Review: #4.01 Aus den Fugen
"Seattle Firefighters - Die jungen Helden" gehörte zu den wenigen TV-Serien der fünf großen Broadcastsender, die ihre Staffel trotz der Corona-Pandemie regulär beenden konnten, weil die letzte Szene bereits vor dem Drehstopp im Kasten war. Das bedeutet natürlich auch, dass die Feuerwehrserie für eine Shondaland-Serie typisch mit einem Cliffhanger geendet ist. Das ist für Fans auch ein Muss, doch wenn man sich in der neuen Staffel plötzlich einer neuen Realität gegenübersieht, dann kann so ein aufzulösender Cliffhanger auch eine Bürde sein.
Diesen schwierigen Spagat hat man meiner Meinung nach aber hervorragend gelöst bekommen. Man setzt unmittelbar an dem Schock an, dass Andy Herreras Mutter noch lebt, um dann einen Zeitsprung von drei Wochen zu machen, so dass wir mitten in dem neuen Alltag der Pandemie sind. In Rückblenden wird zwischendurch erzählt, wie die erste Begegnung von Andy und Elena nach 20 Jahren abgelaufen ist. Dieses Zusammenspiel aus Ist-Zustand und Vergangenheit war schon in der dritten Staffel ein sehr beliebtes Stilmittel, was mal mehr, mal weniger gut funktioniert hat, aber hier funktioniert es definitiv gut, denn angesichts der bevorstehenden Trauerfeier für ihren Vater Pruitt, lässt Andy noch mal rekapitulieren, was sie von ihrer Mutter alles erfahren hat. Nach dem Cliffhanger sind wir ein wenig im Glauben gelassen worden, dass am Image von Pruitt gekratzt werden soll und diese Zweifel werden nicht sofort, sondern erst nach und nach aufgelöst.
Ich hätte es extrem schade gefunden, wenn man wirklich bei einem Toten nachgetreten hätte, zumal bei einem Toten, der noch nicht einmal unter der Erde ist. Deswegen bin ich so dankbar, dass zum einen die Trauerfeier trotz des Zeitsprungs noch gezeigt wurde und zum anderen ihm mit dieser Episode erst recht ein Denkmal gesetzt wurde. Aber der Reihe nach, denn Andy musste ja erst erfahren, dass Elena Mann und Kind aus freiwilligen Stücken verlassen hat. Es ist immer wieder betont worden, wie sehr Elena den Job der Feuerwehrfrau geliebt hat, von daher war es ohne Frage für sie nicht einfach, dass dieser Traum auf die Pausetaste gesetzt wurde. Dennoch finde ich die Erklärung insgesamt noch nicht ganz schlüssig. Zum einen wissen wir aus vergangenen Staffeln, dass Andy ihre Mutter verehrt hat und es sind auch einige gemeinsame Erinnerungen beleuchtet worden. Nun kann man einwenden, dass es kaum eine subjektivere Perspektive als die eines Kindes gibt, aber dennoch habe ich das Gefühl, dass die Geschichte etwas zurechtgebogen worden ist. Zum anderen ist dieses weite Feld von neun Jahren für mich durch dieses Gespräch noch nicht abgedeckt. Ich glaube Elena, dass sie nach der Geburt an postnatalen Depressionen gelitten hat und sie dann eben durch Pruitt im Beruf auch noch vor Augen geführt bekommen hat, was sie verpasst. Aber warum sollte sie in den neun Jahren nicht irgendwann doch ihren Träumen folgen können? Es mag sein, dass zwei Elternteile in diesem Job ein großes Risiko darstellen, aber ob sie nun einfach nach New York abhaut und dort jeden Tag im Job ihr Leben riskiert, wo ist das der Unterschied? Mir ist Elenas Motivation nach dieser Episode zu dünn, aber ich gehe davon aus, dass auch Andy noch mehr Antworten haben will.
Es mag von Pruitt hart gewesen sein, die Mutter für tot zu erklären, aber wer will sich ernsthaft Gedanken darüber machen, ob es für ein Kind schlimmer ist, seine Mutter für immer zu verlieren oder zu wissen, dass die Mutter das Kind bewusst für immer hinter sich gelassen hat? Von daher fand ich es auch so schön, dass noch einmal unterstrichen wurde, dass Pruitt alles immer nur für Andy getan hat, weil es in seinem Leben keine bessere Motivation hätte geben können. Da auch Andy selbst diese Erkenntnis erlangt hat, hat ihr Vater die Trauerrede erhalten, die er auch verdient hat. Richtig wunderschön fand ich das Bild, dass Pruitt aus den unterschiedlichsten Rekruten (die auch nicht unbedingt die talentiersten waren) eine Familie geformt hat, um Andy das zu geben, was sie eben lange nicht hatte. Dieses Bild hat mich tief innen drin berührt und deswegen hätte dieser Abschied von der Serienfigur wirklich nicht würdiger sein können. Selbst wenn es für die meisten Teilnehmenden eine virtuelle Beerdigung war.
