber mal abgesehen davon, dass ich absolut kein Problem darin sehe, endlich einmal einen Mann zum Anschmachten in meiner Popkultur zu haben, der nicht gleichzeitig ein absolutes Arschloch ist, muss man sich auch klar machen, dass er damit eben genau so viel spezifische Charaktereigenschaften besitzt, wie die meisten Traumfrauen der Literatur-/Film- und Seriengeschichte. Auf Dauer wird dies natürlich nicht ausreichen, aber ich bin mir sicher, je mehr Claire ihren Ehemann kennenlernen wird, umso mehr werden auch wir Zuschauerinnen von ihm erfahren.

"Outlander" ist (Soft)-Porno für Frauen

Kommen wir aber nun zu dem Thema, was mich in Bezug auf die Vorurteile, zumindest in Serienkreisen zu "Outlander" am meisten auf die Palme bringt. Und das ist, dass man die Serie ja nicht ernst nehmen könne, weil sie eben nicht mehr als ein Porno für Frauen sei. Ganz ehrlich, am liebsten würde ich diesen Menschen ein schlichtes WTF?!? entgegenschleudern, aber ich kann natürlich auch den mir hier zur Verfügung stehenden Platz nutzen, um dem ein wenig mehr Subtanz hinzuzufügen. Zum einen dürfte jede Frau, die hier einen Porno erwartet, mächtig enttäuscht sein (mal ganz abgesehen von den offensichtlich fehlenden Genitalien - wenn ich schon einen Porno schaue, dann möchte ich da doch wenigstens auch etwas zu sehen bekommen), denn die letzte Sex-Szene vor den hier gezeigten gab es im Piloten. Zwar spielt Sex in dieser Episode eine entscheidende Rolle, aber in den Episoden davor fehlte er doch komplett.

Wenn ich da an all die Vertreter der hochqualitativen Serien aus dem Hause HBO denke, die ich ebenfalls verehre, die sich aber keine Möglichkeit entgehen lassen, im Hintergrund ein paar Brüste zur Schau zu stellen (besonders gern gesehen an wahllos vorbeispazierenden Stripperinnen und/oder Prostituierten), ist das doch ein ganz anderes Kaliber. "Game of Thrones" hat es sogar geschafft einen eigenen Fachbegriff für Serienfans, den der Sexposition, zu etablieren. Denn warum einfache Fakten in einen Monolog einbauen, wenn man dazu im Hintergrund zwei Frauen beim Geschlechtsverkehr zeigen kann?

Aber genau diese wahllos und dadurch auch lieblos eingestreute Nacktheit, die wenig mit wirklicher Sexualität und viel mehr mit der Erniedrigung von Frauen zu tun hat, fehlt in "Outlander" komplett. Kann es sein, dass die Tatsache, dass der Sex in "Outlander" sich komplett auf Claires Blickwinkel bezieht, etwas mit dem biederen Vorurteil zu tun haben? Denn was die meisten Serien nicht schaffen, wohl weil sie es gar nicht anstreben, ist der eigentliche Fokus der Sexszenen hier. Es geht um die Intimität zwischen zwei Menschen, um die außergewöhnlichen Gefühle, die ausgelöst werden, vom Reiz der ersten Berührungen, vom Kennenlernen zweier Menschen durch Gespräche und körperlicher Nähe und wie viel dieses Prozesses eben genau über die Sexualität verläuft. Eigentlich dürfte es nicht derart bahnbrechend sein, was "Outlander" uns hier mit dieser Episode präsentiert, denn für viele Menschen ist es nun nicht alltäglich, aber doch ein sehr bekanntes Gefühl, sich so wie Claire und Jamie ineinander zu verlieren. Da man den Sex der beiden aber nicht skandalisiert, ihn nicht ins Lächerliche zieht und es zudem vermeidet, ihn in das übliche Schema Nacktheit wie sie Hollywood vorsieht zu pressen, schafft man damit Momente, die wahnsinnig intensiv sind, weil sie eben viel näher am wahren Empfinden der Menschen liegen. Ich habe noch nie verstanden, warum einerseits um Sex in Film und TV so viel Aufhebens gemacht wird, der gezeigte Sex dann aber doch so wenig mit der Realität zu tun hat. Ist es die Angst vor der Macht wahrer Intimität?

Der Sex zwischen Claire und Jamie während ihrer Hochzeitsnacht vermittelt auf bestem Wege, wie sehr sich ihre Beziehung allein in dieser Nacht verändert hat. Und es sind die Kleinigkeiten, die diese Momente so real machen, die Tatsache, dass der erste Sex schnell und seltsam abläuft, der ausdauernde Blick auf Jamies Gesicht während Claire ihn weiter verführt und Claires Vertrautheit am Ende des Abends, als sie sich in Jamies Familienkilt hüllt.

Die Hochzeit

Wie man meinen Worten unschwer entnehmen kann, bin ich vollauf begeistert von dieser Episode. Sie stellt den eindeutigen Höhepunkt dieser ersten Phase der Serie dar und neben der wunderbaren Intimität der Hochzeitsnacht gelingt es ihr auch durch ihre clevere Struktur der Rückblicke, die eigentliche Hochzeit so zu erzählen, dass sie denkwürdig ist, aber doch gegenüber der folgenden Nacht in den Hintergrund rückt. Eine rundum tolle Episode, dank der ich nun endgültig zur "Outlander"-Verehrerin geworden bin.

Cindy Scholz - myFanbase

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