Review Staffel 9 - Coda
Es war eine ungünstige Situation für diese 9. Staffel von "Scrubs – Die Anfänger". Die Serie ist mit einem traumhaften Finale der Staffel 8 eigentlich zu einem guten Zeitpunkt in den Ruhestand gegangen, doch aus Mangel an Alternativen hat ABC noch eine Verlängerung erwirkt. Da bereits einige Darsteller ihr Ausscheiden erklärt hatten, musste natürlich ein Schnitt her, der aber im Namen aus unverständlichen Marketingstrategien nicht zu sehen war. Die große Fanskepsis im Vorfeld war ein weiteres Problem, dem man dann doch begegnen wollte, indem zum Beispiel Zach Braff doch stärker als geplant involviert wurde. Aber dadurch wurde es erst recht nichts Halbes und nichts Ganzes.
Den richtigen Schnitt verpasst
Das Sacred Heart wurde abgerissen und auf einem Universitätsgelände neu gegründet. Fortan war es noch mehr Lehrkrankenhaus als je zuvor, denn es beherbergte nicht mehr die Anfänger mit ihrem Studienabschluss sondern schon diejenigen Kandidaten, die noch an der Uni sind. Dadurch hatte man durchaus ein gewisses Potenzial, um neue Geschichten zu erzählen, weil es für die Studenten doch ein neuer Lebensabschnitt ist, als es für J.D., Turk und Elliot damals in Staffel 1 war. So ganz anders sind die Probleme aber letztlich doch nicht, denn Lernen, erste Erfahrungen mit Patienten und schwierige Entscheidungen betreffs der Zukunft sowie Beziehungschaos gibt es hier wie dort. Das ist eben so und durch die neuen Charaktere war das jetzt auch kein unbedingtes Problem. Turk und J.D. waren als Lehrer in neuen Situationen und Cox hat mit Drew einen neuen Liebling gefunden, der bei J.D. einige berechtigte Eifersucht hervorgerufen hat. Es war also durchaus alles da, was man benötigte, doch irgendwie hat man es zunächst verpasst, das richtig zu nutzen. Aus den drei Episoden, die J.D. dabei sein sollte, wurden sechs, in denen er stark im Mittelpunkt stand. Auch andere Charaktere besonders Todd und Kelso waren Dauergäste in der neunten Staffel, was es den Neuen schwer machte, sich in die Herzen der Fans zu spielen. Sie spielten eine zu geringe Rolle in den ersten Episoden. Man kann im Nachhinein nicht sagen, ob es als echte Spin-Off-Serie besser funktioniert hätte, weil es da auch genügend Reinfälle in der Geschichte gibt, aber gerade die erste Hälfte der Staffel war zu inkonsequent, um eine richtige Linie zu offenbaren und die sowieso kritischen Fans zu überzeugen. Insofern war das der Anfang vom Ende, das dann nicht mehr abzuwenden war. Leider, denn als viele Fans enttäuscht abgesprungen sind und die Übergangsphase vorbei war, kam doch noch mal Fahrt auf. Die Neulinge bekamen endlich Raum zur Entfaltung und wussten diesen zu nutzen. Besonders Cole und Drew wussten zu überzeugen, letzterer vor allem, weil er Denise an seiner Seite hatte. Für mich war es letztlich also zu viel J.D., der für mich einen genialen Abschied hatte, der irgendwie kaputt gemacht wurde, weil man ohne ihn nicht wirklich weiter machen wollte. Schade.
Trotzdem gut
Es gab also einige Dinge, mit denen man unzufrieden sein konnte, weil man über acht Jahre eine Sympathie für die Serie aufgebaut hat und entsprechend viel über die Serie nachdenkt, sich eigene Vorstellungen über die überraschende Verlängerung gemacht hat und dann sehr kritisch eingestellt wurde. Wenn man aber versucht, einen etwas neutraleren Blick auf die Dinge zu werfen, stellt sich doch heraus, dass es auch Einiges gab, wofür sich das Einschalten wirklich gelohnt hat. Der Humor ist prinzipiell erhalten geblieben, die Handschrift also nach wie vor zu erkennen gewesen. Die Tagträume von Lucy hatten auch ihren Charme, auch wenn dieser Charakter zu sehr von J.D. abgeschaut wurde. Trotzdem schaffte sie es, durch die Serie zu führen. Um ein Vielfaches besser waren sogar noch die anderen Neulinge. Cole hat richtig Spaß gebracht und Drew konnte gemeinsam mit Denise immer wieder für wunderbare Szenen sorgen. Besonders die Beförderung von Eliza Coupe hat sich bezahlt gemacht. Da standen Turk und Cox teilweise richtig im Schatten. Die Geschichten waren letztlich gut ausgewählt, zwar auch nicht über die Maßen kreativ, dafür aber auch nicht übertrieben oder aufgesetzt. Insofern lastete einfach immer nur die ständige Hypothek der größtenteils begeisternden 8. Staffel auf diesen 13 Episoden.
