Review: #5.14 Ist das Leben nicht Shawn?
Dass mir der deutsche Titel einer Episode besser gefällt als der Originaltitel, kommt annähernd so selten vor wie weiße Weihnachten in Kalifornien. Diese "Psych"-Weihnachtsfolge gehört zu diesen Ausnahmen. Während der Originaltitel The Polarizing Express auf den Film "Der Polarexpress" anspielt, verweist der deutsche Titel Ist das Leben nicht Shawn? sehr gelungen auf den Weihnachtsklassiker "Ist das Leben nicht schön?", auf dem die Episodenhandlung basiert. Der Film "Ist das Leben nicht schön?" aus dem Jahr 1946 wird fast so häufig für weihnachtliche Serienfolgen, Filme und andere Medien adaptiert wie die Weihnachtsgeschichte von Charles Dickens. Das Werk des guten Mr. Dickens hat aber auch einen Vorsprung von fast 103 Jahren.
In "Ist das Leben nicht schön?" erhält der Wohltäter George Bailey, gespielt von James Stewart, zu Weihnachten Besuch von dem Engel Clarence, der ihm zeigt, wie das Leben seiner Mitmenschen verlaufen wäre, hätte George nie existiert. In dieser Episode träumt Shawn, dass ihm der Schauspieler Tony Cox, unter anderem bekannt aus "Bad Santa", erscheint und ihm vorführt, wie es Henry, Gus und Co. heute gehen würde, wäre Shawn nicht vor einigen Jahren nach Santa Barbara zurückgekehrt und zum Helleseher-Detektiv geworden. Anders als bei James Stewarts Charakter George Bailey sind Shawns Bilder von einem Leben ohne ihn eindeutig seiner Fantasy entsprungen, so dass sie sich als kurioser Mix aus Film - und Serienmotiven, Wunschvorstellungen und Übertreibungen erweisen. Dennoch enthalten sie alle einen Kern Wahrheit und offenbaren, was Shawn tief in seinem Inneren wirklich über seine engsten Vertrauten denkt.
White Trash Henry
In Shawns Vorstellung geht es Henry besonders schlecht. Wäre Shawn nicht nach Santa Barbara zurückgekehrt, würde Henry heute ein Lotterleben führen und als übergewichtige, ungepflegte und weinerliche Couchkartoffel ein erbärmliches Dasein führen. Dieses Szenario ist völlig überzogen, aber nicht gänzlich falsch, wie man am Ende der Episode sieht, als Henry alleine vor dem Fernseher schläft und Shawn sich zu ihm setzt. Henry würde ohne Shawn nicht völlig verwahrlosen, hätte jedoch ein einsameres, ereignisärmeres Leben. Nur Shawns Tätigkeit als Hellseher-Detektiv verdankt Henry es, dass er aus dem Ruhestand zurückgeholt wurde und wieder für die Polizei als Koordinator arbeiten darf. Trotz aller Meinungsverschiedenheiten verbringt Henry gerne Zeit mit seinem Sohn, was Shawn tief in seinem Inneren weiß.
The Burton Guster Show
Gus' Leben ohne seinen besten Freund läuft in Shawns Fantasie als Sitcom im Stil der 1990er Jahre ab. Darin ist Gus ein glückloser Familienvater, der von seiner Frau völlig ausgenutzt wird und von seinem Sohn, der gar nicht sein leibliches Kind ist, immer nur den selben fiesen Spruch zu hören bekommt. Gus' Frau Stranjay wird gespielt von Keshia Knight Pulliam, die Fernsehnostalgikern als die kleine Rudy aus der "Bill Cosby Show" bekannt sein dürfte. Dieser Gastauftritt ist in mehrfacher Hinsicht ein Insidergag. Zum einen wurde Gus in einer früheren Folgen schon einmal für den Schauspieler gehalten, der in der "Bill Cosby Show" Rudys besten Freund Kenny verkörpert hat, zum anderen wird Gus' Mutter Winnie Guster, die in der letzten "Psych"-Weihnachtsfolge zu sehen war, von Phylicia Rashad gespielt, die wiederum in der "Bill Cosby Show" die Familienmutter Claire Huxtable mimte.
