Bewertung

Review: #7.08 Krisenbewältigung

Bevor "Seattle Firefighters - Die jungen Helden" sich für das große Serienfinale einen inhaltlichen Doppelpack aufgespart hat, kehren wir davor noch einmal zu der klassischen DNA der Serie zurück. Neben einer sehr persönlichen Geschichte, die eine Hauptfigur noch einmal konkret in den Fokus schiebt, haben wir neben kleinen, feinen Momenten die Beschäftigung mit einem brandaktuellen Gesellschaftsthema, das ordentlich nachhallt. Hat die Mischung aus Inhalten hier gestimmt?

"Seattle Firefighters" hat sich diesmal noch der Flüchtlingsthematik angenommen und hat dabei in meinen Augen für diese Staffel den rundesten Eindruck einen solchen gesellschaftlichen Themas abgeliefert. Wir hatten schon etwas zum Waffenbesitz bei mental kranken Menschen und wir hatten einen kleinen Auftritt eines indigenen Stammes. Hier nun also eine große Gruppe an Flüchtlingen aus Venezuela, die ihrem Heimatland entfliehen und quer durchs Land gekarrt werden. Auch OneChicago hatte sich in dieser TV-Season der Thematik schon angenommen und dabei auch recht ähnliche Schwerpunkte gefunden. Ich fand es auch wieder sehr gut gemacht, dass es kein lehrhaftes Erzählen im Drehbuch war. Stattdessen standen die Geschichten der beispielhaft gezeigten Flüchtlinge, einmal Beatriz und einmal Luis und Sohn Rafael, problemlos für sich selbst. Vater und Sohn, die ohne Frau und Schwester losgezogen sind, um sich vorab schon etwas aufzubauen, weil die Flucht und anstrengend und belastend ist und die dabei in einen Stacheldrahtzaun geraten sind, denn willkommen sind sie im neuen Land nicht. Genauso aber auch Beatriz, die im Auffanglager an womöglich unmotivierte oder tatsächlich auch unverantwortliche Ärzte gerät und möglicherweise dadurch ihren Kinderwunsch der Zukunft zerstört bekommen hat. Ich bin mir unsicher, ob die drei Rollen noch einmal auftauchen. Ihre Geschichten sind unfertig, aber das könnte möglicherweise auch ein Statement sein, denn solche Geschichten sind nicht mal eben abzuschließen, weil das Leid dieser Menschen jeden Tag neu aktuell ist.

In die Thematik hinein wurden auch gut einige Storylines verwoben. Die Wichtigste ist sicherlich die von Joey, der noch einmal einen Auftritt hat, was mich sehr gefreut hat. Diesmal machen wir also etwas Pause davon, was mit Ben Warren los ist und erleben ihn stattdessen voll aufgehend in seiner Vaterrolle. Es war schon lustig, wie die beiden ankamen. In der übelsten Stimmung. Joey fast wie ein trotziger Teenager und Ben, der verzweifelt versucht, noch irgendetwas wie Autorität auszustrahlen. Ich fand Joeys völlige Überforderung mit dem Weltgeschehen gepaart mit einer Art Survivor's Guilt sehr gut auf die Figur zugeschnitten. Er hat schon genug in die Abgründe des Weltgeschehens gesehen, doch ist durch Ben und Dr. Miranda Bailey auf eine Art gerettet worden, die ihm von jetzt auf gleich ein anderes Leben ermöglicht. Zuvor noch ein wenig als Idealist eingeführt, der im Alleingang die Welt retten will, ist er inzwischen ernüchtert. Das habe ich gut nachvollziehen können. Gleichzeitig aber haben mich seine Aufzählungen, was alles nicht stimmt, auch erdrückt und den Figuren um ihn herum ging es auch so. Manchmal würde man gerne die Augen vor dem Leid in der Welt verschließen, aber man tut es nicht, aber jeder muss für sich ein vernünftiges Maß wählen und Joey war nicht vernünftig. Er hat alles auf sich einprasseln lassen und sich runterziehen lassen. Da spielt dann auch seine Schuld rein, dass er das mangelhafte System quasi überlebt hat. Denn ihm eröffnen sich auf einmal Türen, doch nicht in ebendiesem Tempo verbessert sich die Welt und so wird Joey von dem Gedanken eingeholt, ob er das wirklich überhaupt verdient hat. Ich fand das gut nachvollziehbar, hoffe aber auch, dass er letztlich etwas Entscheidendes begriffen hat.

Die Episode hat nämlich genauso gezeigt, wie es im Idealfall geht. Man darf die Augen nicht verschließen, man darf sich umgekehrt aber auch nicht überfordern, denn im ausgewogenen Maß an Bewältigung ist jeder für sich in der Lage, jeden Tag neu zu entscheiden, was er tun kann. Da gibt es auch kein richtig oder falsch, geschweige denn einen Wettbewerb, da gibt es einfach nur positives Tun, sei es durch Geld- oder Sachspenden, sei es durch ein bereit gestelltes freies Zimmer, durch medizinische oder soziale Hilfe oder einfach nur die Tatsache, die Fehler da draußen zu relativieren und sich schönzureden. Genauso war es auch mit Victoria 'Vic' Hughes, die abgeordnet wurde, sich durch eine Liste an möglichen Geldgebern zu arbeiten. Ich konnte gut nachvollziehen, warum sie das so frustriert hat, denn man weiß, wie viele wenige Menschen das allermeiste Geld unter sich ausmachen und wie absurd es ist, da das Gefühl zu haben, betteln zu müssen. Letztlich wäre sie selbst lieber aktiv geworden, aber sie war aktiv. Es kam ihr unwürdig vor, aber es war dennoch wichtig. Zudem ist sie letztlich auch an jemanden geraten, der sich von ihrem Ausbruch gegen das System nicht hat abbringen lassen, Geld in die Hand zu nehmen. Im Grunde hat sie den mitmenschenlichen Faktencheckt gleich mit in einem gemacht, denn wer da nicht gleich die beleidigte Leberwurst gibt, der will mit seinem Geld wohl wirklich was bewegen.