Und die Handlung?
Was hat uns diese Staffel inhaltlich eigentlich gebracht? Auch das ist bei all der Alt-Neu-Diskussion durchaus wichtig. Turk hat sich zu einem Lehrer entwickelt, was sich bereits in der achten Staffel als sein Talent angedeutet hat. Im Großen und Ganzen hatte er aber nicht mehr zu tun, als ein paar Ratschläge zu geben, sein inneres Kind auszuleben und sich regelmäßig mit Cox in die Haare zu kriegen. Die Suche nach einem Ersatz für J.D. war noch das beste, was vor allem wieder an Denise lag. Diese hat sich mit ihrer "Sozialkompetenz" um die Studenten gekümmert und neben ihren abfälligen, wunderbar trockenen Kommentaren eine richtige Liebesgeschichte bekommen, die in ihr eine enorme Entwicklung vorgenommen hat. Besonders die letzten Episoden, in denen sich sich eingestanden hat, dass Drew nicht nur eine Bettgeschichte ist, haben mir sehr gefallen. Da hat man auch wieder gesehen, dass die Autoren ein Gespür dafür haben, Geschichten in diesem Ambiente zu erzählen.
Cox hat sich unterdessen mit Drew einen neuen Liebling gesucht und gefunden, mit dem er J.D. wieder ärgern konnte. Ansonsten blieb er sich selbst treu und machte alles nieder, was ihm über den Weg lief. Kelso schlüpfte unterdessen in die Rolle des Großvaters und war einfach immer da. Einen besonderen Abschied hat noch Ted bekommen, der erstens sehr schön war und zweitens auch wohl verdient gewesen ist. Dass er die Serie als rundum glücklicher Mensch verlassen hat, ist einfach nur toll.
Unter den Neulingen hat vor allem Cole überzeugen können, der mit einem riesigen Selbstbewusstsein immer obercool daher gekommen ist, im tiefsten Inneren aber unheimlich verletzlich ist und nah außen eben nur diese Fassade aufgebaut hat. Das führte dazu, dass Cole unglaublich witzig war, in den ernsten Momenten aber eine Tiefe bekam, die ihn zu einer rundum liebenswerten Figur entwickeln ließ. Gerade sein aufopferungsvolles Kämpfen für das Ziel, Chirurg zu werden, zu erreichen, hat auch beeindruckt. Drew wiederum hat mit seiner trockenen Art seinen Teil zum Humor beigetragen, insbesondere aber als Charakter mit einer längeren Geschichte aus der Vergangenheit Interesse wecken können. Er war schon mal in der Ausbildung, hat abgebrochen, hasst sein altes Ich, ist verheiratet und so weiter. Nach und nach kamen immer mehr Bruchstücke dieses Charakters ans Tageslicht, die ihn in der Gegenwart als komplexen Charakter aufstellten, der viel mit sich selbst beschäftigt ist und eigentlich nur das beste will. Auch diese Figur hat man gut durchdacht und nur zu spät in der Staffel wirklich aus sich heraus kommen lassen.
Bleibt noch Lucy, die so eine Art Mischung aus J.D. und Elliot (die glücklich ihr Kind bekommen haben) geworden ist. Hier fehlte mir dann doch der letzte Tick Kreativität, weil doch zu viele Eigenschaften der ehemaligen Protagonisten neu kombiniert wurden. Auch wenn sie als Leitfigur der Staffel mit Off-Kommentaren und Tagträumen durchaus funktionierte und insgesamt sinnvolle Storylines bekommen hat, war hier definitiv noch Potenzial. Die Beziehung zu Cole hat sich immerhin am Ende der Staffel noch schön entwickelt, aber dass wirklich nur sie im Zentrum der Erzählungen stand, war mir entsprechend der Episoden-Titel doch zu wenig. Ich hatte gehofft, dass man das Konzept insofern auflöst, als dass alle drei Neulinge abwechselnd die Führungsrolle übernehmen. Das hätte auch noch Potenzial eröffnet und vielleicht besonders zu Beginn eine größere Lust auf die Neulinge gemacht.
Fazit
Alles in allem war es besonders gegen Ende hin eine ordentliche Staffel, die aber unter der Last skeptischer Fans durch die unerwartete Verlängerung nach einem perfekten Ende zunächst keine Entfaltung gefunden hat. Mit einem konsequenteren Schnitt wäre vielleicht mehr drin gewesen, als nur diese Schlusscoda einer großartigen Serie.
Emil Groth – myFanbase
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