Diese Sitcom-Traumsequenz zeigt, dass Shawn durchaus bewusst ist, dass Gus nicht die gleiche Aufmerksamkeit oder Anerkennung bekommt wie Shawn und trotzdem immer für seinen besten Freund da ist.
Miami Juliet
Hätte Shawn damals nicht Lassiters Affäre mit einer Kollegin auffliegen lassen und deren Versetzung provoziert, wäre Juliet nicht als Nachfolgerin in Santa Barbara gelandet und würde noch immer Streife in Miami fahren. Dieser Teil von Shawns Traum enthält Kameraeinstellungen im Stil der Polizei-Doku "COPS" und Zutaten von 80er-Jahre-Krimiserien a lá "Miami Vice" und "T.J. Hooker". Da im Krimigenre schon immer gegensätzliche Polizei-Duos sehr populär waren, hat die toughe und engagierte Juliet hier einen totalen Hasenfuß als Partner, der wahrscheinlich schon mit dem Kauf von Donuts überfordert wäre.
Aus diesem Juliet-Kapitel lässt sich trotz aller Übertreibungen die Erkenntnis ziehen, dass Juliets Leben durch Shawn besser geworden ist. Sie verdankt es ihm, dass sie eine Stelle ergattern konnte, die sicherer und interessanter ist als ihre Arbeit in Miami. Als Shawn damals Lassiters Affäre enthüllt hat, war es nicht seine Absicht, irgendwelche Versetzungen in die Wege zu leiten, aber es ist so gekommen und hat sowohl sein eigenes Leben als auch das von Juliet sehr bereichert.
General Lassiter
Die einzige Person aus Shawns näherem Umfeld, die davon profitieren würde, wenn Shawn nicht nach Santa Barbara zurückgekehrt wäre, ist Lassiter. Dessen Einfluss bei der Polizei wäre größer, wenn er keinen Hellseher-Detektiv vor der Nase hätte, der ihm ständig auf selbiger herumtanzt.
Lassiter ist in Shawns Fantasievorstellung der Alleinherrscher im Santa Barbara Police Department und kleidet sich wie ein Bürgerkriegs-General. Unter seinem Kommando gehört das Erschießen von Verdächtigen zum Pflichtprogramm. Shawn ist also sehr wohl klar, dass Lassiter ohne ihn zwar erfolgreicher wäre, aber zu einem hohen Preis. Nicht dass wirklich ständig Verdächtige dran glauben müssten, aber viele Fälle wären gar nicht oder falsch aufgeklärt worden. Unschuldige säßen im Gefängnis. Lassiters Stärken liegen nicht unbedingt im Entschlüsseln von Beweisen. Er denkt selten um die Ecke, sondern ist schnell von der einfachsten Lösung überzeugt.
Chief Karen Vick tritt in Shawns Traum wie der Charakter Frau Farbissina aus den "Austin Powers"-Filmen auf. Für gewöhnlich hat Chief Vick überhaupt nichts mit den witzigen Szenen dieser Serie zu tun, da sie die meiste Zeit hinter ihrem Schreibtisch verbringt, oder seltsamerweise abwesend ist, von daher finde ich es ganz nett, sie mal so zu sehen und von ihr zum Schmunzeln gebracht zu werden.
Mini Shawn
Shawn begegnet im Traum auch seinem jüngeren Ich, wobei darüber gescherzt wird, dass sich das Aussehen des jungen Shawn manchmal von einer Woche auf die andere ändert. Dies ist ein kleiner Seitenhieb darauf, dass der Darsteller des jungen Shawn 2010 gewechselt hat.
Fazit
Insidergags, verschiedenen Stilmittel und gut verpackten Wahrheiten machen diese Weihnachtsfolge zu einem sehr unterhaltsamen und zugleich interessanten Trip, egal ob man sie im Dezember sieht oder im Juni.
Maret Hosemann - myFanbase
Die Serie "Psych" ansehen:
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Informationen zur Episode
Englischer Titel: The Polarizing ExpressErstausstrahlung (US): 15.12.2010
Erstausstrahlung (DE): 27.06.2013
Regie: James Roday
Drehbuch: Saladin K. Patterson & James Roday
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