Auf persönlicher Ebene haben wir auch kleinere Entwicklungen gehabt. Vic hat die Nacht mit Theo Ruiz als einmalig gesehen, er nicht. Da war das Drehbuch aber auch fies, weil es diesen schönen Moment im Konferenzraum gewährt, in dem Theo es ist, der Vic zum Durchhalten bringt und dann dieser Schrecken im Fahrstuhl, als die beiden merken, dass sie eigentlich doch gar nicht synchron sind. Für Vic hatte ich wie gesagt dieses Gefühl eigentlich auch, dass sie sich woanders umsehen will, aber da Theo diese Staffel bislang ein Goldschatz war, tut es mir für ihn natürlich dennoch leid. Aber Vics möglicher Umzug nach Washington D.C. ist auch ein Zeichen, dass das Serienfinale seine Schatten vorauswirft, denn es werden sicherlich nicht alle an Ort und Stelle in Seattle bleiben. Travis Montgomery wiederum muss sich klar werden, ob Dominic Amaya eine Option für ihn ist. Diesmal waren es nicht viele Szenen, aber es ist etwas da. Gleichzeitig fand ich Theos Ansprache sehr wichtig. Klar, war sie auch sicherlich Folge seiner eigenen Erkenntnisse wegen Vic, aber er hatte auch Recht, dass Travis sich auf zu viele Männer in seinem Leben eingelassen hat, nur um nicht alleine zu sein. Dominic ist auch verwundbar und in seiner letzten Beziehung schwer verletzt worden, so dass es sicherlich förderlich wäre, dass Travis sich bewusst wird, was er will und was er nicht will.

Carina DeLuca und Maya Bishop erleben auch weitere Meilensteinmomente. Am Anfang der Episode haben wir diese schöne Montage, als die befruchtete Eizelle bei Carina eingesetzt wird. Jetzt heißt es Daumen drücken, dass es sich einnistet. Angesichts des Serienfinales bin ich aber mal positiv, denn mit Liam ist schließlich auch der nächste Schritt schon gegangen. Mit dem Auffinden des biologischen Vaters gab es nochmal einen kleinen Schreck, aber auch das wurde gut gelöst. Auch hier war Joey ein gutes Element, denn er konnte Maya beruhigen, dass man in einer Patchwork-Familie gut zueinander findet, vor allem sicher unter der Voraussetzung, dass man ehrlich wegen der Umstände ist.

Zuletzt haben wir dann noch einen großen Schwerpunkt auf Natasha Ross und ihre Schwester Jinny gehabt. Gleichzeitig musste ich deswegen an Jack Gibson denken, der nun zum zweiten Mal in Folge gar nicht zu sehen war. Die Episoden sind voll und es passiert genug, aber Jack hat wirklich noch viel zu erzählen und es wird immer klarer, dass wir das nicht bekommen werden und es macht mich durchaus traurig. Bei Natasha wiederum ist ersichtlich, dass wir von ihrer Familie und deren Geschichte sicherlich noch mehr bekommen hätten, wenn es eine Fortsetzung gegeben hätte. So wurde es im Drehbuch aber gut gesteuert, dennoch ein möglichst umfangreiches und letztlich auch rundes Bild zu bekommen. Natasha ist neben Sean Beckett die neueste Figur im Hauptcast und dementsprechend auch noch die unerforschteste. Selbst bei Beckett hatten wir schon Familienmitglieder kennengelernt. Nun also Jinny. Ich fand es interessant, wie negativ sie gegenüber Robert Sullivan eingestellt war. Denn wer war das von uns Zuschauer*innen nicht auch? Der Kerl war definitiv nicht zum sofortigen lieb Haben da. Gleichzeitig aber betrachtet sie es natürlich aus einer anderen Ebene, die wir nur im Off kennen. Auch wenn es nicht konkret so gesagt wurde, aber Natasha war durch Sullivans Eheschließung mit Claire sehr verletzt. Jinny hat sie damals aufgefangen, aber offensichtlich ist danach mit dem koreanischen Teil der Familie etwas kaputt gegangen. Vermutlich hat sich Natasha durch die Enttäuschung mehr denn je an ihren Job und die Ablenkung geklammert und sich zurückgezogen. Dass es nun ausgerechnet Sullivan ist, der sie wieder hochholt, das muss ein Schlag gewesen sein. Aber ich fand es schön, wie die Schwesternbeziehung nach und nach entwickelt wurde. Von großem Abstand zu intensiver Nähe und das Schönste war dann eigentlich Natashas Selbsterkenntnis, dass sie zu sehr Fire Chief war und Natasha als Mensch verloren hat. Abschließend war auch die Hochzeitszeremonie ein schönes Element. Eine Ehre an das kulturelle Erbe, aber auch mit einer kulturübergreifenden Botschaft. Familie wird auf dieser Zielgeraden der Serie wöchentlich betont, aber ich bin nicht böse drum, denn wir verlieren ja wirklich eine Art Familie.

Fazit

Es war insgesamt eine Episode, der der große Ausreißer nach oben fehlte. Dennoch ist es aber eine Folge, die ideal die DNA von "Seattle Firefighters" verkörpert. Flott erzählt, gesellschaftlich am Zahn der Zeit und auf persönlicher Ebene immer wieder mit toller Charakterarbeit.

Lena Donth – myFanbase

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