Die virtuelle Beerdigung war nur eines der wenigen Elemente, womit bei "Seattle Firefighters" der neue Alltag innerhalb einer Pandemie unterstrichen wurde. Sei es, wenn sich alle vor dem Krankenhaus versammeln, um dem Personal für ihre Aufopferungen zu danken, sei es das Abstandshalten selbst zwischen Kollegen, sei es das Desinfizieren des Rettungswagens, nachdem ein Patient abgeliefert worden ist oder sei es das permanente Maskentragen in der Öffentlichkeit, wenn Opfer involviert sind. Man merkt, dass sich die Verantwortlichen sehr bemüht haben, eine originalgetreue Darstellung auf die TV-Bildschirme zu transportieren. Und trotzdem bin ich dadurch nicht erschlagen worden, denn mit all den Motiven war eine gewisse Hoffnung verbunden. Das wurde mir besonders deutlich, nachdem Station 19 geholfen hat, dass ein Wildfeuer nicht auf eine Siedlung überschlägt und alle Anwohner ihre Dankbarkeit zeigen. Dieser Zusammenhalt und die damit verbundene Botschaft haben wir auch in Deutschland zu Beginn der Pandemie erlebt, doch inzwischen ist davon nur noch wenig übrig. Aber ehe ich jetzt den Kopf in den Sand stecke, schaue ich mir lieber diese Szenen an und hoffe, dass der Zusammenhalt für eine gemeinsame Zukunft noch einmal möglich sein kann.
Neben Andy, ihrer Mutter und ihrem Vater sind die übrigen Charaktere natürlich etwas kurz gekommen, aber damit kann man leben, denn erste Tendenzen, wohin es für die Figuren gehen könnte, sind abzulesen. Sehr spannend wird sicherlich die berufliche Entwicklung von Robert Sullivan werden. Er kam einst als Grumpy Cat, aber inzwischen hat er sich enorm gewandelt. Dass er seine Karriere für den richtigen Weg aufgegeben hat, ist bei ihm keine Alltagsfliege, wie sich in dieser Episode zeigt. Er hat einen Job bei einem Privatunternehmen erhalten, wo er Nachbarschaften vor Wildfeuern sichern soll. Dabei werden auch Sträflinge ausgebildet und Sullivan hängt sich richtig für sie hinein. Auch als er seinen Kollegen einfach zurücklässt, um Station 19 zu helfen, findet er sich problemlos in die Befehlskette ein. Und schließlich kündigt er gleich wieder, weil er nur noch auf der richtigen Seite der Geschichte stehen will. Natürlich kann er nicht mal so eben zum SFD zurückkehren, da sein Drogenmissbrauch kein Kavalierdelikt war, deswegen bin ich auch so gespannt, was man sich für ihn ausdenkt. Es war sicherlich auch eine kleine Überraschung, dass sich ausgerechnet Sullivan von Andy für 90 Tage getrennt hat, um seine Abstinenz von Genussmitteln ohne äußere Einflüsse zu absolvieren. Aber die beiden waren zuletzt auch nur auf der Überholspur unterwegs, weswegen etwas Ruhe die Beziehung vielleicht genau richtig wachsen lässt.
Bei den übrigen Charakteren ist derweil eine gewisse Umkehr zum Start dieser Serie zu erkennen. So ging es in dieser Episode vor allem um die Konstellationen Dean Miller/Jack Gibson und Victoria "Vic" Hughes/Travis Montgomery. Das waren schon die beiden engen Freundschaften, die wir vom Beginn der Serie kennen. In der letzten Staffel war Jack zu sehr mit den Frauen beschäftigt, während Vic und Dean als Mitbewohner viel Zeit miteinander verbracht haben und Travis wiederum mit Emmett Dixon zu tun hatte. Eine Rückkehr dahin finde ich auch nicht schlecht, weil so etwas Abwechslung reinkommt, wenn auch eine altbekannt. Gerade aber bei Vic und Travis freut es mich unheimlich, weil die beiden wirklich eine wunderbare Dynamik miteinander haben, was diesmal wieder in vielen höchst lustigen Momenten unterstrichen wurde. Und wer hätte mit dem Schocker gedacht, dass Travis' Vater offenbar selbst schwul ist? Ich bin sehr gespannt, in welche Richtung das führen wird. Während Jack sich offenbar mit Marsha, Inara und Marcus seine langersehnte Familie aufbaut, wenn auch erstmal auf Distanz, ist Dean derweil etwas verloren. Seine Beziehung zu Sasha führt er für jeden eher halbherzig, aber wer könnte ihm auch vorwerfen, dass er Vic nicht einfach seine Gefühle gesteht? Ohne Frage ist sie dafür noch nicht bereit, zumal sie immer noch Dr. Jackson Avery nachhängt. Ich habe diesen Figurenhaufen jedenfalls echt vermisst und bin gespannt, wie es für jeden einzelnen von ihnen weitergeht, auch für Maya Bishop, die diese Episode noch völlig zu kurz gekommen ist.
Fazit
"Seattle Firefighters" bemüht sich in seinem Staffelauftakt sehr, die neue Alltagsrealität dem Zuschauer nahe zu bringen. Dadurch kommen einige Charaktere zu kurz, aber ich finde es als Vorbereitung für die gesamte Staffel nachvollziehbar. Zudem ist das Wichtigste, der offizielle Abschied von Pruitt Herrera, trotz Zeitsprungs nicht unter den Tisch gekehrt worden, weswegen zum Ende hin eine emotionale Wucht entfaltet wurde. Und bei all dem wirkt die Grundstimmung auch versöhnlich, weswegen ich hoffnungsvoll auf die kommende Staffel mit "Seattle Firefighters" blicke.
Lena Donth - myFanbase
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Informationen zur Episode
Englischer Titel: Nothing Seems the SameErstausstrahlung (US): 12.11.2020
Erstausstrahlung (DE): 28.04.2021
Regie: Paris Barclay
Drehbuch: Kiley Donovan
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